„Von einem allzu schnellen Wiedereinstieg in die breiten Aktienmärkte raten wir ab"

Wie sollten Anleger auf die aktuelle geopolitische Lage reagieren?

Wir denken, dass der Trend zu kräftigen Preissteigerungen im Rohstoff- und auch Nahrungsmittelsektor von Dauer sein wird und favorisieren deshalb Fonds, die sich in diesen, oftmals vergleichsweise günstig bewerteten Sektoren, verstärkt engagieren. So können Investoren zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen: Durch den Erwerb von Value-Fonds und die Umschichtung aus stärker schwankungsintensiven, technologielastigen Fonds ihr Portfolio stabiler und defensiver aufstellen und zugleich das Exposure gegenüber zinssensitiven Branchen vermindern. Generell empfehlen wir angesichts der höchst unsicheren geopolitischen Lage eine deutlich höhere Liquiditätsquote als sonst und haben dies auch in unseren vermögensverwaltenden Strategien umgesetzt.

Haben politische Börsen auch in diesem Fall kurze Beine?

Wie kurz die Beine der politischen Börsen in diesem aktuellen Fall sind, ist besonders schwierig einzuschätzen, da der Russland-Ukraine-Konflikt immer länger andauert und keine Zeichen einer Entspannung sichtbar sind. Dauert der Krieg mit all seinen negativen Auswirkungen noch Monate oder Jahre, dürften auch die negativen Konsequenzen für die Börsen erhalten bleiben. Von einem allzu schnellen Wiedereinstieg in die breiten Aktienmärkte raten wir deshalb ab.

Wird die extrem hohe Inflation zu Verwerfungen führen?

Die völlig aus dem Ruder gelaufene Inflation, die sich gerade auch in Basisbereichen wie Energie und Lebensmittel manifestiert, wird mit absoluter Sicherheit zu Folgen beim Konsumverhalten weiter Bevölkerungsschichten führen. Für Branchen wie Tourismus, Luxusgüter und auch den Automobilbau erwarten wir längerfristig klar negative Auswirkungen, während defensive Sektoren (Nahrungsmittel, Versorger) am wenigsten betroffen sein dürften.

Wie zufrieden sind Sie mit ihrer Mannschaft?

Naturgemäß können wir mit unserer aktuellen Platzierung nicht zufrieden sein und haben deshalb gerade erst drei Auswechslungen im Team vorgenommen: Offenbar erfolgreich, denn zwei der drei neuen Fondspositionen notieren bereits deutlich im Plus. Der Threadneedle Global Smaller Companies mit seinem Fokus auf qualitativ hochwertige, günstig bepreiste Nebenwerte hat zuletzt genauso kräftig zugelegt wie der iShares Listed Private Equity ETF, der die nach dem jüngsten Kursrutsch attraktiv bewertete Private Equity-Branche abbildet.

Ist in China schon das schlimmste überstanden oder wird die Wirtschaft durch die immer wiederkehrenden Lockdowns stark in Mitleidenschaft gezogen?

In China sehen wir tatsächlich erste Zeichen einer Stabilisierung und halten deshalb auch an unserer Position im New Capital China Equity Fund fest, der wir noch einiges Kurspotenzial zutrauen. Zudem ist der chinesische Aktienmarkt in seiner Entwicklung den europäischen und US-Börsen tendenziell vorausgelaufen: Er hat dieses Jahr besonders starke Kursverluste zu verzeichnen gehabt, aber bereits im Juni wieder einen positiven Handelsmonat hingelegt, als DAX und Dow Jones noch deutlich im Minus lagen.

Was erwarten Sie noch für das Börsenjahr 2022?

Ein nochmaliges Abrutschen unter die zuletzt erreichten Tiefststände und eine Stabilisierung auf dem aktuellen, auf den ersten Blick vergleichsweise günstigen Bewertungsniveau erachten wir für etwa gleich wahrscheinlich. Eine Stabilisierung könnte vor allem von den asiatischen Märkten und insbesondere China ausgehen, wo die Folgen eines fortgesetzten Russland-Ukraine-Konflikts weniger stark auf die Wirtschaft durchschlagen. Eine von den dortigen Börsen ausgehende Kurserholung, die später auch auf Europa und die USA übergreift, könnten wir uns für die zweite Jahreshälfte 2022 gut vorstellen.

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