Sieben von zehn Banken und Sparkassen in Deutschland halten ihr Geschäftsmodell in der aktuellen Form nicht mehr für tragfähig. Damit sie den Anschluss nicht verlieren, setzen sie vor allem auf mehr Digitalisierung, besseren Service und Kostensenkungen.
27.07.2017 | 15:45 Uhr
Sieben von zehn Finanzinstituten in Deutschland wollen ihr Geschäftsmodell massiv umbauen. Sie investieren in die Verzahnung ihrer Vertriebskanäle, in konkurrenzfähige digitale Produkte sowie in automatisierte Prozesse, um Kosten zu einzusparen. Ebenso viele bauen die Qualität der Beratung massiv aus, um sich von Wettbewerbern abzugrenzen und die eigene Marke zu stärken. Das sind die Ergebnisse des neuen „Branchenkompass Banking 2017“ von Sopra Steria Consulting und F.A.Z.-Institut.
Quelle: Sopra Steria Consulting
Getrieben vom technologischen Wandel
Der strategische Umbau der Branche lässt sich kaum vermeiden: Trotz 1,9 Prozent Wachstum des Bruttoinlandsprodukts im Jahr 2016 und positiven Prognosen für 2017 können die Banken von diesen Effekten nicht profitieren. Mit Krediten und Einlagen ist kaum noch ein profitables Geschäft zu machen. Dazu kommt, dass Vorschriften wie PSD 2, MiFID II und DSGVO Unmengen an Ressourcen verschlingen. Was klassische Finanzinstitute zudem massiv umtreibt: Digitale Wettbewerber gewinnen zunehmend an Bedeutung. „Die Entscheider erkennen, dass sich die äußeren Bedingungen nicht bessern. Die Banken werden deshalb in den kommenden drei Jahren eine Menge in den Aufbau einer neuen Zukunft investieren“, sagt Stefan Lamprecht, Division Director Banking von Sopra Steria Consulting.
Die fünf wichtigsten Trends in der Finanzbranche zeichnen sich bereits deutlich ab…
Trend 1: Kooperationswelle mit Fintechs
Die Zukunft ist für die Masse der Banken und Sparkassen digital. 82 Prozent der Institute verfolgen mittlerweile eine Digitalisierungsstrategie. Den Rundumschlag im gesamten Unternehmen wagt allerdings nicht jedes Institut. Jedes zweite beginnt mit Teilprojekten. Großbanken treiben die Digitalisierung beispielsweise verstärkt über so genannte Digi-Labs voran, wie Start-up Neugelb der Commerzbank, Digitalfabrik der Deutschen Bank und HVB Innovation Lab der HypoVereinsbank.
Die Banken haben zudem die Herausforderung der Fintechs angenommen. Der Kurs lautet bei der Mehrheit Kooperation statt Konfrontation. 61 Prozent der Institute befinden sich in Partnerschaften mit Fintechs oder haben selbst ein Start-up gegründet. Dieser Trend wird sich fortsetzen, so die Studie: Es dominieren die eigene Gründung (34 Prozent) und Kooperation (26 Prozent) mit Fintechs. 13 Prozent der Banken streben eine Übernahme an.
Quelle: Sopra Steria Consulting
Trend 2: Ausbau der eigenen digitalen Plattformen
Die Kundengewinnung wollen nur wenige Banken über ein Angebot auf fremden Internetseiten erreichen. Knapp die Hälfte der befragten Institute verfolgt die Strategie, sich in den nächsten drei Jahren auf den weiteren Ausbau der eigenen Plattformen zu konzentrieren, um von dort aus auch bankferne Produkte anzubieten. Fast ein Viertel bestätigt, sich auf Plattformen anderer Anbieter zu konzentrieren, beispielsweise Vergleichsportale.
Trend 3: Digital Payment
Im Zahlungsverkehr will die Bankenbranche verlorengegangene Marktanteile zurückerobern. Das von Sparkassen, Genossenschaftsbanken und Privatbanken gestartete Zahlungssystem Paydirekt soll bereits 2018 von deutlich mehr Onlinehändlern angeboten werden. Eine Studie des Handelsinstituts EHI spricht von einem Drittel der befragten Händler. Mit Blick auf mobile Zahlungssysteme haben die Banken schnell reagiert, noch bevor sich andere Anbieter in Deutschland breit etablieren konnten. Mobile-Payment-Angebote hat die Hälfte der Institute im Angebot, rund 40 Prozent planen eigene Angebote.
Trend 4: Kostensenkung durch Automatisierung
Noch gibt es zu viele nichtdigitale Abschnitte innerhalb einzelner Geschäftsabläufe. Medienbrüche sind immer noch ein Problem. Einen erheblichen Teil ihrer Investitionen für Digitalisierung werden die Banken deshalb in die Modernisierung ihrer internen IT-Landschaft stecken. 55 Prozent der Institute wollen durch mehr Automatisierung effizienter arbeiten. Für die Mehrheit der Entscheider arbeiten zu viele Menschen im eigenen Haus an Routinetätigkeiten anstatt die Bank mit ihrem Know-how voranzubringen. Die Trennung von alten Kernbanksystemen rückt ebenfalls näher, so die befragten Entscheider.
Trend 5: Neue Geschäftsmodelle
Der strategische Umbau sorgt in der Bankenbranche zudem für Anpassungen bei den Produkten und Dienstleistungen. 62 Prozent der Institute, die ihr Geschäftsmodell verändern, wollen sich auf bestimmte Zielgruppen konzentrieren. Aus den steigenden Eigenkapitalanforderungen durch Basel III und der Überarbeitung des Kreditrisikostandards lässt sich beispielsweise eine stärkere Konzentration auf Firmenkundenkredite mit kleineren Volumina ableiten.
Zugleich plant jedes zweite Institut mit großem Veränderungsbedarf eine Konsolidierung des Produktportfolios. Dabei befinden sie sich auf einer Gratwanderung zwischen zu kostenintensiver Breite und Tiefe der Produktpalette und einem zu kleinen Angebot, das individuelle Lösungen für die Kunden nicht ausreichend unterstützen würde.
Mehr Optimismus dank eigener Aktivitäten
In der Branche setzt sich zunehmend das Gefühl durch, das Heft des Handelns endlich wieder selbst in der Hand zu halten. Das zeigt sich am wieder zunehmenden Optimismus. Im Vergleich zur Befragung aus dem Vorjahr hat sich die Stimmung in der Branche aufgehellt. Die meisten Banken erwarten, dass die Branche in Zukunft an Innovationsfähigkeit zulegen wird. „Der Wille zur Veränderung ist in den Instituten spürbar. Es gibt wenig internen Protest und Widerstand gegen die digitalen Bauvorhaben der Banken“, sagt Stefan Lamprecht von Sopra Steria Consulting.
Fazit: Künstliche Intelligenz, Robotic Process Automation und Big Data sind für die Mehrheit der Entscheider offenbar keine Spielwiese und für die Mitarbeiter keine Jobkiller mehr, sondern Chance auf Effizienzgewinne und neue Angebote für die Kunden.
(MvA)
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