Der französische Assetmanager OFI macht Ernst: Starkes, aktives Management und verantwortungsbewusstes Investieren gleichzeitig. Was wie Marketing klingt, ist Überzeugung. Eine Reportage von der OFI-Conference 2018 in Paris.
18.04.2018 | 09:58 Uhr
Der Place Vendome, im Herzen Paris, ist einer der fünf königlichen Plätze der Seine-Metropole. An diesem klaren Vormittag strahlen die klassizistischen Gebäudefassaden die schwache Wintersonne wider. Ganz Paris scheint heute hier – zumindest das Paris der institutionellen Investoren und professionellen Geldverwalter.
Drinnen, im Pavillon Vendome, herrscht eine Atmosphäre wie in einem riesigen TV-Studio: Vier stationäre Kameras drehen, was das Zeug hält. Ein mobiler Kameramann fängt zusätzlich die Highlights ein. Zwei große Bildschirme, auf die das Geschehen live übertragen wird. Etwa 350 Gäste, in sphärisches Licht und hymnische Musik getaucht. Das Unternehmen OFI hat geladen. Jahresauftakt-Konferenz 2018 – das Jahr nach den „goldi-locks“-Monaten. Welche Herausforderungen und Chance warten auf die Anleger?
„Das Jahr 2018 sieht etwas komplizierter aus als 2017 und es wird sinnvoll sein, selektiver zu werden“, sagt Jean-Marie Mercadal, CIO bei OFI: „Auch wenn die positiven Hintergrundtrends noch stark sind.“ Die Märkte seien teilweise schon teuer. Doch die Gewinne kletterten mit. Der 53jährige wird wenig später, als er die weltweiten Risiken für die Börsen benennt, einen „Flash-Crash“ aufzählen, „entweder bei Aktien oder beim Bitcoin“. Wohlgemerkt, wir schreiben Mitte Januar 2018 – drei Wochen bevor die Märkte weltweit tatsächlich einbrechen. Ein Teil der Medien tituliert das dann später tatsächlich „Flash-Crash“. Und Mercadal sagt, als noch nichts wirklich wackelt: „Wenn das tatsächlich passiert, sollten Sie kaufen, denn die Fundamentals sind weiterhin gut“. Chapeau Monsieur. Damit dürfte der hochaufgeschossene Investmentstratege gegenüber seinen Kunden zum Jahresauftakt so ziemlich einen klaren Pluspunkt gemacht haben.
OFI: 1971 gegründet – 300 Mitarbeiter
In Frankreich zählt OFI mit einem verwalteten Vermögen von fast 70 Mrd. EUR zu den größten insti-tutionellen Asset-Managern und ist zudem einer der größten unabhängigen Experten für Socially-Responsible-Investments (SRI). In Kurzform: 68 Mrd. EUR AuM. 300 Mitarbeiter. 1971 gegründet. 20 Jahre Erfahrung beim Thema SRI. Das Unternehmen gehört zu knapp 60 bzw. 26% den Versicherungen Macif und Matmut. Der Rest ist im Besitz der „Ofimalmo Partenaires“ – einer weiteren Partnerschaft französischer Versicherungsunternehmen. Chef von OFI AM ist Jean-Pierre Grimaud, zuvor knapp 20 Jahre CIO und CEO bei Swiss Life. Er ist ein ruhiger, überlegter Manager, der sich zum Ziel genommen hat, OFI AM und seine Philosophie auch über die französischen Grenzen hinaus bekannter zu machen.
Am Place Vendome hat sich CIO Jean-Pierre Mercadal inzwischen warm geredet. Er präsentiert dem Pariser Publikum den OFI-Blick auf den US-Markt: „Was die Federal Reserve anbelangt, gehen wir von drei Zinserhöhungen - jeweils um 0,25 Prozentpunkte - im Jahr 2018 aus“. Das werde die US-Zinsen auf 2 bis 2,25% bringen, „was für ein Zyklusende niedrig ist“. Die Wahl des neuen Fed-Chefs Jerome Powell werde derzeit als „Nicht-Ereignis“ wahrgenommen. Mercadal warnt: Die Nachrichten aus der Fed müssten sorgfältig verfolgt werden. Es gebe dort einige Mitglieder, die die globale Konnotation verändern könnten – „dieser Parameter ist momentan nicht wirklich auf dem Markt.“
Die Fed arbeite zudem daran, ihre riesige Bilanz zu reduzieren, indem sie auf die systematische Wiederanlage von Anleihelaufzeiten verzichtet. „Die US-Kurve hat sich angesichts der Aussichten für die Fed-Fonds natürlich abgeflacht“, sagt der OFI-CIO. Die Zinsen seien 2017 tatsächlich angestiegen, vor allem am kurzen Ende: „Wir sind der Meinung, dass sich hier in den USA nicht zu viel bewegen sollte und dass die Zehn-Jahres-Sätze am Ende des Jahres bei etwa 3% liegen könnten.
Experten-Roundtable
Im Pavillon Vendome macht inzwischen ein „Roundtable“ seinem Namen alle Ehre. Der Tisch dreht sich ganz langsam im Kreis. Auf dem Interviewerstuhl sitzt einer der profiliertesten Finanzjournalisten des Landes und befrägt die OFI-Marktexperten Eric Bertrand, Eric Turjeman und Jean-Marie Mercadal.
Adrian Dearnell: Wo sehen Sie 2018 die besten Aussichten für Aktien?
Mercadal: Momentan ganz klar in Europa. Konkret in der Eurozone. Die fundamentalen Zahlen vieler Unternehmen sind weitgehend gut.
Adrian Dearnell: Und die EZB?
Bertrand: Die EZB baut wohl auch die balance-sheets ab und könnte 2019 eine echte Zinswende einläuten. Davor haben wir allerdings keine Angst, sofern dies nicht allzu abrupt passiert.
Adrian Dearnell: Wird die Inflation zurückkehren?
Mercadal: Ja, das sehen wir so. Dies sollte aber weder die EZB noch unsere Kunden oder die sonstigen Marktteilnehmer überraschen.
Adrian Dearnell: Und im Bonds-Bereich?
Turjeman: OFI ist gegenwärtig kein Bonds-Käufer in den klassischen Assetklassen. Ausnahme sind etwa EM-Anleihen in lokalen Währungen oder Convertible Bonds.
In der OFI-Zentrale, an der Rue Vernier, hat Eric van La Beck, SRI-Chef bei OFI, inzwischen eine harte Nuss zu knacken: Institutionelle und Semi-Professionals, angereist von jenseits des Rheins, wollen wissen, wie Ernst den Franzosen sozial verantwortliches Anlegen tatsächlich ist. Deutschland ist schließlich das Land der Mülltrenner, Sozialromantiker und Frischluftfanatiker – können uns die französischen Assetmanager ausgerechnet auf diesem Gebiet etwas vormachen? La Beck scheint diese Meetings zu kennen. Er beginnt nüchtern, fast trocken, mit einem klaren Statement: „Performance ist für SRI-Anleger gar kein Thema mehr“, sagt er. Das sei früher einmal so gewesen. „Inzwischen kann ich Ihnen einige Studien nennen, die beweisen, dass SRI-Investments langfristig nicht schlechter abschneiden als Nicht-SRI-Anlagen“. Im Gegenteil: „Meist sind die Ergebnisse sogar besser“.
OFI: 45 Mrd. EUR nach SRI-Regeln gemanagt
Rund zwei Drittel des Vermögens, das OFI managt, unterliegen dem internen SRI-Regime. Das sind knapp 45 Mrd. EUR. Das Unternehmen ist Mitglied bei Transparency International, Eurosif, FIR und IIGCC – der Institutional Investors Group on Climate Change. Alles, was bei OFI dem SRI-Regime unterliegt, wird von sechs festangestellten Experten gescreent. Als Datenquellen werden MSCI, Vigeo, Reprisk und Proxinvest herangezogen.
OFI-Experten haben für alle Sektoren der Wirtschaft eigene Bedingungen aufgestellt und diese zueinander gewichtet. Die Oberbegriffe sind Führung, Umwelt und Soziales. Dazu gehören im Bereich Führung bei Airlines (Beispiel) Fragen wie: Gibt es Minderheits-Aktionäre? Wie unabhängig ist der Aufsichtsrat? Wie werden die Vorstände bezahlt? Welche ethischen Normen hat das Unternehmen? Wie sind diese Normen geregelt (Code of Conduct)? Et cetera.
„Immer wieder ist es die Systematik die passen muss“, sagt OFI-SRI-Chef La Beck. Im Bereich „Umwelt“ etwa, sei es klar, dass Finanzdienstleister (in der Regel) weniger Co2 bzw. Carbon emitierten als Energiehersteller. Alle Branchen werden von OFI-Experten deshalb einzeln bewertet und mit einem Wert versehen, welcher in die Berechnung eines individuellen Ratings einfließt. Darum geht es den französischen Managern am Ende auch: „Unsere Expertisen müssen absolut wasserdicht sein.“
Gute Börse 2018: Wenn Yuan stabil bleibt…
Zurück an den Pavillon Vendome: Jean-Marie Mercadal zählt auf, auf was Investoren 2018 besonders achten sollten: „Da ist zunächst China“. Aufgrund seiner Größe und seiner Verflechtung im Welthandel sei dieses Land extrem wichtig. „Wir wissen, dass sich in den letzten Jahren eine Kreditblase entwickelt hat, ebenso wie in bestimmten Segmenten des Immobilienmarktes“. Das Land sei bisher, im Hinblick auf eine langfristige Entwicklung, gut geführt worden. „Aber eine Deflation, die zu brutal und schlecht kontrolliert ist, würde wahrscheinlich das Vertrauen vor Ort beeinträchtigen“, so Mercadal. Dies hätte Auswirkungen auf das chinesische Wachstum und auch auf andere Länder. Schafft China das? „Die Behörden sind sich dieses potenziellen Problems bewusst und sollten in der Lage sein, diese Deflation angemessen zu bewältigen“, so der OFI-Experte. Bei einem nominalen Wachstum von fast 10% könne ein einfacher Schuldenstopp die Überschüsse relativ schnell absorbieren. Aber dies sei nicht alles: „Der von Donald Trump und seinem Unternehmenssteuer-Senkungsprogramm beschlossene Wettbewerbsschock hat sich in China weitgehend wiederholt“. Eine entsprechende Antwort seitens Chinas werde erwartet. Wichtig dabei sei, dass es nicht zu einem schnellen Rückgang des Yuan, der chinesischen Währung, komme: „Denken Sie daran, dass im Sommer 2015 ein Einbruch des Yuan um drei Prozent alle Märkte destabilisiert hat: „Die Folge war ein Rückschlag anderer Schwellenländerwährungen und eine Korrektur der westlichen Aktienmärkte von fast 10 Prozent.“
…Inflation nicht zu sehr beschleunigt
Was sollte noch vermieden werden, um die Aktienmärkte auch in den kommenden Jahren bei Laune zu halten? „Ein Fehler in der Geldpolitik und eine unerwartete Rückkehr der Inflation“, sagt Mercadal. „Kurz gesagt, ein Szenario mit einem starken Anstieg der Inflationsraten“. Diese Frage ist, nach dem Dafürhalten des OFI-Teams, bislang offen. Angesichts der angespannten Lage auf dem Arbeitsmarkt sei es möglich, dass „der Prozess der monetären Normalisierung schneller gehe, als Marktteilnehmer erwarteten – obwohl hier viel bereits vorweggenommen sei. Die Folgen wären dann vor allem für die „potenziell empfindlichen“ Anleihemärkte zu spüren. Und auch die Aktienmärkte wären betroffen. „Insbesondere in den USA, wo die Bewertungen nicht mehr niedrig sind.“
…Weitere Flash-Crashs nicht stören
Und schließlich: Ein sich selbst erfüllendes Crash-Phänomen könne an den internationalen Märkten „eigentlich jederzeit passieren.“ Mögliche Auslöser: Bitcoin, Brexit, Israel, Zinsängste... In Verbindung mit dem massiven Einsatz quantitativer Allokations- und automatische Handelsprogramme sei dann die Gefahr eines weiteren Flash-Crashs hoch. „Der Indikator, auf den in diesem Fall geachtet werden muss, ist die Volatilität“, so der OFI-Mann.
Ein nochmaliger, plötzlicher Anstieg des VIX-Index würde Kettenreaktionen auslösen, die möglicherweise gefährlich seien: „Wenn der VIX wieder steigt, werden sich die Anleger selbst sagen, dass das Risiko steigt, und werden daher tendenziell vorsichtig sein.“ Darüber hinaus arbeiteten viele quantitative Allokationsmodelle nach Volatilitätsregimes. Ein höheres System bedeute konservativere Portfolios mit daraus resultierenden Verkäufen riskanterer Assetklassen. Auch dann würde gelten: „Bleiben die fundamentalen Daten der Unternehmen intakt, sind dies für uns eher Kaufzeitpunkte“, so Mercadal.
(DIF)
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