Christoph Eibl, Vorstand bei Tiberius Asset Management rät Anlegern derzeit von Rohstoff-Aktien ab: „Die kommende Rohstoffbewegung müssen wir anders adressieren.“ Im Gespräch mit FundResearch erklärt er, was auf den Rohstoffmärkten gerade los ist und wieso es Saudi-Arabien in der heutigen Form in zehn Jahren nicht mehr geben wird.
02.02.2016 | 08:45 Uhr
„Der Ölmarkt könnte im Überangebot ertrinken“, warnte die Internationale Energieagentur (IEA) als Reaktion auf die Mitte Januar auf den tiefsten Stand seit mehr als zwölf Jahren gesunkenen Ölpreise. Gleichzeitig lasse die Nachfrage aus China weiter nach. Die zweitgrößte Volkswirtschaft der Welt verliert seit Monaten an Schwung.
FundResearch spricht mit Christoph Eibl, Vorstand bei Tiberius Asset Management, über die aktuelle Lage am Rohstoffmarkt. Bevor Eibl Tiberius Asset Management 2005 gründete, arbeitete er als Rohstoffhändler unter anderem für die Dresdner Bank. Damals gehörte das Unternehmen zu den ersten, die sich mit Rohstofffonds an den Markt trauten. Mittlerweile ist der Pionier einer der führenden Anbieter für Investitionen dieser Art. Mit dem Namen Tiberius erinnern die Schweizer an Roms berühmten Fluss Tiber. Der Fluss galt als wichtigste Wasserstraße des römischen Reichs und diente als Handels und Transport-Route für alle Arten von Waren. Tiberius ist neben der Asset-Management-Sparte mit ihrer Schwestergesellschaft TMT Metals AG auch im physischen Metallhandel aktiv.
FundResearch: Warum befinden sich Rohstoffe, insbesondere Öl, auf dem derzeitigen Preisniveau?
Eibl: Hier kommen viele Faktoren zusammen: Auf der einen Seite hat China wiederholt enttäuscht und auch Europa schwächelt. Auf der anderen Seite kommen jetzt aufgebaute Überkapazitäten an den Markt: Die Pipelines in den USA sind randvoll und der Iran öffnet sich. Gleichzeitig können wir eine sehr hohe Liquidation beobachten: Anleger verlassen den Markt scharenweise. Natürlich hat jeder Zyklus seine Hochs und Tiefs. Vor allem interessant ist der Ausverkauf bei den großen Blue-Chips. Diese Unternehmen produzieren unter anderem 30 bis 40 Prozent der weltweit benötigten Kohle oder Eisenerz – und diese Rohstoffe werden weiterhin benötigt.
FundResearch: Wie sieht ein typischer Öl-Zyklus aus?
Eibl: Jeder Zyklus läuft ähnlich ab: Es beginnt mit einer initialen Expansionsphase: Zu viel Nachfrage trifft auf ein geringes Angebot. Es folgt eine Gegenreaktion, sie nimmt etwa die Hälfte des Preisanstiegs wieder weg. Teilweise ist diese Phase mit Krisen gepaart und korrespondiert fast immer mit einem Hoch des Ölpreises. Anschließend wird eine Korrekturphase eingeläutet, eine zweite Schubphase. Sie fällt jedoch deutlich schwächer aus als die Erste und dauert weniger lange. In der letzten Zyklusphase treffen schließlich Überkapazitäten auf einen schwächelnden Markt. Diese müssen sich über einen gewissen Zeitraum abbauen. In dieser Phase des größten Abschwungs stecken wir gerade.
FundResearch: Welche Folgen hat das?
Eibl: Es gibt bereits Fälle, da müssen sie noch was oben drauf legen, damit ihnen das Öl abgekauft wird. Die Frage ist natürlich: Wo soll das Überangebot an Öl hin? Derjenige, der noch Kapazitäten hat, verlangt natürlich High-Quality-Öl, weil er es billig bekommen kann. Low-Quality-Öl dagegen braucht keiner mehr – die Preise stürzen ab.
FundResearch: Wie sieht die Lage langfristig aus? Die Forward-Kurve zeigt aktuell am langen Ende noch Preise zwischen 40 und 50 US-Dollar. Hier scheint der Markt noch nicht kapituliert zu haben?
Eibl: Mein Rat: Gehe das lange Ende short. Die Kurve wird sich verflachen. Fakt ist: Die Rollinvestoren am langen Ende gibt es nicht mehr oder nur noch in sehr kleiner Zahl. Der Low-Cost-Produzent und der Marginal-Cost-Produzent hedgen aber noch. Der Käufer dagegen sieht die Preise jeden Tag und sagt sich: Ich warte. Fluggesellschaften beispielsweise hedgen nicht mehr. Das führt zu einer Rechtsschiefe der Normalverteilung: Sie sehen einen Überhang an Verkäufen am Markt. Öl ist auf lange Sicht derzeit zu teuer.
FundResearch: Wie wird das, Stichwort Fracking in den USA, ausgehen?
Eibl: Es gibt sicherlich Unternehmen, die auch bei 20 oder 30 US-Dollar noch profitabel sind. Ich glaube jedoch, dass die USA gar nicht das große Thema sind. Die Entwicklung wird vor allem durch politische Ziele bestimmt: Die Saudis scheinen den USA ihre Abhängigkeit unter die Nase reiben zu wollen und die USA versuchen die Russen unter Druck zu setzen – der Ukraine-Konflikt ist ja nach wie vor ungelöst. Schließlich muss man bedenken: Alle Parteien haben eigentlich ein starkes Interesse an einem hohen Ölpreis. Jetzt haben sie alle Spieler auf dem Schlachtfeld: Russland, Saudi-Arabien, die USA und den Iran. Dazu kommt: Viele Parteien sind in militärische Konflikte verwickelt: Die Saudis schmeißen Bomben in den Jemen, Syrien brennt, die Ukraine ebenfalls und zwischen dem Iran und Saudi-Arabien kühlt sich die Stimmung immer weiter ab. Dazu ein Ölpreis unter 80 US-Dollar: Hätten Sie mir das vor ein paar Jahren prophezeit, ich hätte gedacht, dass Sie nicht ganz beieinander sind.
FundResearch: Der derzeitige Ölpreis muss aber doch langfristig wehtun?
Eibl: Das tut er auch. Bei 40 US-Dollar hält sich die Industrie am Leben, darunter wird es für die meisten schmerzhaft. Es besteht also durchaus ein Interesse, wieder ein Gleichgewicht zu finden. Die sinkenden Ölpreise haben Saudi-Arabien bereits ein erhebliches Loch in die Staatskasse gerissen. Diese Einnahmen sind aber notwendig, um die Gesellschaftsstrukturen aufrecht zu erhalten. Ohne Öleinnahmen werden sie brüchig. In zehn Jahren wird Saudi-Arabien daher in der heutigen Form nicht mehr bestehen. Im Gegensatz zum Iran haben sie keine Industrie, sie leben ausschließlich vom Öl. Das ist ein Pulverfass.
FundResearch: Wenn alle höhere Ölpreise brauchen, dann heißt das also, dass die Preise wieder steigen werden?
Eibl: Der Markt handelt nur in Wahrscheinlichkeiten. Derzeit sieht der Markt keine Wahrscheinlichkeit für eine Ölpreisexplosion, auch wenn sie da ist. Hinzukommt: Bei den heutigen Preisen fallen prozentuale Veränderungen wie eine Verdopplung der Preise auch nicht mehr so stark auf.
FundResearch: Sollte man also jetzt in Rohstoff-Aktien investieren?
Eibl: Nein, davon rate ich ab. Obwohl sie günstig aussehen, machen Aktien auf diesem Niveau keinen Sinn. Die Unternehmen sind bereits stark verschuldet und werden voraussichtlich weitere neue Schulden aufnehmen müssen. Kapitalerhöhungen werden ebenso auf der Agenda stehen. Im Konflikt Aktionär versus Bond-Holder steht der Bond-Holder also besser da. So lautet aktuell die Devise: Kaufe Anleihen von Rohstoffunternehmen. Denn sollten diese Unternehmen Pleite gehen, gehen die Assets nicht verloren. Sie wechseln nur den Besitzer. Große Rohstofffirmen werden zudem immer Geld bekommen. Im Zweifel werden sie privatisiert.
FundResearch: Wie sollten Anleger also vorgehen?
Eibl: Das Timing ist entscheidend: Aktuell bieten Anleihen eine hohe Stabilität gepaart mit guter Rendite. Mit der Verflachung der Kurve sollten sie sich dann hin zu Rohstoff-Futures orientieren. Wenn sich die Lage schließlich beruhigt hat werden Rohstoffaktien wieder attraktiv.
FundResearch: Das klingt sehr aufwendig…
Eibl: Durchaus. Aber wir glauben, dass 2016 die alten, gängigen Produkte nicht mehr die richtige Antwort auf die aktuellen Entwicklungen sind. Mit einem Produkt, das sich an die eben beschriebene Logik hält, wollen wir, als Spezialisten für Fixed-Income, Aktien und Rohstoffe, Anlegern eine neue, wie wir glauben bessere, Antwort geben. Die kommende Rohstoffbewegung müssen wir anders adressieren.
(TL)
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