Die Anlagestrategen von Bellevue Asset Management, DJE Kapital und Shareholder Value Management reagieren mit verschiedenen Strategien auf die unübersichtliche Marktlage. Darunter: Optionsstrategien, eine höhere Goldquote und der Fokus auf preiswerte Qualitätsaktien.
27.07.2022 | 07:30 Uhr von «Ronny Kohl»
Niedrigzinsen, hohe Bewertungen und geopolitische Spannungen – dieses Kapitalmarktumfeld begleitet uns jetzt schon seit Langem“, sagt Simon Westendorf, der zusammen mit Klaus Spöri und Rene Weißmann bei Bellevue den neuen Bellevue Option Premium Fonds managt. Ein Umfeld, das durch mehr oder weniger hohe Risiken und Volatilität geprägt ist. Gerade defensiv orientierten Anlegerinnen und Anlegern fehlt zudem die Anleiheseite, wie Westendorf weiter ausführt. Hier seien kaum noch Renditen zu erwarten, und dies bei steigenden Risiken. Gleichzeitig sei vielen das reine Aktienrisiko zu hoch. Hier stellt sich die Frage, wie trotzdem regelmäßige Erträge erzielt werden können, ohne zu hohe Wagnisse einzugehen.
„Die Lösung liegt abseits der ausgetretenen Pfade im Optionsmarkt“, erklärt Westendorf. „Ziel ist ein alternatives Performancemuster, das auch dann Erträge liefert, wenn klassische Aktien- und Rentenanlagen straucheln. Bellevue Asset Management hat eine Optionsstrategie entwickelt, die genau diese Lücke füllt.“
Menschen entscheiden nicht rational, auch nicht an den Finanzmärkten. Grund dafür ist die verzerrte Wahrnehmung von Risiken, die durch zahlreiche wissenschaftliche Studien belegt ist. Sie äußert sich in der Tatsache, dass die von Marktteilnehmern vorher geschätzte, sogenannte implizite Volatilität fast immer die tatsächlich reale Volatilität übersteigt. Diese verzerrte Wahrnehmung von Risiken – insbesondere die Tendenz, geringen Wahrscheinlichkeiten ein zu hohes Entscheidungsgewicht einzuräumen, führt dazu, dass Verkäufer von Optionen risikoadjustiert nicht selten einen sehr attraktiven Ertrag beziehungsweise eine Prämie erhalten. „Investoren sind quasi bereit, eine Art zu hohe Versicherungsprämie gegen fallende Kurse zu zahlen“, ergänzt Westendorf. „Diese Überbewertung ist auch die grundlegende Renditequelle der Bellevue-Optionsstrategie.“
Der Bellevue Option Premium erzielt regelmäßige Erträge mit der Vereinnahmung von Optionsprämien durch den Verkauf von Optionen. „Die Strategie beruht auf dem Verkauf von Put-Optionen auf den S & P 500, die weit aus dem Geld liegen, als Puffer gegen negative Preisbewegungen“, erläutert Westendorf. „Im zweiten Schritt wird die Strategie durch den Kauf von Put-Optionen, die noch weiter aus dem Geld liegen, gegen kräftigere Kapitalmarktrückschläge abgesichert.“ Ein Teil der so vereinnahmten Optionsprämie werde schließlich in eine Absicherungsstrategie investiert, bestehend aus Derivaten auf den US-Volatilitätsmarkt (VIX), um das Portfolio zusätzlich vor stärkeren Kursschwankungen an den Aktienmärkten zu schützen. „Die Strategie ist somit doppelt abgesichert und der insgesamt erwirtschaftete Prämienüberschuss bildet die attraktive Ertragsquelle dieser erfolgreichen Strategie.“
Das Besondere an dem von Bellevue erforschten Ansatz sei, dass die Strategie gemäß Backtest sowohl in festeren als auch in schwächeren oder in seitwärts tendierenden Märkten funktioniert. „So konnte ein optimaler Algorithmus entwickelt werden, der es ermöglicht, mit dem Einsatz von nur drei beschriebenen Bausteinen eine attraktive Rendite bei gleichzeitig reduziertem Verlustrisiko zu erzielen. Das Fonds-Set-up wurde zudem so gestaltet, dass etwas höhere Drawdowns in Kauf genommen werden, um langfristig höhere Renditen als Vergleichsprodukte erzielen zu können.“
Bleibt noch das „menschliche Risiko“. Um dies auszuschließen folge die Strategie einem regelgebundenen systematischen Ansatz, fügt Westendorf hinzu. So werde immer am gleichen Wochentag gehandelt und es würden stets die gleichen vordefinierten Parameter angewendet.
Stefan Breintner, Leiter Research & Portfoliomanagement bei der DJE Kapital AG und Co-Manager des DJE – Zins & Dividende, bezeichnet die aktuelle Situation an den Börsen „als sehr schwer einschätzbar“. So sei der Monat April zusammen mit dem November im langjährigen Durchschnitt der beste Börsenmonat. Nicht aber 2022: „Diesmal hat der S & P 500 allein im April neun Prozent eingebüßt, wobei die ersten vier Monate im amerikanischen Markt sogar den schlechtesten Jahresstart seit 1939 markierten.“
Allerdings betont er auch, dass Anleger, die jetzt verkaufen, damit die aufgelaufenen Verluste realisieren. Zugleich hofft er, dass die derzeitigen negativen Faktoren in den aktuellen Kursen zu einem hohen Grad eingepreist sind.
Davon unabhängig rät Breintner, auch weiterhin gezielt auf Aktien zu setzen. „Die Aktienquoten sollten hoch bleiben.“ Er selbst hat den Fokus auf defensive Aktien gelegt – „Aktien von Unternehmen mit hoher Preissetzungsmacht und damit stabilen oder im Idealfall steigenden Margen“, wie er präzisiert. Vor allem die Aktien jener Unternehmen, deren Profitabilität sich nicht verschlechtert, dürften sich überdurchschnittlich entwickeln. „Auch Kriterien wie die Bewertung und die Dividende dürften eine größere Bedeutung haben als in den vergangenen Jahren. In diesem Zusammenhang verweist er auf DAX-Werte, denen er in diesem Jahr „rekordhohe Ausschüttungen“ zutraut. Die Anleihequote sollte demgegenüber niedrig sein: „Das Umfeld für Anleihen bleibt aufgrund der stark steigenden Inflation und der erwarteten Zinsanhebungen, insbesondere in den USA, mittelfristig schwierig.“
Einer möglichen Rezession in den USA möchte er aber nicht das Wort reden. „Bei einem derart starken Arbeitsmarkt wie zurzeit ist es in der Vergangenheit noch nie zu einer Rezession gekommen.“ Auch der negative Realzins und die nach wie vor hohen Investitionen dürften die Konjunktur weiter stützen. Deutschland und Europa dagegen werden nach Einschätzung des DJE-Managers durch den Krieg in der Ukraine voraussichtlich stark belastet. Zudem werde der deutsche Export in Richtung China durch die dortige schwächere Wirtschaftsentwicklung beeinträchtigt. Innerhalb Europas hält er allein die französische Börse für attraktiv – aufgrund einer höheren Neuverschuldung Frankreichs und einer geringeren Abhängigkeit der Wirtschaft vom produzierenden Gewerbe.
Bleibt die Frage nach seiner Absicherungsstrategie und seiner Einschätzung zu Gold. „Gold sollte weiterhin Portfoliobestandteil bleiben“, rät er, denn Gold behalte seinen Absicherungscharakter, etwa für den Fall einer weiteren geopolitischen Eskalation. Als Risiken für Anleger sieht er ein mögliches Embargo gegen russisches Öl, wodurch der Ölpreis erneut deutlich anziehen dürfte. Ein Gasembargo wiederum würde Europa und vor allem Deutschland mit hoher Wahrscheinlichkeit in eine tiefe Rezession führen, was die Notwendigkeit einer defensiven Ausrichtung zusätzlich betont.
Frank Fischer, Manager des Frankfurter Stiftungsfonds, schließlich zeigt sich relativ pessimistisch: „Ich glaube, dass die Rezession nicht mehr aufzuhalten sein wird, da sich die Anzeichen für eine weitere Abschwächung der Wirtschaft verdichten.“ Hinzu komme, dass die Notenbanken zu spät in den Zinssteigerungsmodus eingestiegen seien und jetzt aufgrund der fragilen Lage die Zinsen nicht stärker anheben könnten. „Langfristig werden sie aber genau das tun müssen, um die Inflation wieder in den Griff zu kriegen“ – und damit die Rezession anheizen. „Plötzlich steht vieles auf dem Prüfstand“, sagt Fischer.
Deutschland belaste etwa der Versuch, sich kurzfristig von russischem Rohöl und Erdgas unabhängig zu machen, sowie die Schwäche der chinesischen Wirtschaft, die sich auf den Absatz unserer exportorientierten Unternehmen auswirke. Hinter vielen deutschen Stärken stehe jetzt ein Fragezeichen. Andererseits könnten ein kurzfristiges Aufleben der chinesischen Wirtschaft und der Anstieg der Konsumlaune positive Impulse setzen.
Auf die Börse bezogen führt Fischer die Liquidität und die Stimmung als die bestimmenden Faktoren an, wobei die Liquidität knapp werde und der hausinterne Stimmungsindikator „Mr. Market Cockpit“ eine extreme Angst bei den Anlegern zeige. „Die Sentix-Konjunkturerwartungen sind niedriger als während der globalen Finanzkrise von 2008“, sagt Fischer. Stimmungsmäßig seien wir schon so weit unten, dass eigentlich eine Erholung naheliegend sei. „Aber bevor die kommt, brauchen wir Klarheit von den Notenbanken – und die haben wir noch nicht!“
In Phasen wie diesen stünde auf der Aktienseite die sorgfältige Einzeltitelauswahl über allem, erklärt der Fondsmanager. „Wir suchen Qualitätsunternehmen, wunderbare Unternehmen, wie Warren Buffett sie nennt, die über einen wirtschaftlichen Burggraben verfügen – über strukturelle Wettbewerbsvorteile wie Kostenführerschaft, Skaleneffekte, Netzwerkeffekte oder immaterielle Werte wie Lizenzen und Patente.“ Durch diesen Burggraben könnten die Unternehmen Preissteigerungen in der Regel problemlos weitergeben und gleichzeitig langfristig höhere Erträge als ihre Wettbewerber erzielen.
Außerdem achtet Fischer auf einen niedrigen Verschuldungsgrad, was Titel weniger empfindlich gegenüber steigenden Zinsen mache. Als Beispiele nennt er den Windkraftprojektierer PNE sowie Secunet als Anbieter von Cybersecurity-Lösungen, die beide im Portfolio des Frankfurter Stiftungsfonds zu finden sind.
Generell bezeichnet Fischer die bevorzugte Anlagestrategie seines Hauses als Modern Value-Investing. „Wir kaufen keine Aktien, nur weil sie günstig sind“, betont Fischer. Vielmehr achte er darauf, welchen Mehrwert er als Investor in Form von Dividenden, Aktienrückkäufen, Wachstum und Rendite auf reinvestiertes Kapital bekomme. „Wir kaufen daher Aktien, die gemessen an der erwarteten Kapitalrendite unter ihrem fairen Wert gehandelt werden und deren interne Verzinsung deutlich über der des Markts liegt.“
Vorteile des Modern Value-Investing Hintergrund sei, dass attraktive Unternehmen heutzutage andere Geschäftsmodelle hätten als es sie zu Grahams Zeiten gegeben habe. Auch würden Bewertungsmetriken, die beim klassischen Value-Investing von Benjamin Graham und dessen Anhängern genutzt werden, wie Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV) oder Kurs-Buch-wert-Verhältnis (KBV), vielen heutigen Geschäftsmodellen nicht immer gerecht, da beispielsweise digitale Dienstleistungen damit nur schwer erfasst werden könnten.
Zudem würde sein Haus mit der Aktienselektion versuchen, sogenannte Value Traps zu vermeiden, also Aktien auszublenden, die aus gutem Grund billig sind und trotz niedrigsten Bewertungen nie im Wert steigen werden. „Gleichzeitig investieren wir aber auch nicht in Unternehmen, deren Kurse in Erwartung weiteren Wachstums in irrationale Höhen gestiegen sind.“
Diese Vorgehensweise mache den Frankfurter Stiftungsfonds für alle Anleger interessant, „die im weiterhin ungewissen und schwankungsanfälligen Marktumfeld die Renditestärke von Aktien nutzen wollen, dabei aber ruhig schlafen möchten – nicht nur für Stiftungen“, resümiert Fischer. So hätte der Fonds aufgrund seiner defensiven Ausrichtung während des Coronaeinbruchs im März 2020 und nach dem russischen Angriff auf die Ukraine deutlich geringere Rückgänge hinnehmen müssen als der breite Markt.
Das Fondsportrait des Bellevue Option Premium finden Sie hier.
Das Fondsportrait des DJE – Zins & Dividende finden Sie hier.
Das Fondsportrait des Frankfurter Stiftungsfonds finden Sie hier.
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