An den Märkten geht die Panik um als gäbe es kein Morgen. Trotzdem gilt es gerade für Berater, einen kühlen Kopf zu bewahren. Denn jede Krise bietet auch langfristige Chancen.
16.03.2020 | 15:55 Uhr von «Christian Bayer»
Am gestrigen Sonntag hat die amerikanische Notenbank Fed in einer außerplanmäßigen
Sitzung die Zinsen in den USA drastisch um 100 Basispunkte gesenkt. Sonal
Desai, CIO der Franklin Templeton Fixed Income Group, hält die Maßnahme für
„massiv und gut ausgearbeitet“. Damit tritt die Expertin Kritikern entgegen,
die argumentieren, dass finanzielle Anreize nicht dazu beitragen würden, die
Bevölkerung in Restaurants und Geschäfte zu bringen, wenn sie eine Ansteckung
fürchten. „Die Menschen, die dank der Fed oder der Regierung ihren Arbeitsplatz
behalten oder dank der Steuerpolitik mehr Geld in der Tasche haben, werden
weiterhin nicht ins Einkaufszentrum gehen, aber sie werden online einkaufen,
sie werden Lebensmittel für die Hauslieferung bestellen, sie werden ihre
Mobiltelefone nicht kündigen. All dies hat einen positiven Effekt auf die
Ausgaben heute und in der Zeit der Ansteckung“, gibt Desai zu bedenken. Die
Expertin erwartet, dass die wirtschaftliche Erholung schneller und stärker sein
wird, wenn es gelingt, dass Unternehmen überleben und mehr Menschen über die
schwierigste Zeit der Krise ihre Arbeitsplätze behalten können. „Die Geld- und
Fiskalpolitik muss die Menschen nicht in das Einkaufszentrum oder auf einen
Flug zurückbringen, sondern sie müssen sie beschäftigen“, so die Expertin. „Von
der Geld- und Finanzpolitik wird nicht erwartet, dass sie die Produktion in der
Fabrik bei schwächerer Nachfrage ankurbelt, sondern dass sie dazu beiträgt,
dass die Fabrik so lange geöffnet bleibt, bis sich die Nachfrage wieder
erholt.“ Aus ihrer Sicht sind außerordentliche geld- und steuerpolitische
Maßnahmen nötig, um nach der Krise eine starke Erholung zu ermöglichen.
Amundi-Chefstratege Pascal Blanqué hält den aktuellen Sell off für übertrieben
und sieht Chancen für Anleger mit langfristigem Anlagehorizont. „Wir denken,
dass die Marktteilnehmer von einer übertriebenen Selbstgefälligkeit zu einem
übertriebenen Pessimismus gewechselt sind und nun eine längere Periode
stagnierenden Wachstums erwarten“, so der Amundi-Stratege. Blanqué rechnet mit fiskalpolitischen
Schritten und verweist zudem auf China, wo es erste Anzeichen einer Erholung
gibt. „Anleger sollten wachsam bleiben, aber nicht zu sehr auf die aktuellen
Marktbedingungen reagieren“, so Blanqué. Aus seiner Perspektive bieten sich
Chancen für Investoren bei Unternehmen mit fundamentaler Stärke, die bei
Panikverkäufen ebenfalls auf der Verkaufsliste standen. „Sobald sich die
Epidemie stabilisiert hat, könnten sich die Volkswirtschaften erholen –
allerdings wohl eher im zweiten Halbjahr als im zweiten Quartal“, gibt Blanqué
zu bedenken. Bestimmte Branchen wie Luftverkehr und Tourismus würden aus seiner
Sicht allerdings eine längere Erholungsphase benötigen.
In Zeiten der Panik spielen Bewertungen bei Anlageentscheidungen kaum eine Rolle, es wird blind verkauft. Umso wichtiger, dass besonnene Investoren nach Anhaltspunkten suchen, wo Preis und Wert auseinanderklaffen. Die Experten der DZ Bank rechnen damit, dass die europäische Wirtschaft im ersten Halbjahr in eine Rezession abgleitet. Die Gewinne der DAX-Unternehmen könnten im aktuellen Jahr um bis zu 20 Prozent gegenüber dem Vorjahr sinken. „Aus der Vergangenheit wissen wir, dass die Aktienkurse in einer Rezession meist unter die Buchwerte der Unternehmen fallen“, so die Experten. Den aktuellen Buchwert des DAX sieht die DZ Bank bei 8100 Index-Einheiten. Aktuell hat der DAX mit einem Tief bei 8256 Punkten DAX 5540 Punkte von seinem Allzeithoch abgegeben. Das entspricht einem Kursrückgang von gut 40 Prozent. Kursverluste in ähnlicher Größenordnung gab es beim Platzen der Dotcom-Blase 2000-2003 und der Finanzkrise 2008-2009. Die DZ Bank empfiehlt Investoren allerdings einen Blick über den aktuellen Tellerrand der Krise: „Es könnte sich eine der besten Anlagemöglichkeiten für Aktienanleger der vergangenen Jahrzehnte ergeben.“
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