Trotz gewaltsamer Proteste vor dem Parlament und hitziger Debatten im Plenum: Griechenland hat eine erste große Hürde auf dem Weg zu Verhandlungen mit den Europartnern über ein neues Hilfspaket genommen.
16.07.2015 | 14:19 Uhr
Die Abgeordneten in Athen stimmten am frühen Donnerstagmorgen mit klarer Mehrheit für erste Spar- und Reformmaßnahmen, die die Kreditgeber zur Bedingung für Verhandlungen über ein drittes Kreditprogramm von bis zu 86 Milliarden Euro gemacht hatten. Die Geldgeber zeigten sich zufrieden und dem Vernehmen nach auch bereit dazu, die schwierige Zeit bis zur Genehmigung finanziell zu überbrücken.
Die Regierung habe das erste Paket "rechtzeitig und in einer insgesamt befriedigenden Weise" umgesetzt, sagte eine Sprecherin der EU-Kommission in Brüssel. Bis zum nächsten Mittwoch (22. Juli) muss das Parlament in Athen weiteren Reformgesetzen zustimmen. Dadurch sollen Gerichtsverfahren beschleunigt und die Richtlinie zur Sanierung und Abwicklung von Banken umgesetzt werden.
Bundestag stimmt am Freitag ab
Zunächst sind nun aber Parlamente der Europartner am Zug. Am Freitag soll der Deutsche Bundestag in einer Sondersitzung der Aufnahme von Verhandlungen für ein drittes Hilfspaket zustimmen.
Ministerpräsident Alexis Tsipras geriet durch die Abstimmung in eine schwierige Situation, denn er verlor die Regierungsmehrheit und konnte die Reformschritte nur mit Stimmen der Opposition durchbringen. 229 Abgeordnete im Parlament mit 300 Sitzen stimmten für die Maßnahmen, 64 Parlamentarier votierten dagegen, sechs enthielten sich. 32 Abgeordnete der Linkspartei Syriza lehnten sie ab. Tsipras hatte vorher damit gedroht, sollte dies geschehen, werde er zurücktreten. Der Anführer des linken Syriza-Flügels, Energieminister Panagiotis Lafazanis, der die Spargesetze bislang scharf kritisiert hatte, sagte Tsipras dennoch Unterstützung zu.
Höhere Steuern und Abgaben
Die angenommenen Gesetze sehen eine Erhöhung der Mehrwertsteuer vor, Zusatzabgaben für Freiberufler sowie für Besitzer von Luxusautos, Häusern und Jachten sowie einen nahezu vollständigen Stopp aller Frühverrentungen. Tausende hatten vor dem Parlament in Athen gegen die Maßnahmen demonstriert, wobei es durch einen kleinen Block Radikaler zu Ausschreitungen kam.
Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) wertete das "Ja" des griechischen Parlaments als "wichtigen Schritt". Er wiederholte im Deutschlandfunk seine Aussage, ein freiwilliges Ausscheiden aus der Eurozone "wäre für Griechenland der bessere Weg". Dem Minister schlägt deshalb heftige Kritik in der Eurozone entgegen.
Schäuble zieht Kritik auf sich
Auch die SPD zeigte sich empört: "Das ist langsam ein sehr unanständiges Spiel, das er da treibt", sagte der haushaltspolitische Sprecher der SPD-Fraktion im Bundestag, Johannes Kahrs. Er verwies darauf, dass der Griechenland-Kompromiss von Kanzlerin Angela Merkel ausgehandelt worden sei. "Und heute noch über den "Grexit" zu sprechen (...), verstört schon etwas." Das müssten nun aber Merkel und Schäuble untereinander klären.
Die Euro-Länderchefs hatten sich am Montagmorgen nach hartem, mehr als 17-stündigem Ringen auf Bedingungen für das dritte Hilfspaket aus den Mitteln des ESM-Rettungsschirms verständigt. ESM-Chef Klaus Regling rechnete im ARD-"Morgenmagazin" vor, dass der ESM von den insgesamt vorgesehenen bis zu 86 Milliarden Euro Hilfen für Griechenland etwa 50 Milliarden übernehmen wird. Er verwies darauf, dass auch der Internationale Währungsfonds (IWF) sich daran beteiligen werde.
Zwölf Milliarden bis Mitte August
Bis Mitte August benötigt Griechenland rund zwölf Milliarden Euro, um laufende Rechnungen zu begleichen und fällige Kredite abzulösen. Die Euroländer sollen sich der Nachrichtenagentur Bloomberg zufolge auf eine sieben Milliarden Euro schwere Brückenfinanzierung für Griechenland geeinigt haben, nähere Details soll es am Freitag geben. Schon am Montag muss Athen 3,5 Milliarden Euro an die EZB zahlen, beim IWF ist die Regierung ohnehin im Zahlungsrückstand. Ohne Rückzahlung müsste die EZB ihre Notkredite für Griechenlands Banken einstellen, das labile Finanzsystem des Landes würde dann wohl endgültig kollabieren.
Copyright: Deutsche Presse-Agentur (dpa)
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