Das Wirtschaftswachstum geht weltweit
zurück, der Handelskonflikt zwischen den USA und China verschärft sich wieder
einmal und manch ein Investor sieht schon die nächste Krise kommen. Der Druck der
vielen schlechten Nachrichten hat sich nun offenbar auch auf die
US-amerikanische Notenbank Federal Reserve (Fed) übertragen. Seit Monaten
erwarten Marktbeobachter, dass die Fed den Leitzins senkt, und damit eine
Trendumkehr einleitet. Am Mittwoch war es dann soweit. Nach einer zweitägigen
Sitzung gab die Fed bekannt, den Leitzins um 25 Basispunkte zu senken. Damit
liegt er nun in einer Spanne von 2,0 bis 2,25 Prozent. Der Weg zu dieser
Entscheidung war holprig: "Die Kehrtwende der US-Notenbank lief alles andere
als glatt über die Bühne, aber sie haben sie hinbekommen", sagt Ronald Temple, Leiter
US-Aktien bei Lazard Asset Management. Den Schritt nach unten sieht er als
richtig an. Die Fed müsse die Inflation erhöhen und nicht mehr eindämmen. Da
die US-Wirtschaft und der Arbeitsmarkt weiterhin unter Druck stünden, sei die
Entscheidung richtig gewesen.
Viele hatten sich sogar einen
größeren Zinsschritt gewünscht. "Die Hoffnung auf eine Zinssenkung um mehr als
25 Basispunkte war angesichts solider Wirtschaftsdaten und der lockeren
Finanzkonditionen nicht angemessen", sagt der leitende Ökonom Tim Drayson von
Legal and General Investment Management (LGIM). Generell hätten sich
Marktteilnehmer laut Drayson eine striktere Linie der Fed gewünscht. Doch die
US-Notenbank hat diesmal keinen Ausblick auf den weiteren Kurs gewährt. Nach
Ansicht von Drayson mache das die Fed flexibler, denn auch intern sei man sich
nicht einig: "Die fehlende Forward-Guidance spiegelt sich auch im Komitee
wider, das sich über den Bedarf weiterer Stimuli uneinig ist", sagt Drayson.
Unter einer Forward-Guidance verstehen Finanzexperten Aussagen einer Notenbank
wie: "Die Fed geht davon aus, dass der Leitzins weiter fällt." Damit legt die
Notenbank sich nicht fest, gibt aber einen Ausblick auf ihre weitere Politik
und die Leitzinsentwicklung.
Ist das das Ende der unabhängigen Notenbanken?
Eine solche Weisung vermissen viele
Anleger derzeit bei der Fed. Drayson weiß einen möglichen Grund: "Es gibt
keinen Präzedenzfall dafür, wie man auf Handelskonflikte reagieren sollte." Kevin
Flanagan, Anleihe-Stratege bei der Fondsgesellschaft Wisdom-Tree, teilt die
Einschätzung. Die Zinssenkung sei ein Versuch, "den möglichen negativen
Auswirkungen der Handelsunsicherheit und der Verlangsamung des globalen
Wachstums entgegenzuwirken", sagt Flanagan. Die Fed habe auf die schlechte
Stimmung am Markt reagiert und versucht, diese mit einem niedrigeren Leitzins
zu heben.
Axel Angermann, Chef-Volkswirt der
Feri Gruppe, hält diese Entwicklung für fatal. Denn die US-Notenbank versuche
sich damit an einer Feinsteuerung der Konjunktur, in der sie praktisch jeden
Verlust an Wachstumsdynamik oder sogar schon die bloße Furcht davor mit einer
Öffnung der Geldschleusen beantwortet. Die Stimmung am Markt könnte so zum
neuen Maßstab der Geldpolitik werden und objektive Kriterien übertrumpfen. Das
wiederum öffne die Tür für eine politische Einflussnahme auf die Fed, warnt der
Volkswirt: "Vielleicht liegt die Zeit der relativ jungen Errungenschaft
politischer Unabhängigkeit der Notenbanken bereits hinter uns."
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