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„Investment-Grade-Anleihen sind attraktiver als Hochzinsanleihen“

Owen Murfin, Institutional Fixed Income Portfolio Manager bei MFS Investment Management.
Interview

Warum Investment-Grade-Anleihen derzeit eine der attraktivsten Anleihegattungen sind, erläutert Owen Murfin, Institutional Fixed Income Portfolio Manager bei MFS Investment Management.

02.09.2024 | 07:00 Uhr von «Jörn Kränicke»

TiAM FundResearch: Viele haben erwartet, dass 2024 ein Anleihejahr sein würde. Bislang hat sich diese Erwartung nicht ganz erfüllt. Was sind die Gründe dafür?

Owen Murfin: Richtig ist, dass sich Anleihen von den historischen Verlusten 2022 nur langsam erholten und die Anleger Geduld brauchten. Das lag vor allem an der Zurückhaltung der Zentralbanken, die Zinsen zu senken, noch bevor die Inflation dauerhaft unter die Zielmarken gefallen war. Nichtsdestotrotz erzielten europäische Anleihen 2023 ordentliche Renditen – 8,19 % waren es im Bloomberg European Corporate Index. Auch im bisherigen Jahresverlauf zeigen sich die Renditen in guter Verfassung, denn neben der EZB haben weitere europäische Zentralbanken wie die Schweiz und Schweden die Zinsen bereits gesenkt.

Wie haben sich die Spreads in letzter Zeit entwickelt?

Seit Ende 2022 haben sich die Spreads generell verengt. Aber es gab einige Phasen der Ausweitung, vor allem rund um den Zusammenbruch der Credit Suisse im März 2023. Zuletzt sorgten im Juni Bedenken im Zusammenhang mit den Wahlen in Frankreich für eine gewisse Volatilität der Spreads. Das Halten von Unternehmensanleihen im Vergleich zu Staatsanleihen hat sich in den letzten zwei Jahren als sehr vorteilhaft erwiesen.

Wie attraktiv sind Unternehmensanleihen im historischen Vergleich zu Staats- und Hochzinsanleihen?

Aus unserer Sicht sind Investment-Grade-Anleihen attraktiver als Hochzinsanleihen. Bei Letzteren herrscht am Markt eine gewisse Selbstgefälligkeit, da die Kurse kein anderes Szenario als eine sanfte Landung der Weltwirtschaft widerspiegeln. Investment-Grade-Anleihen könnten deshalb von Abflüssen aus Cash und Geldmarktfonds profitieren oder aus Pensionsfonds, die aufgrund der verbesserten Finanzierungsquoten ihr Risiko aus Aktien verringern wollen. Das Nettoangebot ist auch weniger belastend als in Bereichen wie Staatsanleihen, da ein Großteil der Unternehmensanleihen für 2024 von vornherein festgelegt ist.

Wie schneiden Euro-Unternehmensanleihen im Vergleich zu US-Anleihen ab?

Europäische Corporate Bonds sind weiterhin attraktiv, sowohl auf Rendite- und Break-even-Basis als auch im Vergleich zum US-Markt für Investment-Grade-Titel mit längerer Laufzeit. Wir sind der Meinung, dass die Aufschläge gegenüber den USA größtenteils durch den Finanz- und Immobiliensektor verursacht werden. In diesen Sektoren gibt es Spielraum für eine weitere Angleichung.

Das wirtschaftliche Umfeld in Europa ist derzeit nicht ideal. Erwarten Sie in naher Zukunft mehr Herabstufungen als Hochstufungen?

Die Kreditmärkte mögen eigentlich keine Perioden mit schnellem Wachstum, sondern eher solche mit einem harmlosen, niedrigen Inflationsanstieg, das die monetären Bedingungen recht günstig hält. Nach wie vor sind die Fundamentaldaten europäischer Investment-Grade-Unternehmen solide und widerstandsfähig genug, um eine Phase des wirtschaftlichen Abschwungs zu überstehen. Die meisten Kreditkennzahlen sind gesund, wobei der Verschuldungsgrad und der Zinsdeckungsgrad den historischen Durchschnittswerten entsprechen. Die Liquidität in den Bilanzen ist ungewöhnlich hoch. Wir rechnen daher nicht mit einer Welle von Herabstufungen bei Investment-Grade-Anleihen.

Welche Rolle spielen ESG/grüne Anleihen für Sie?

Als Artikel-8-Fonds berücksichtigt der MFS Meridian Euro Credit Fund wichtige Nachhaltigkeitskriterien. Wir wenden dabei keine Ausschlusskriterien an, sondern engagieren uns aktiv bei den jeweiligen Unternehmen. Bei der Bewertung von Unternehmen und Staaten berücksichtigen wir die Bedeutung und den Zeitrahmen von ESG-Faktoren. Die ESG-Analyse sehen wir dabei nicht nur als eine Form der Risikominderung an, sondern auch als potenzielle Quelle von Alpha, wenn ESG-Risiken falsch bewertet werden.

Gibt es im Unternehmenssektor einen großen Refinanzierungsbedarf oder haben viele Firmen die Niedrigzinsphase genutzt, um sich zunächst voll zu finanzieren?

Dies ist eher ein Thema am Markt für hochverzinsliche Anleihen. Dort sind die durchschnittlichen Laufzeiten seit 2022 gesunken, da die Unternehmen keine Finanzierung zu höheren Zinssätzen und vor einem Lockerungszyklus der Zentralbanken durchführen wollten. Unternehmen mit Investment-Grade-Rating haben in der Regel die staatliche Unterstützung und die niedrigen Renditen nach 2022 genutzt, um ihre Schulden zu tilgen.

2024 hätten Sie mit einem Geldmarkt-ETF bisher mehr Geld verdient als mit einem Unternehmensanleihefonds. Was sind die Argumente für Corporate Bonds?

Die Verhältnisse können sich hier sehr schnell ändern. Seit der Rallye im April sind die Renditen von Anleihen und Cash wieder viel ähnlicher geworden. Die Geldmarktzinsen könnten in Zukunft weiter fallen – das bedeutet, dass ein Portfolio mit längerer Duration und attraktiven Spreads, wie sie etwa europäische Investment-Grade-Anleihen bieten, besser abschneiden könnten als Cash.

Können Euro-Unternehmensanleihen im Zuge des Zinssenkungszyklus gegenüber Cash profitieren?

Sehr sogar. Ein Umfeld, in dem die Zentralbanken bestrebt sind, die Geldpolitik zu lockern, um eine sanfte Landung der Konjunktur zu ermöglichen, dürfte günstig für Unternehmensanleihen sein. Eine Rezession würde, wie erwähnt, zu einer gemischteren Performance führen, aber die höhere Duration von Unternehmensanleiheportfolios schützt die Anleger in einem solchen Szenario vor Verlusten.

Wie hoch sind die Ausfallraten und werden die Anleger für das eingegangene Risiko ausreichend entschädigt?

Die Ausfälle bei Unternehmen mit Investment-Grade-Rating sind sehr gering. In der Regel findet vor einem Ausfall eine Migration zu Hochzinsanleihen statt. Im Allgemeinen werden Investment-Grade-Anleger für Liquidität, Ausfälle und Rating-Migration großzügig entschädigt. Diese zusätzliche Kompensation ist eine der wichtigsten Säulen für die Attraktivität der Anlageklasse.

Warum sind Sie überwiegend in BBB-Anleihen investiert?

In den letzten Monaten haben wir die Gewichtung von Hochzinsanleihen im Portfolio reduziert. Deshalb befinden sich nun mehr Anleihen mit geringerem Risiko und BBB-Rating im Bestand. Außerdem fallen viele der von unseren Analysten bevorzugten Ideen in die BBB-Kategorie. Viele Emittenten mit einem A-Rating, also höherer Bonität, haben oft einen größeren Spielraum für verstärkte Fremdfinanzierungs- oder M&A-Aktivitäten – Ratings sind daher nicht immer der beste Hinweis auf die künftige Kreditqualität.

Dem Factsheet zufolge halten Sie auch Short-Positionen. Warum?

Wir können in Bezug auf die Benchmark-Gewichtung von Unternehmensnamen short sein, würden aber keine Derivate einsetzen, um uns bei individuellen Titeln netto short zu positionieren. Außerdem nutzen wir oft Short-Positionen bei Zinsfutures, um die Gesamtduration des Portfolios und das Renditekurvenrisiko zu kontrollieren. Wir setzen auch Index-Hedges wie Itraxx ein, um das gesamte Kredit-Beta-Risiko zu kontrollieren. In solchen Instrumenten können wir Short-Positionen gegen zugrunde liegende Long-Positionen in Cash-Anleihen eingehen.

Welche Wertentwicklung können Anleger in den nächsten 3 bis 5 Jahren erwarten?

Der beste Frühindikator für den Ertrag sind die Renditen, insbesondere über längere Zeiträume wie 5 Jahre. Jährliche Renditen von 3-4 % sollten in Euro-Anleihen sehr gut erzielbar sein. Das wiederum sollte ein gutes Stück über der Inflationsrate liegen und zu realen Gewinnen führen.

Zur Person

Owen Murfin, CFA, ist Investment Officer und Portfoliomanager für institutionelle Festverzinsliche bei MFS Investment Management. Er ist Mitglied des MFS Global Fixed Income Portfolio Management Teams. In dieser Funktion nimmt er an Diskussionen über die Portfoliostrategie teil, passt die Portfolios an die Ziele und Richtlinien der Kunden an und kommuniziert die Anlagestrategie und Positionierung des Portfolios. Er ist in London ansässig. Bevor er 2017 zu MFS kam, war Owen 15 Jahre lang als Managing Director und Global Fixed Income Portfolio Manager bei BlackRock tätig. Davor arbeitete er fünf Jahre lang als Associate und Global Fixed Income Portfolio Manager bei Goldman Sachs Asset Management. Murfin schloss sein Studium am University College London mit einem Bachelor of Science ab. Er ist Inhaber des Titels Chartered Financial Analyst.

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