Indexpolicen werden gern als pflegeleichte und chancenreiche Alternative zur klassischen Kapitallebensversicherung angeboten. Finanzberater sollten ihre Kunden explizit auf die Risiken hinweisen.
05.05.2023 | 07:30 Uhr
Anleger, die zwar hohe Renditen erwarten, dafür aber möglichst kein Risiko eingehen wollen, gibt es zuhauf. Vor allem in Deutschland, wo selbst grundlegende Finanzbildung eher die Ausnahme ist und schon die Unterschiede zwischen Anleihen und Aktien nur einer Minderheit bekannt sind. Finanzberater und Vermögensverwalter können ein Lied davon singen. Leider ist das mangelhafte Wissen über die Zusammenhänge von Risiko und Rendite für Teile der Finanzbranche eine große Versuchung, der sie nicht widerstehen wollen. Anders ist es nicht zu verstehen, warum immer wieder Produkte kreiert und im Markt vertrieben werden, die sinngemäß folgende Werbeaussage machen: „Profitieren Sie von den Chancen des Aktienmarktes und minimieren Sie gleichzeitig Ihr Risiko.“ Das klingt in den Ohren vorsichtiger Anleger, die nach Alternativen zu Kapitallebens- oder Rentenversicherungen oder klassischen, niedrig verzinsten Sparprodukten suchen, nach der perfekten Lösung.
Zu den Produkten, die mit solchen Versprechungen locken, zählen Indexpolicen. Das Problem: Indexpolicen sind aus Sicht von Versicherern und Vertrieben zwar eierlegende Wollmilchsäue. Denn sie erhöhen nicht die Zinsverpflichtungen der Versicherer, und die Konstrukte ermöglichen unter anderem auch durch ihre langen Laufzeiten hohe Provisionen für diejenigen, die sie verkaufen. Aus Sicht der Anleger, die den simplen Versprechungen glauben, sind die Produkte jedoch alles andere als perfekt. Je nach Ausgestaltung der Policen hat dies verschiedenen Gründe.
Zwei Arten von Indexpolicen werden gerne angeboten: Solche, deren Wert sich zu einem gewissen Prozentsatz an der Entwicklung eines Aktienindex orientiert und die eine Mindestverzinsung des eingesetzten Kapitals garantieren. Und solche, die bis zu einer Höchstgrenze, dem sogenannten Cap, die volle Partizipation an der Entwicklung eines Aktienindex versprechen und die Verzinsung daran orientieren. Beide Modelle haben auf den ersten Blick den Charme, Anlegern regelmäßige Ausschüttungen zu bieten, deren Renditeaussichten auf den erwiesenermaßen großen Chancen der Aktienmärkte fußen. Und eine Mindestverzinsung – bei den Modellen ohne Cap – klingt in dem Zusammenhang zudem verlockend.
Für die gepriesenen Vorteile bezahlen Anleger leider bei beiden Modellen einen hohen Preis. Bei Indexpolicen mit Mindestverzinsung partizipieren Anleger in der Regel maximal zu 80 Prozent an der Indexentwicklung, zum Teil nicht einmal zur Hälfte. Zudem bezieht sich eine Mindestverzinsung in der Regel nicht aufs eingezahlte Kapital, sondern auf den Kapitalwert der Police. Der kann bekanntermaßen schwanken.
Und bei Indexpolicen mit Cap ist die Gewinnbegrenzung nicht nur ein Renditehemmer, sondern zugleich ein enormer Risikofaktor. Warum ist das so? Der Grund: Eine Indexpolice mit Cap ist in der Regel an einen bestimmten Aktienindex wie beispielsweise den DAX, den S&P 500 oder den MSCI World gekoppelt. Der Versicherungsnehmer zahlt während der Vertragslaufzeit Beiträge in die Versicherung ein, die von der Versicherungsgesellschaft, abzüglich der nicht unerheblichen Kosten für Verwaltung und Vertrieb, auf zwei Arten investiert werden: zum einen in den Index, und dies zum Beispiel in Form eines ETFs oder von Delta1-Optionen. Zum anderen werden Call-Optionen auf den jeweiligen Index verkauft. Konkret: Die Gewinnchancen oberhalb des Caps werden für kleines Geld abgegeben. In der Regel finden die Verkäufe in monatlichem Rhythmus statt. Die Verkaufs-Erlöse sorgen für regelmäßige Einnahmen, finanzieren die Ausschüttungen und sorgen dadurch auch für einen gewissen Risikopuffer.
Läuft es an der Börse gut, ist das Modell prima. Leider gehören aber auch zwischenzeitliche heftige Kursrücksetzer an der Börse zur Normalität. Und genau in solchen Fällen kann der Cap zum Risiko werden. An einem konkreten Beispiel wird dies deutlich: Nehmen wir eine Indexpolice mit dem DAX als Basiswert und einem monatlichen Cap von zwei Prozent an. Steigt der DAX in einem Monat um beispielsweise drei Prozent, dann kann das Kapital der Police um zwei maximal zwei Prozent ansteigen. Die Ausschüttungen der Police erhöhen sich entsprechend. Angenommen, der DAX bricht innerhalb eines Monats um zehn Prozent ein. Das kam schon oft genug vor. Dann sinkt auch der Wert der Indexpolice um diesen Wert. Das wäre für ein klassisches Indexprodukt so weit in Ordnung. Denn einem abrupten Einbruch folgt oft eine Gegenreaktion. Für Produkte mit Cap beginnen hier aber die Probleme: Die Gegenreaktion machen sie wegen der monatlichen Gewinnbegrenzung nicht mehr voll mit. Denn der Kursanstieg über den Cap hinaus ist ja schon an der Optionsbörse verkauft. Sie bleiben deshalb nach einem Kurssturz unten hängen. Läuft es ungünstig, was in Bärenmärkten schon mal passieren kann, dann können sich gecapte Indexprodukte so über mehrere Monate hinweg nach und nach weiter ins Minus schaukeln. Für die Ausschüttungen und die Gesamtrendite kann das fatale Folgen haben.
Dieses Risiko ist vielen Anlegern nicht bewusst. Umso wichtiger ist es, dass verantwortungsvolle Finanzberater ihre Klientel darauf aufmerksam machen. Oder ihnen gleich bessere Alternativen vorschlagen. Zum Beispiel klassische Fonds- und/oder ETF-Sparpläne. Ohne Policen oder anderem Schnickschnack, der im besten Fall das Rendite-Risiko-Profil nur leicht verschiebt und im schlechtesten Fall zum Minus-Geschäft wird.
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