Seit mehreren Wochen steigt der Goldpreis ununterbrochen. Die Rally könnte sich fortsetzen. Experten sehen als wichtigste Treiber die Angst und das billige Geld.
16.07.2019 | 15:10 Uhr von «Alexandra Jegers»
Der Goldpreis ist aus seiner Lethargie erwacht: Seit Ende Mai kletterte der Preis je Feinunze um mehr als zehn Prozent, von 1280 US-Dollar auf 1415 US-Dollar. Damit notiert das Edelmetall so hoch wie seit sechs Jahren nicht mehr: Zuletzt hatte der Goldpreis die Marke von 1400 US-Dollar im Mai 2013 überschritten. Seit Sommer 2018 hat das Edelmetall seinen Wert damit um ein Viertel gesteigert. Die jüngste Rally ist bemerkenswert: Obwohl der Handelskrieg der USA mit China und der Brexit seit über einem Jahr die Schlagzeilen beherrschen und die Zinsen seit Ewigkeiten niedrig sind, hatte der Goldpreis sich lange Zeit kaum bewegt. Erst in der letzten Mai-Woche war der Preis dann nach oben ausgebrochen.
Finanzexperten sehen vor allem einen Grund für den Preisanstieg: Das jüngste Signal der Notenbanken, bis auf weiteres billiges Geld in das System zu pumpen. „Richtig an Fahrt nahm der Preisanstieg auf, nachdem EZB-Präsident Mario Draghi und der Fed-Vorsitzende Jerome Powell Mitte Juni die Tür für Zinssenkungen weit aufstießen“, sagt Carsten Fritsch, Rohstoff-Analyst bei der Commerzbank. Der Markt rechnet inzwischen mit drei Fed-Zinssenkungen bis zum Jahresende. Die EZB könnte den ohnehin schon negativen Einlagenzins im Juli noch einmal senken. Als Konsequenz dürften die Anleiherenditen in den USA und Europa weiter fallen. Der daraus resultierende Anlagenotstand lasse Investoren in andere Assetklassen ausweichen, erklärt Fritsch. Und das bedeutet auch glänzende Zeiten für Gold-Investoren: „Als zinslose Anlage gewinnt Gold durch die Negativzinsen an Attraktivität“, sagt der Anlageprofi.
Auch der jüngste Konflikt zwischen den USA und dem Iran hat den Goldpreis beflügelt. Die Lage am Persischen Golf droht zu eskalieren: Im Juni schossen die iranischen Revolutionsgarden eigenen Angaben zufolge eine US-Drohne ab. Die USA verurteilten den Abschuss als „nicht provozierten Angriff“ im internationalen Luftraum. US-Präsident Donald Trump kommentierte auf Twitter, der Iran habe „einen sehr großen Fehler“ gemacht. Ein weiterer Krisenherd ist der nach wie vor ungelöste Handelsstreit zwischen den USA und China. Zwar haben sich die Fronten nach dem G20-Gipfel beruhigt, dafür droht nun von anderer Seite Ärger. Im Herbst könnte nämlich Europa stärker in den Konflikt hineingezogen werden, sollte US-Präsident Trump seine Drohung wahr machen und neue Importzölle auf Autos erheben.
Investoren, die eine geopolitische Eskalation fürchten, wollen ihr Vermögen vor dem Worst Case – einem dramatischen Kursverfall – schützen. Die Lösung dafür heißt für viele Anleger ebenfalls Gold. Commerzbank-Analyst Fritsch hat seine Prognose für den Goldpreis daher jüngst nach oben korrigiert. Statt bisher 1400 US-Dollar erwartet er nun bis Jahresende einen Preis von 1500 US-Dollar je Feinunze.
Auch Michael Blümke, Portfoliomanager beim Fondsanbieter Ethenea, rechnet mit einem steigenden Goldpreis. „Das aktuell vorherrschende Makrobild, insbesondere die Erwartungshaltung bezüglich mittelfristig weiter fallender Realzinsen, ist nach wie vor ein starkes Plädoyer für Gold“, sagt der Experte. Blümke hält sogar eine Rückkehr zu alten Höchstständen für möglich. Sein historisches Allzeithoch markierte Gold bisher während der Euro-Krise im Jahr 2011 mit mehr als 1900 US-Dollar.
Zu sicher sollten sich Gold-Investoren allerdings nicht sein: Kurzfristig könnte es durchaus noch zu Rücksetzern kommen, sagt Blümke. Der Grund: Nach dem jüngsten Höhenflug könnten viele Gold-Investoren über einen Verkauf nachdenken, um Gewinne mitzunehmen – allen Risiken zum Trotz.
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