"Ich bin überzeugt: Niemand muss den Menschen mehr
vorschreiben, wann sie in Rente zu gehen haben - auch weil die Lebensläufe
immer unterschiedlicher werden", sagte Vogel der Deutschen Presse-Agentur
in Berlin. Zuvor hatte sich Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) dafür
ausgesprochen, dass künftig mehr Menschen als bisher tatsächlich bis zum
geltenden Renteneintrittsalter arbeiten.
Vogel sagte: "Das Land, dass hier in Europa am
erfolgreichsten ist, ist Schweden mit seinem Modell des flexiblen
Renteneintrittsalters." In Schweden können die Bürgerinnen und Bürger
innerhalb eines Korridors entscheiden, wann sie in Rente gehen möchten. Je
früher man geht, desto weniger Rente erhält man.
Vogel sagte, Schweden erreiche so das höchste faktische
Renteneintrittsalter in Europa sowie mehr Selbstbestimmung für die Menschen.
Dabei gelte in Schweden eine ganz einfache Regel: "Wer eher in den
Ruhestand geht, erhält weniger Rente, wer später geht, erhält mehr." Vogel
forderte: "Daran sollten wir uns auch hier orientieren." Die FDP
fordere dies schon lange.
Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil warb ebenfalls
für mehr Flexibilität. "Am besten wäre ein System, in dem Menschen ab einem
bestimmten Alter selbst entscheiden, wie lange und wie viel sie arbeiten
wollen", sagte der SPD-Politiker dem "Tagesspiegel" (Dienstag).
"Aber wer nicht mehr weiter arbeiten kann oder will, muss auch früher
gehen und von seiner Rente leben können."
Vogel bescheinigte Bundeskanzler Scholz, mit der Frage des
längeren Arbeitens eine wichtige Debatte angestoßen zu haben. Scholz hatte den
Zeitungen der Funke Mediengruppe und der französischen Zeitung
"Ouest-France" (Sonntag) gesagt: "Es gilt, den Anteil derer zu
steigern, die wirklich bis zum Renteneintrittsalter arbeiten können. Das fällt
vielen heute schwer."
Vogel, der auch parlamentarischer Geschäftsführer der
FDP-Fraktion ist, erinnerte daran, dass die Ampel diese Debatte schon während
der Koalitionsverhandlungen geführt habe. Im Koalitionsvertrag sei vereinbart
worden, zum skandinavischen Modell einen Dialogprozess zu führen. "Auch
dieses Vorhaben des Koalitionsvertrags sollten wir diese Legislatur
entschlossen angehen", forderte Vogel.
SPD, Grüne und FDP hatten damals angekündigt, mit den
Sozialpartnern einen Dialog darüber zu führen, wie Wünsche nach längerem
Verbleib im Arbeitsleben einfacher verwirklicht werden können. In die Debatte
einbeziehen will die Ampel neben einem flexiblen Renteneintritt nach
skandinavischem Vorbild auch die Situation belasteter Berufsgruppen.
Verdi-Chef Frank Werneke forderte, die Finger von Regelungen
zu lassen, die einen früheren Renteneintritt ermöglichen. "Viele Menschen
gehen früher in Rente und nehmen dafür hohe finanzielle Einbußen in Kauf, weil
sie darin den einzigen Ausweg aus einer Arbeitsbelastung sehen, die sie nicht
bis zum Rentenalter stemmen können", sagte er der "Stuttgarter
Zeitung" und den "Stuttgarter Nachrichten" (Dienstag).
Eine weitere Anhebung des Rentenalters hatte die Ampel im
Koalitionsvertrag zugleich ausgeschlossen. Nach geltender Rechtslage wird die
Altersgrenze ohne Renten-Abschläge bis 2029 schrittweise von 65 auf 67 Jahre
angehoben.
Vor rund einem Monat hatte der Arbeitgebervertreter im
Bundesvorstand der Rentenversicherung, Alexander Gunkel, verlangt, die
Altersgrenze für die Rente solle neu auf den Prüfstand kommen. Gunkel verwies
darauf, dass eine Regierungskommission zur Zukunft der Rente bereits 2020
empfohlen hatte, dass es 2026 eine neue Bewertung zum Thema einer möglichen
Anhebung der Altersgrenzen gebe solle.
Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) hatte angekündigt,
zeitnah ein Rentenpaket II vorzulegen. Dies soll die Weichen für eine
langfristige Stabilisierung der Rente stellen, auch wenn immer mehr Angehörige
geburtenstarker Babyboomer-Jahrgänge in Rente gehen.
Quelle: dpa-AFX
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