Während an den Börsen in wenigen Tagen die Bücher für das laufende Jahr geschlossen werden, schockt Bundesfinanzminister Olaf Scholz die Anleger. Mit der Einführung der lange diskutierten Finanztransaktionssteuer könnte es jetzt schneller gehen als gedacht.
11.12.2019 | 13:35 Uhr von «Christian Bayer»
In den
zehn europäischen Ländern, in denen die Steuer zunächst eingeführt werden soll,
müssten die Anleger 0,2 Prozent der bei Aktienkäufen investierten Summe an den
Fiskus zahlen. Neben Deutschland sind Österreich, Belgien, Frankreich,
Griechenland, Italien, Portugal, die Slowakei, Slowenien und Spanien mit von
der Partie. Laut Entwurf aus dem Bundesfinanzministerium fällt die Steuer bei
einem Kauf von Aktien von Firmen mit einer Marktkapitalisierung von über einer
Milliarde Euro an. In den zehn europäischen Ländern fallen etwa 500 dort
beheimatete Unternehmen unter diese Regelung. Der Kauf von Aktien kurz nach
einem Börsengang soll von der Steuer ausgenommen sein.
Aber nicht nur Aktien sind von der Steuer betroffen, auch Investmentfonds und
Altersvorsorgeprodukte, die in Aktien investieren, könnten möglicherweise Steuern
zahlen müssen. Der Entwurf der „Financial Transaction Tax (FTT)“ sieht vor,
dass die jeweiligen Länder national entscheiden, ob sie beispielsweise auch bei
Konstrukten wie Pensionsfonds steuerlich zuschlagen. Im Bundesfinanzministerium
erhofft man sich Einnahmen durch die Steuer in Höhe von 1,5 Milliarden Euro. Scholz
benötigt das Geld dringend zur Finanzierung der Grundrente, mit dem die Große
Koalition langjährigen Geringverdienern die Rente aufstocken will. Kleinere
Länder wie die Slowakei fürchten dagegen, dass die Verwaltungskosten höher
ausfallen als die Steuereinnahmen. Daher ist geplant, diesen Ländern durch
Umverteilung aus den fünf Staaten mit den höchsten Einnahmen aus der neuen
Steuer finanziell unter die Arme zu greifen.
Der Vorschlag aus dem Bundesministerium stieß auf starke Kritik aus
unterschiedlichen Richtungen. So monierte beispielsweise das österreichische Finanzministerium
die Bemessungsgrundlage der Steuer, die keine Besteuerung beim Derivate- und Hochfrequenzhandel
vorsieht. Die Deutsche Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz (DSW) übte
ebenfalls scharfe Kritik an der geplanten Steuer: „Warum aber die von Olaf
Scholz vorgesehene FTT ausschließlich Aktionäre und damit Anleger, die der
Industrie wichtiges Eigenkapital zur Verfügung stellen, erfasst werden sollen,
verschließt sich dem Betrachter vollkommen. Damit werden sowohl die falschen
Anlageobjekte als auch die falschen Anleger getroffen.“ Kritik kam auch vom
Deutschen Aktieninstitut (DAI). „Ein Großteil der geschätzten Einnahmen aus der
Aktiensteuer in Höhe von 1,5 Milliarden Euro jährlich wird von den
Privatanlegern gezahlt werden. Nicht der Finanzsektor, wie Herr Scholz
behauptet, sondern der Kunde trägt die Steuer“, kritisiert Dr. Christine Bortenlänger,
Geschäftsführender Vorstand des Deutschen Aktieninstituts, den Gesetzentwurf
zur Einführung einer Finanztransaktionssteuer auf Aktien. „Die geplante
Aktiensteuer sendet ein falsches Signal an die Menschen, die mit Aktien sparen
und für das Alter vorsorgen wollen.“ Von Seiten des Koalitionspartners CDU/CSU
wurde ebenfalls Kritik laut, dass die Finanztransaktionssteuer zu einer reinen
Aktienstrafsteuer mutiert sei.
Die Finanztransaktionssteuer wurde nach der Finanzkrise mit dem Argument ins Gespräch gebracht , dass die Finanzbranche an den Kosten beteiligt werden müsse, die durch ihr Fehlverhalten entstanden ist. Misst man den Entwurf an diesen Ansprüchen ist er ein echter Fehlschuss, weil er die falsche Zielgruppe ins Visier nimmt. Angesichts der Negativzinsen, die eine Mehrung des Vermögens ohne Aktien kaum möglich machen, ist der Griff in die Taschen der Anleger umso negativer zu beurteilen. Bedenkt man den langen zeitlichen Vorlauf seit 2011, den die Diskussion um die Finanztransaktionssteuer genommen hat, sind die Mängel des Entwurfs nicht nachvollziehbar.
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