Mit ihrem dritten ungewöhnlich kräftigen Zinsschritt nacheinander setzt die US-Notenbank ihren aggressiven Kampf gegen die Inflation fort. Die strenge Geldpolitik soll die Teuerungsrate in den USA endlich spürbar senken.
22.09.2022 | 06:36 Uhr
Die Fed erhöhte am Mittwoch ihren Leitzins erneut um 0,75 Prozentpunkte - und Fed-Chef Jerome Powell machte deutlich, dass mit den großen Zinsschritten noch lange nicht Schluss ist. "Ohne Preisstabilität funktioniert die Wirtschaft für niemanden", sagte er. Doch die Entscheidung der Zentralbanker hat nicht nur Auswirkungen auf die größte Volkswirtschaft der Welt, sondern auch auf wirtschaftsschwächere Staaten. Und auch Deutschland bekommt die Folgen der US-Zinspolitik zu spüren.
Die Chefin des Internationalen Währungsfonds (IWF), Kristalina Georgiewa, warnt seit Monaten vor einer Schuldenkrise für Länder mit mittlerem und niedrigem Einkommen. "Wir müssen erkennen, dass es eine tektonische Verschiebung gibt", sagte sie etwa im Juli. Die Welt sei schockanfälliger geworden. Aktuell führten die Auswirkungen der Lieferkettenunterbrechungen wegen der Corona-Pandemie und des "Schreckens eines erneuten Krieges in Europa" zu einer galoppierenden Inflation. Die Zentralbanken konzentrierten sich zwar zu Recht darauf, diese mit Zinserhöhungen zu bekämpfen, betonte die IWF-Chefin. Doch mit den Zinserhöhungen der Zentralbanken verschärften sich die globalen Finanzbedingungen stärker als bisher angenommen.
Das Hauptproblem: Die hohen Zinssätze treiben den US-Dollar in die Höhe - zum Nachteil anderer Länder. Denn nicht nur Importe werden teurer, sondern auch die Bedienung von Krediten. Die straffe Geldpolitik der US-Notenbank bekommen daher vor allem einkommensschwächere Länder zu spüren, die sich während der Pandemie hoch verschuldet haben und ihre Kredite in US-Dollar aufgenommen haben - selbst aber keine Dollars verdienen. Die höheren Zinsen verteuern diese Kredite.
Das passiert zu einem Zeitpunkt, an dem die Inflation viele Länder in Zentralasien, Lateinamerika und südlich der Sahara in Afrika ohnehin schon in Nöte bringt. Die steigenden Zinssätze verschlimmern die Lage. Hinzu kommt, dass bei hohen Zinsen in den USA Kapital aus Entwicklungs- und Schwellenländern abfließen kann. Denn steigen die Zinssätze in den USA, werden Anlagen dort attraktiver. Anleger, die aktuell in einkommensschwächeren Ländern investieren, könnten sich dazu entscheiden, stattdessen auf den nun attraktiveren US-Markt auszuweichen. Für die betroffenen Länder hat das schwerwiegende Folgen, denn sie dürften sich noch schwerer von den katastrophalen Auswirkungen der Pandemie erholen.
Die US-Zinspolitik kann in einkommensschwachen Ländern eine ernsthafte Wirtschaftskrise auslösen - wie auch die Geschichte zeigt. Die Folgen des sogenannten Volcker-Schocks sind dabei besonders in Erinnerung geblieben. Der legendäre Fed-Chef Paul Volcker erhöhte in den 1980er Jahren im Kampf gegen die Inflation drastisch die Zinsen. Das Wirtschaftswachstum in den USA wurde gebremst. Das riss aber auch andere Volkswirtschaften mit nach unten. Länder wie Mexiko und Chile schlitterten in eine schwere Schuldenkrise, von der sie sich jahrelang nicht erholten. In Lateinamerika sprach man gar von einem verlorenen Jahrzehnt. Auch in späteren Jahren hatten Zinsanhebungen der Fed immer wieder auch wirtschaftliche Folgen für Entwicklungs- und Schwellenländer.
Ökonominnen und Ökonomen warnen nun davor, dass sich diese Szenarien wiederholen könnten - mit verheerenden Konsequenzen für die Menschen in diesen Staaten. "Hohe Inflation, steigende Zinssätze und ein sich verlangsamendes Wachstum haben die Voraussetzungen für Finanzkrisen geschaffen, wie sie Anfang der 1980er Jahre eine Reihe von Entwicklungsländern heimgesucht haben", schrieben Sebastian Essl und Marcello Estevao von der Weltbank bereits im Juni.
Auch Deutschland als Exportnation dürfte die Auswirkungen einer solchen Schuldenkrise zu spüren bekommen. Denn die deutschen Exporte könnten gefährdet werden, wenn sich in anderen Ländern die wirtschaftliche Lage drastisch verschlechtert.
Die Zinspolitik der Fed setzt auch den Euro massiv unter Druck. Die Gemeinschaftswährung fiel im späten US-Währungshandel am Mittwoch wieder unter den US-Dollar und sogar auf den niedrigsten Stand seit Ende 2002. Im Sommer war ein Euro erstmals seit rund zwei Jahrzehnten weniger wert als ein Dollar. Die Europäische Zentralbank hat viel später als die Fed angefangen, die Zinsen zu erhöhen.
Auf die Frage, ob die Fed auch die Entwicklungen im Rest der Welt im Blick habe und damit auch eine mögliche globale Rezession, sagte Fed-Chef Powell: "Wir sind uns sehr bewusst, was in anderen Volkswirtschaften auf der ganzen Welt vor sich geht und was das für uns bedeutet - und umgekehrt." Man versuche sich natürlich abzustimmen, aber das sei bei den unterschiedlichen Zinsniveaus schon auch schwierig. Sein Resümee: "Wir befinden uns alle in sehr unterschiedlichen Situationen."
Quelle: dpa-AFX
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