TiAM FundResearch blickt auf die Woche zurück und gibt einen Ausblick auf die kommenden Tage. Diesmal im Fokus: Wie Investoren auf die Wahl in den USA und auf das Ende der Ampel-Koalition in Berlin reagieren.
18.11.2024 | 07:15 Uhr
Eine gern zitierte Weisheit lautet: Politische Börsen haben kurze Beine. Das stimmt wohl auch so. Es gibt unzählige Belege dafür. Bei Kriegen, politischen Krisen und/oder radikalen Regierungswechseln gilt: Menschen hören auf ihren Bauch und handeln gegen die Vernunft. Später bemerken viele ihre Fehler und wollen sie korrigieren. Und so springen die Kurse erst heftig in die eine und dann in die andere Richtung. Aktuell zum Beispiel lässt sich das Spektakel jenseits und diesseits des Atlantiks gut beobachten.
Jenseits des Atlantiks freuen sich nicht nur hartgesottene MAGA-Fans, sondern auch viele Investoren derzeit darüber, dass die Republikaner in den USA ab Januar kommenden Jahres wieder an der Regierung sind. Man traut ihnen mehr Wirtschaftskompetenz zu als den Demokraten. Erstaunlicherweise hat sich das jedoch niemals in der Praxis bewahrheitet. Historisch betrachtet, waren es oft die Demokraten, die die ökonomischen Fehler republikanischer Vorgänger-Regierungen ausbügeln mussten. Das Zitat „It´s economy, stupid!“ stammt nicht zufällig von Bill Clinton, einem Demokraten. Nichtsdestotrotz sind die Aktienkurse an der Wall Street in den fünf Tagen nach der Wahl um rund fünf Prozent gestiegen. Man fragt sich: Warum eigentlich? Denn nimmt man Donald Trump beim Wort, wird er als US-Präsident die Zölle auf ausländische Importe kräftig erhöhen. Der hauptsächliche Effekt solcher Maßnahmen ist ein Anstieg der Inflation. Und das ausgerechnet zu einer Zeit, in der die Fed ihren Zinssenkungskurs schon jetzt infrage stellt. Die Preise für Waren und Dienstleistungen sind laut US-Arbeitsministerium im Oktober im Vergleich zum Vorjahresmonat um 2,6 Prozent gestiegen. Im September hat die Teuerungsrate noch bei 2,4 Prozent gelegen. Die Verbraucherpreise ohne Energie und Lebensmittel haben im Oktober sogar um 3,3 Prozent zugelegt. Sollte Trump seine Versprechen und Drohungen Taten folgen lassen, dürfte der Inflationsdruck weiter zunehmen. Sollte die Fed ihren Zinssenkungskurs angesichts wieder steigender Inflation tatsächlich stoppen, würde dies den US-Dollar stärken – und ein erklärtes Ziel Donald Trumps gefährden. Schließlich wünscht er sich einen schwachen Dollar. Welch ein Dilemma. Vermutlich ist es deshalb kein Zufall, dass der kurzen Wahl-Aktienrally an der Wall Street schon im Laufe der vergangenen Woche die Ernüchterung folgte.
Auch in Deutschland passiert Denkwürdiges. Eigentlich gelten Bundesanleihen weltweit als letzter Hort der Stabilität, wenn es an den Kapitalmärkten ungemütlich wird. Das politische Beben in Berlin hat den guten Ruf der Bundeswertpapiere jedoch offensichtlich erschüttert. Seit Anfang Oktober fallen die Kurse. Anleger trennen sich vom „Risikoinvestment“ Bundesanleihe. Die Rendite von Papieren mit zehn Jahren Laufzeit hat sich seit Anfang Oktober um knapp 0,4 Prozentpunkte auf 2,36 Prozent erhöht. Sie liegt damit auf dem höchsten Niveau seit Mitte Juli. Das ist kurios. Denn Hand aufs Herz: Was hat sich denn nach dem Bruch der Ampel-Koalition geändert? Die wirtschaftliche Lage ist dieselbe wie vorher. Wenn überhaupt, könnten Neuwahlen doch einen positiven, belebenden Effekt haben. Dies erhoffen sich viele aus der Wirtschaft, die mit der Ampel-Regierung unzufrieden waren. Selbst wenn die Schuldenbremse gelockert wird, sollte das kaum einen Effekt auf die Zahlungsfähigkeit Deutschlands haben. Im Gegenteil. Die EZB wird – anders als die Fed – wohl auf Kurs bleiben und die Zinsen weiter senken. Deutschland könnte sich also preiswerter verschulden als zuletzt und Anleihen günstig umschichten. Gleichzeitig würden die Kurse für bereits emittierte Bundesanleihen mit langer Laufzeit steigen. So what? Wer sich sichere Bundesanleihen ins Depot holen will, darf jetzt gerne noch zugreifen. Günstiger wird´s vermutlich nicht mehr.
Am Dienstag veröffentlicht die europäische Statistikbehörde Eurostat den Eurozonen CPI. Der Index erfasst die Änderungen der Preise für Waren und Dienstleistungen. Mit anderen Worten: Der CPI ist ein wichtiger Hinweis auf die Änderungen bei den Kauftrends und der Inflation in der Eurozone.
Am Mittwoch zieht das Statistische Bundesamt Deutschlands nach und gibt die aktuellen Zahlen zum Erzeugerpreisindex (PPI) bekannt. Der Index misst die durchschnittliche Preisveränderung von Rohstoffen, die von den Produzenten in Deutschland gekauft wurden. Während der CPI die Veränderungen der Konsumentenkaufpreise misst und damit die aktuelle Inflation widerspiegelt, ist der PPI ein wichtiger Indikator für künftige Preisentwicklungen. Denn die Konsumpreise folgen den Erzeugerpreisen mit Verzögerung.
Am Donnerstag veröffentlicht die Notenbank der Russischen Föderation den aktuellen Stand ihrer Zentralbankreserven. Diese haben im September dieses Jahres ihren Höchststand erreicht. Seitdem ist ein leichter Rückgang zu beobachten. Es bleibt abzuwarten, ob es nun eine Trendumkehr gibt.
Am Freitag veröffentlicht das Statistische Bundesamt seine neue Berechnung zur Entwicklung des Bruttoinlandsprodukts in Deutschland. Um es kurz zu machen: The trend is not our friend. Jedenfalls zurzeit nicht. Vielleicht steigt im nächsten Jahr ja die Laune wieder. Wer weiß.
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