Die britischen Torys entscheiden bald darüber, ob Boris Johnson oder Jeremy Hunt neuer Premierminister von Großbritannien wird. Bereits die Wahl der Kandidaten ist ein Signal in Richtung "hard brexit". Gewinnt Hardliner Johnson, könnte ein ungeregelter Austritt nicht mehr zu verhindern sein.
21.06.2019 | 14:28 Uhr von «Jennifer Garic»
Die konservative britische Premierministerin Theresa May hat aufgegeben. Sie hatte jahrelang versucht, im Streit um den Brexit zwischen dem britischen Unterhaus und der Europäischen Union (EU) zu vermitteln. Wer diese Aufgabe fortan übernimmt, entscheiden nun rund 160.000 Tory-Parteimitglieder per Briefwahl. Sie können zwischen Brexit-Hardliner Boris Johnson und dem derzeitigen Außenminister Jeremy Hunt wählen. Der Gewinner steht vor einer gewaltigen Aufgabe. Bis zum offiziellen Austrittstermin Großbritanniens sind es nur noch rund vier Monate. Am 31. Oktober dieses Jahres ist Schluss mit der EU-Mitgliedschaft – mit oder ohne Abkommen.
Laut einer aktuellen Umfrage trauen 77 Prozent der Torys Johnson den Posten als Premier zu, bei Hunt sind es 56 Prozent. Hunt ist bei der Wahl der Außenseiter. Er setzt auf staatsmännisches Geschick statt harter Rhetorik und will seinen Konkurrenten Johnson damit ausstechen. Sollte er das Rennen machen, bleibt eine geringe Hoffnung auf einen geregelten Austritt. Hunt will den vorliegenden Deal verbessern und damit die EU und das britische Unterhaus überzeugen. Einen "hard brexit" schließt er aber genauso wenig aus wie Konkurrent Johnson.
Für Anleger und Unternehmen hätte ein solcher ungeregelter Austritt weitreichende Folgen. Betroffen wären vor allem Export und Import sowie der Grenzverkehr. Sämtliche Waren und Personen müssten plötzlich beim Grenzübertritt nach Großbritannien oder in die EU kontrolliert werden. Dadurch könnten ganze Wertschöpfungsketten ins Stocken geraten. Unternehmen bereiten sich bereits seit Monaten auf diesen Fall vor und hamstern Produkte und zugelieferte Teile. Auch Anleger am britischen Aktienmarkt bleiben vorsichtig: "Die meisten der großen multinationalen britischen Unternehmen sind dank des Pfund-Rückgangs im Vergleich zu anderen 'Global Playern' derzeit relativ günstig", sagt Mark Phelps, Chefanlagestratege für Global Concentrated Equities beim Asset Manager Alliance Bernstein (AB).
Er geht davon aus, dass große Konzerne ihr Währungsrisiko abgesichert haben und sieht darum sogar Chancen für Anleger. "Der potenzielle Schaden eines harten Brexits ist bereits größtenteils im Britischen Pfund eingepreist." Es sei dennoch wahrscheinlich, dass der Außenwert der Währung und die Aktienkurse bis zum Stichtag im Oktober weiterhin schwanken.
Es kommt jedoch darauf an, wie stark. Zwar bleibt der Brexit Verhandlungssache, auch wenn die Torys den neuen Parteivorsitz und somit den Premierminister Großbritanniens gewählt haben. Gewinnt Hardliner Johnson, erscheint aus derzeitiger Sicht ein ungeregelter Ausstieg aber deutlich wahrscheinlicher als mit Hunt. Letztlich müssen die Unternehmen "für das Schlimmste planen, aber das Beste hoffen", sagt AB-Chefanlagestratege Phelps. Welcher Fall am Ende eintritt, liegt am künftigen Premier.
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