Obwohl die Notenbanken die Zinsen stark erhöht haben, ist die Inflation weiterhin hoch. Wirtschaftliche und politische Risiken könnten die Währungshüter zwingen, vor Erreichen der Preisstabilität die Zinsen wieder zu senken. Gewinner wären inflationsgesicherte Anleihen und die dazu passenden Fonds.
11.07.2023 | 07:15 Uhr von «Uli Lohrer»
Die Inflation in Deutschland erweist sich hartnäckiger, als Notenbanker und viele Ökonomen erwartet hatten. Sie wurden überrascht, als im November 2023 die Rekord-Inflationsrate von 10,0 Prozent erreicht wurde. Dabei ist die Europäische Zentralbank nach Artikel 127 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEU-Vertrag) verpflichtet, Preisstabilität zu gewährleisten. Nachdem der Anstieg der Verbraucherpreise gegenüber dem Vorjahr laut Statistischen Bundesamt vom April 2023 von 7,2 Prozent zum Mai 2023 noch deutlich auf 6,1 Prozent gesunken war, stiegen die Inflation im Juni aufgrund von Basiseffekten wieder auf 6,4 Prozent an. Führten viele Ökonomen den Preisschub 2023 noch auf den starken Anstieg der Energiepreise in Folge des Ukrainekrieges zurück, so sind Gas- und Ölpreis mittlerweile wieder unter das Niveau vor dem Ukrainekrieg gefallen. Zwischenzeitlich haben Nahrungsmittel die fossilen Energiebrennstoffe als Preistreiber abgelöst. Im Herbst drohen aufgrund hoher Lohnerhöhungen weitere Preiserhöhungen vor allem im Dienstleistungssektor.
Betroffen von dem rasanten Schwund der Kaufkraft ihrer Währung sind weltweit Verbraucher und Anleger. Obwohl viele Notenbanken in einem Rekordtempo von etwas mehr als einem Jahr die Leitzinsen auf das hohe Niveau vor 15 Jahren angehoben haben, liegen die Zinsen in vielen Währungsräumen noch unter der jeweiligen Inflationsrate. Mit wenigen Ausnahmen, wie in den USA, erleiden Sparer mit ihren Bankeinlagen, Anleihen- oder Rentenfonds-Investments laufend reale Verluste durch negative Realzinsen. Einige Investoren sehen daher in inflationsindexierte Anleihen oder Rentenfonds, die in diese Papiere investieren, eine Möglichkeit, die Kaufkraft ihrer Ersparnisse zu erhalten. Anleger und ihre Finanzberater sollten allerdings die Eigenheiten dieser Anlagen kennen. Nur unter bestimmten Voraussetzungen schlagen inflationsindexierte Anleihen vergleichbare festverzinsliche Wertpapiere.
Das Angebot an inflationsindexierten Anleihen
Der globale Markt inflationsindexierter Anleihen – auch nach Inflation-linked Bonds kurz auch „Linker“ genannt – erhöhte sich laut der Studie „Inflation-linked Bonds Explained“ von Martin Wojtowicz von der Schweizer Großbank UBS über das vergangene Jahrzehnt von 1,72 Billionen US Dollar auf 2,82 Billionen US Dollar. Dabei nehmen allein inflationsgesicherte Staatsanleihen der USA (Treasury Inflation Protectet Securities – kurz TIPS) einen Anteil von 46 Prozent ein (1,29 Billionen US Dollar). Innerhalb der Euro-Zone sind vor allem inflationsindexierte Anleihen aus Frankreich (im Wert von 275 Milliarden US-Dollar), Deutschland (85 Milliarden US-Dollar), Italien (178 Milliarden US Dollar) und Spanien (82 Milliarden US Dollar) im Umlauf. Laut der Finanzagentur der Bundesrepublik Deutschland beträgt der Anteil inflationsindexierter Bundeswertpapiere am gesamten Auktionsvolumen der vom Bund emittierten Staatsanleihen seit 2006 im Schnitt aber nur drei Prozent. Aktuell weist die Finanzagentur fünf inflationsindexierte Bundeswertpapiere mit unterschiedlicher Erstemission (2012 – 2021) und unterschiedlichem Laufzeitende (2023 – 2046) aus.
Anleger können inflationsindexierte Anleihen auch über Fonds in gemanagter Variante oder als pasives Investment als ETF auf entsprechende Indices erwerben. Wie auch die meisten Direktanlagen in inflationsgeschützten Anleihen, so profitierten auch die Fonds in den Jahren 2020 bis 2021 von den gestiegenen Zinsen aufgrund der gestiegenen Inflation. Seither dominierten allerdings die Kursverluste der Anleihen aufgrund der Leitzinserhöhungen der Zentralbanken den Effekt der Zinserhöhungen, so dass die Performance in dieser Zeit oft deutlich negativ ausfiel (siehe Tabelle).
Wie inflationsindexierte Anleihen funktionieren
Üblicherweise wird bei einer Anleihe während der Laufzeit entsprechend des Kupons ein fester Zins zu bestimmten Terminen ausbezahlt und zum Ende der Laufzeit das überlassene Kapital in Höhe des Nennwertes der Anleihe zurückgezahlt. Bei der inflationsindexierten Anleihe wird die Zinszahlung während der Laufzeit an die Entwicklung eines Inflationsindex angepasst. Eine Inflation (steigende Verbraucherpreise) erhöht die Zinsauszahlung erhöht, eine Deflation (sinkende Verbraucherpreise) senkt den Zins. Bei inflationsindexierten Bundeswertpapieren (deutsche Staatsanleihen) wird auch der Nennwert für die Auszahlung am Ende der Laufzeit entsprechend der Inflationsentwicklung erhöht, nicht aber bei einer Deflation entsprechend gemindert. Bei anderen inflationsindexierten Anleihen, etwa inflationsindexierte US-Staatsanleihen (TIPS), führt eine Deflation auch zu einer Minderung der Auszahlung.
Während der Laufzeit wird der Kurs der inflationsindexierten Anleihe ähnlich wie auch der Kurs einer festverzinslichen Anleihe von Veränderungen des Marktzinses beeinflusst. Steigt beispielsweise das Zinsniveau auf den Kapitalmärkten, weil die Notenbank den Leitzins erhöht, sinken die Kurse der im Umlauf befindlichen festverzinsliche Anleihen – und zwar umso stärker, je länger die Restlaufzeit der Anleihen ist. Die Kurse der inflationsindexierten Bundesanleihen entwickeln sich gegenläufig zu den realen Renditen am Rentenmarkt (Marktrendite minus Inflationsrate).
Wann Linker Festzinsanleihen schlagen
Investoren vergleichen die Rendite inflationsindexierter Anleihen mit der Rendite herkömmlicher festverzinslicher Anleihen mit vergleichbarer Restlaufzeit/Duration und Bonität. So beträgt die nominale Rendite für eine zehnjährige Bundesanleihe aktuell 2,66 Prozent (Stand 04.07.2023), während die reale Rendite für eine inflationsindexierte Bundesanleihe mit vergleichbarer Restlaufzeit laut der Finanzagentur 0,07 Prozent beträgt. Damit diese inflationsindexierte Bundesanleihe die herkömmliche Bundesanleihe schlägt, muss die Inflationsrate also während der Restlaufzeit über 2,36 Prozent (2,5 % - 0,07 %) liegen. Diese Break-even-Inflationsrate spiegelt die Inflationserwartung des Kapitalmarktes wider und kann – wie die Grafik der Finanzagentur zeigt (siehe Grafik) – sich im Zeitablauf und für verschiedene Laufzeiten unterscheiden. So lag die Break-even-Inflationsrate für die zehnjährige inflationsindexierte Bundesanleihe Anfang März noch bei 2,7 Prozent. Die Inflationserwartung oder die Break-even-Inflationsrate für eine Restlaufzeit von knapp drei Jahren liegt aktuell bei etwas über zwei Prozent, während sie im August 2023 noch bei 3,3 Prozent lag.
Risiken und Chancen inflationsindexierter Anleihen
Insbesondere im Falle eines Anstiegs der Realrenditen am Rentenmarkt können Anleger bei Verkauf inflationsindexierter Bundesanleihen vor dem Laufzeitende Kapitalverluste erleiden. Die Realrendite können beispielsweise in Folge unerwarteter rückläufiger und damit vom Markt in zu hohem Maße einkalkulierter Inflationsraten steigen. Die Realrenditen können aber auch bei konstanten Inflationsraten steigen, etwa weil Investoren aufgrund eines gestiegenen Risikos der Anlage, etwa einem höheren Ausfallrisiko des Emittenten höhere Nominalzinsen erwarten. Die Kursveränderungen fallen umso höher aus, je länger die Restlaufzeit der Anleihe ist. Anleger einer inflationsindexierten Anleihe sind daher besonders von Kursverlusten betroffen, wenn die Kurse aufgrund eines unerwartet starken Inflationsrückgangs, einer Leitzinserhöhung oder eines erhöhten Emittentenrisikos und einer langen Restlaufzeit stark gefallen sind und sie die Anleihe vorzeitig verkaufen müssen. Umgekehrt können Anleger inflationsindexierter Anleihen von Kursgewinnen während der Laufzeit profitieren, wenn die Realrendite sinkt, etwa weil die Inflation unerwartet höher ausfällt, die Notenbanken die Leitzinsen senken oder das Emittentenrisiko zurückgeht.
Strategien für Investoren
Für Anleger, die von einer höheren Inflationsrate als die Inflationserwartung (Break-even-Inflationsrate) ausgehen, sind inflationsgeschützte Anleihen ideal. Während der gewählten Laufzeit erhalten sie laufende (inflationsgeschützte) Zinseinnahmen und bekommen das eingesetzte Kapital durch den an die Inflation angepassten Nennwert zurück.
Anleger, die davon ausgehen, dass die Zentralbank bald die Leitzinsen senkt, obwohl die Inflation nicht nachhaltig „besiegt“ ist, hoffen zudem von Kursgewinnen aufgrund einem (weiteren) Rückgang der Realzinsen zu profitieren. Wenn sie hohen Wert auf solche Kursgewinne legen, wählen sie inflationsindexierte Bundesanleihen mit langer Restlaufzeit.
Werden die Notenbanken die Zinsen zu früh senken?
„Die aggressive Geldmengenausweitung zu Beginn der Pandemie im Jahr 2020 schufen den monetären Spielraum, der den anschließenden Anstieg der Inflation ermöglichte“, schreibt Pablo Duarte in einerAnalyse der Inflation für das Flossbach von Storch Research Institut. Dieser enorme Geldüberhang im Verhältnis zur Wirtschaftsleistung wurde durch die zu späten Zinserhöhungen und die bislang zu geringen Anleihenverkäufe aus dem Bestand der Notenbanken nur zu einem kleinen Teil wieder abgeschöpft oder durch die Inflation absorbiert. Um die Inflation dauerhaft zu senken, bedarf es deshalb weitere Maßnahmen und Ausdauer. FED-Präsident Jerome Powell hat versichert, dass die Fed die Inflationsbekämpfung ernst nimmt und deshalb die Leitzinsen auch längere Zeit auf dem aktuellen Niveau halten oder sie sogar noch erhöhen werde. Seine Aussage genießt bei den Marktteilnehmern – gemessen an der stark inversen Zinskurve – allerdings wenig Glaubwürdigkeit. Die sich zunehmend abzeichnende Rezession spricht eher für baldige Zinssenkungen. Auch die hohe Staatsverschuldung, in den USA und in Europa in Italien, Spanien und in Frankreich, verstärkt bei weniger dynamischen Staatseinnahmen den Druck auf die Notenbanken, die Zinsen zu senken. In den USA stehen zudem im November 2024 Wahlen an. Die Wiederwahlchancen von US-Präsident Joe Biden werden sich deutlich verschlechtern, wenn die Arbeitslosigkeit steigt. Seine Regierung wird daher versuchen, die Wirtschaft rechtzeitig durch Zinssenkungen zu beleben. Auch bei einem Aktiencrash, etwa aufgrund rückläufiger Gewinnschätzungen, sind Zinssenkungen wahrscheinlich. Die Kurse inflationsindexierten Anleihen mit langer Restlaufzeit würden dadurch steigen und die Zinsen dieser Papiere würden an die Inflation angepasst werden.
Kurzname | Perf. 1 Jahr | Perf. 2 Jahre kum. | Perf. 3 Jahre kum. | Perf. 5 Jahre kum. | ISIN |
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AXA WF Euro Inflation Bonds I € Redex | 5,29% | 13,57% | 21,39% | 16,96% | LU0503838491 |
Lyxor EUR 2-10Y Infl Expect ETF € acc | 4,69% | 16,50% | 21,28% | 12,17% | LU1390062245 |
AXA WF Global Inflation Bds A € thes r | 4,57% | 9,69% | 16,60% | 7,00% | LU0482270153 |
CPR Focus Inflation P | 3,27% | 12,71% | 22,60% | 4,47% | FR0010832469 |
CS (L) Inflation Linked CHF Bond EB CHF | 1,69% | 14,16% | 15,47% | 20,86% | LU0987306726 |
Quelle FVBS; sortiert nach Performance 1 Jahr
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