Die Fed erhöhte am Mittwoch ihren Leitzins erneut um 0,75
Prozentpunkte - und Fed-Chef Jerome Powell machte deutlich, dass mit den großen
Zinsschritten noch lange nicht Schluss ist. "Ohne Preisstabilität
funktioniert die Wirtschaft für niemanden", sagte er. Doch die
Entscheidung der Zentralbanker hat nicht nur Auswirkungen auf die größte
Volkswirtschaft der Welt, sondern auch auf wirtschaftsschwächere Staaten. Und
auch Deutschland bekommt die Folgen der US-Zinspolitik zu spüren.
Die Chefin des Internationalen Währungsfonds (IWF),
Kristalina Georgiewa, warnt seit Monaten vor einer Schuldenkrise für Länder mit
mittlerem und niedrigem Einkommen. "Wir müssen erkennen, dass es eine
tektonische Verschiebung gibt", sagte sie etwa im Juli. Die Welt sei
schockanfälliger geworden. Aktuell führten die Auswirkungen der
Lieferkettenunterbrechungen wegen der Corona-Pandemie und des "Schreckens
eines erneuten Krieges in Europa" zu einer galoppierenden Inflation. Die
Zentralbanken konzentrierten sich zwar zu Recht darauf, diese mit
Zinserhöhungen zu bekämpfen, betonte die IWF-Chefin. Doch mit den
Zinserhöhungen der Zentralbanken verschärften sich die globalen
Finanzbedingungen stärker als bisher angenommen.
Das Hauptproblem: Die hohen Zinssätze treiben den US-Dollar
in die Höhe - zum Nachteil anderer Länder. Denn nicht nur Importe werden
teurer, sondern auch die Bedienung von Krediten. Die straffe Geldpolitik der
US-Notenbank bekommen daher vor allem einkommensschwächere Länder zu spüren,
die sich während der Pandemie hoch verschuldet haben und ihre Kredite in
US-Dollar aufgenommen haben - selbst aber keine Dollars verdienen. Die höheren
Zinsen verteuern diese Kredite.
Das passiert zu einem Zeitpunkt, an dem die Inflation viele
Länder in Zentralasien, Lateinamerika und südlich der Sahara in Afrika ohnehin
schon in Nöte bringt. Die steigenden Zinssätze verschlimmern die Lage. Hinzu
kommt, dass bei hohen Zinsen in den USA Kapital aus Entwicklungs- und
Schwellenländern abfließen kann. Denn steigen die Zinssätze in den USA, werden
Anlagen dort attraktiver. Anleger, die aktuell in einkommensschwächeren Ländern
investieren, könnten sich dazu entscheiden, stattdessen auf den nun
attraktiveren US-Markt auszuweichen. Für die betroffenen Länder hat das
schwerwiegende Folgen, denn sie dürften sich noch schwerer von den
katastrophalen Auswirkungen der Pandemie erholen.
Die US-Zinspolitik kann in einkommensschwachen Ländern eine
ernsthafte Wirtschaftskrise auslösen - wie auch die Geschichte zeigt. Die
Folgen des sogenannten Volcker-Schocks sind dabei besonders in Erinnerung
geblieben. Der legendäre Fed-Chef Paul Volcker erhöhte in den 1980er Jahren im
Kampf gegen die Inflation drastisch die Zinsen. Das Wirtschaftswachstum in den
USA wurde gebremst. Das riss aber auch andere Volkswirtschaften mit nach unten.
Länder wie Mexiko und Chile schlitterten in eine schwere Schuldenkrise, von der
sie sich jahrelang nicht erholten. In Lateinamerika sprach man gar von einem
verlorenen Jahrzehnt. Auch in späteren Jahren hatten Zinsanhebungen der Fed
immer wieder auch wirtschaftliche Folgen für Entwicklungs- und Schwellenländer.
Ökonominnen und Ökonomen warnen nun davor, dass sich diese
Szenarien wiederholen könnten - mit verheerenden Konsequenzen für die Menschen
in diesen Staaten. "Hohe Inflation, steigende Zinssätze und ein sich
verlangsamendes Wachstum haben die Voraussetzungen für Finanzkrisen geschaffen,
wie sie Anfang der 1980er Jahre eine Reihe von Entwicklungsländern heimgesucht
haben", schrieben Sebastian Essl und Marcello Estevao von der Weltbank
bereits im Juni.
Auch Deutschland als Exportnation dürfte die Auswirkungen
einer solchen Schuldenkrise zu spüren bekommen. Denn die deutschen Exporte
könnten gefährdet werden, wenn sich in anderen Ländern die wirtschaftliche Lage
drastisch verschlechtert.
Die Zinspolitik der Fed setzt auch den Euro massiv unter
Druck. Die Gemeinschaftswährung fiel im späten US-Währungshandel am Mittwoch
wieder unter den US-Dollar und sogar auf den niedrigsten Stand seit Ende 2002.
Im Sommer war ein Euro erstmals seit rund zwei Jahrzehnten weniger wert als ein
Dollar. Die Europäische Zentralbank hat viel später als die Fed angefangen, die
Zinsen zu erhöhen.
Auf die Frage, ob die Fed auch die Entwicklungen im Rest der
Welt im Blick habe und damit auch eine mögliche globale Rezession, sagte
Fed-Chef Powell: "Wir sind uns sehr bewusst, was in anderen
Volkswirtschaften auf der ganzen Welt vor sich geht und was das für uns
bedeutet - und umgekehrt." Man versuche sich natürlich abzustimmen, aber
das sei bei den unterschiedlichen Zinsniveaus schon auch schwierig. Sein
Resümee: "Wir befinden uns alle in sehr unterschiedlichen
Situationen."
Quelle: dpa-AFX
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