Jack McIntyre,
Portfoliomanager bei Brandywine Global, Teil von Franklin Templeton,
meint:
„Die EZB hat mit ihrer
Zinserhöhung um 25 Basispunkte nicht enttäuscht. Im Gegensatz zur US-Notenbank
war diese Zinserhöhung weniger dovish, da die EZB die Straffung der Geldpolitik
offensichtlich noch nicht abgeschlossen hat, die US-Notenbank hingegen
möglicherweise schon. Dies ist insofern vernünftig, da die EZB bei der
Einleitung des aktuellen Straffungszyklus ein Nachzügler war. Die Inflation in
der Eurozone entwickelt sich nicht gut. Im Gegensatz zu den USA hat der
Arbeitsmarktsektor in der Eurozone einen strukturellen Vorteil, was die
Anfälligkeit für lohninduzierte Inflation erhöht. Die EZB gehört nun zu den
Zentralbanken, welche die kumulativen Auswirkungen früherer Straffungsmaßnahmen
beobachten und auf die Daten angewiesen sind. Sie hat jedoch noch etwas Zeit,
um die Wirksamkeit ihrer Zinserhöhungen zu beobachten, da ihre nächste Sitzung
erst am 14. September stattfindet.”
Jill Hirzel,
Senior Investment Specialist bei Insight Investment, erklärt:
„Die Europäische Zentralbank
warnt davor, dass die Inflation noch zu lange auf einem zu hohen Niveau
verharren wird und erhöht die Einlagen- und Refinanzierungssätze um 25
Basispunkte. Die Prognosen waren wie erwartet etwas vage. Zwar wurde darauf
hingewiesen, dass künftige Entscheidungen sicherstellen werden, dass die
Zinssätze ausreichend restriktiv bleiben, aber es wurde auch eingeräumt, dass
die Kreditbedingungen die Nachfrage zunehmend bremsen. Die Daten, die in den
nächsten sechs Wochen veröffentlicht werden, werden darüber entscheiden, ob
eine weitere Feinabstimmung erforderlich sein wird - wir sind nach wie vor der
Meinung, dass eine weitere Zinserhöhung bevorstehen könnte, bevor dieser
Zinserhöhungszyklus endgültig zu Ende geht.“
Dr.
Michael Heise, Chefökonom von HQ Trust, schreibt:
„In
einer schwierigen Wirtschaftslage geht die EZB mit der neunten Leitzinserhöhung
seit Juli vergangenen Jahres weiter gegen die noch viel zu hohe Inflation vor.
Vorankündigungen zur weiteren Zinspolitik wurden richtigerweise vermieden und
weitere Schritte von den eingehenden Wirtschafts- und Inflationsdaten abhängig
gemacht.
„Einigkeit
dürfte im Zentralbankrat wohl darüber bestehen, dass die Inflationsdynamik noch
keineswegs gebrochen ist. Trotz aller Fortschritte bei der Inflationseindämmung
liegen Gesamtinflation und Kerninflation ohne Energie und Nahrungsmittel noch
bei viel zu hohen 5,5 %. Der weitere Rückgang dürfte angesichts hoher
Lohnabschlüsse wieder steigender Energiepreise und noch vorhandener
Überwälzungsspielräume der Unternehmen nur graduell ausfallen.
Differenzen
dürfte es bei der Frage geben, inwieweit die bisherigen Zinssteigerungen – die
ja mit zeitlicher Verzögerung wirken – die Konjunktur und damit auch den
Inflationsdruck auf Sicht dämpfen werden.
Eine
harte Landung der Wirtschaft mit deutlichen Einkommensverlusten zeichnet sich
zwar noch nicht ab, aber die Konjunktur ist erkennbar angeschlagen. Daher
dürfte im September eine Zinspause eingelegt werden.“
Tomasz Wieladek,
Chefvolkswirt für Europa bei T. Rowe Price, kommentiert:
„Die EZB hat heute die
Leitzinsen um 25 Basispunkte angehoben, was so von den Marktteilnehmern auch
erwartet worden war, da Präsidentin Christine Lagarde dies bereits im Juni
angekündigt hatte.
Die geldpolitische Erklärung
fiel weitgehend neutral aus und wir glauben, dass dies absichtlich geschah, um
eine Wende hin zu einer vollständigen Datenabhängigkeit zu signalisieren.
Die Erklärung enthielt die Sorge, dass die Inflation über einen längeren
Zeitraum über dem Zielwert liegen könnte, und räumte ein, dass einige Messgrößen
für die Kerninflation zwar Anzeichen einer Abschwächung zeigten, die Inflation
insgesamt aber hoch bleibe. Gleichzeitig wies die EZB darauf hin, dass sich die
Realwirtschaft abschwächt und die Finanzierungsbedingungen verschärft werden,
was die Nachfrage dämpft. Die Formulierung über das Erreichen restriktiver
Zinssätze wurde aus der Erklärung gestrichen. Angesichts der Fokussierung auf
die Inflation gehen wir jedoch davon aus, dass die Erklärung bewusst so
abgefasst wurde, dass sie keine Hinweise auf künftige Zinssätze enthält.
Präsidentin Lagarde
wiederholte in ihrer Pressekonferenz die Datenabhängigkeit. Sie sagte mehrmals,
dass die EZB datenabhängig bleiben wird und ging sogar so weit zu sagen, dass
die EZB im September eine Zinspause einlegen oder die Zinsen erhöhen könnte,
ohne jedoch einen Hinweis in die eine oder andere Richtung zu geben. Sie
wiederholte ebenfalls mehrmals, dass beides eine Option sei.
Trotz der Äußerungen von
Präsidentin Lagarde haben die Märkte die heutigen Leitlinien eindeutig als
dovishes Signal interpretiert. Wir glauben, dass die EZB stattdessen zu einer
vollständigen Datenabhängigkeit übergegangen ist, was ein wichtiger Unterschied
ist. In der aktuellen Phase des Datenzyklus erhöht dies nicht die
Wahrscheinlichkeit einer Zinspause im September. Die Inflationsdaten morgen und
am Montag werden die wichtigsten Daten für die EZB sein. Allerdings konnte der
EZB-Rat die morgen und am Montag veröffentlichten Daten nicht mit einbeziehen,
als er heute seine Entscheidung traf und die Leitlinien festlegte. Eine höher
als erwartete Kerninflation des Verbraucherpreisindex morgen und am Montag
könnte leicht dazu führen, dass die „gefühlte Zurückhaltung“ nach der heutigen
Sitzung eingepreist wird.
Für eine Zinserhöhung im
September kommt es daher auf die Daten an. Inflationsprognosen sind derzeit
schwierig. Wir wissen jedoch, dass die hohe Inflation in der Eurozone eine
gewisse Persistenz zu haben scheint. Der einzige Datenpunkt, der die EZB von
einer Zinserhöhung abhalten könnte, ist ein Anstieg der Arbeitslosigkeit, aber
der jüngste Rückgang der spanischen Arbeitslosenquote macht einen kurzfristigen
Anstieg der Arbeitslosigkeit in der Eurozone unwahrscheinlich. Wir bleiben
daher bei unserer Einschätzung, dass die Daten eher für als gegen eine
Zinserhöhung im September sprechen.“
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