Mit bangem Blick beobachten Investoren die Finanzmärkte: Woher sollen in einem Umfeld von Null- und Negativzinsen sowie auf breiter Front einbrechenden Unternehmensgewinnen in Zukunft die Renditen kommen? J.P. Morgan Asset Management gibt in einer aktuellen Analyse teilweise Entwarnung.
13.05.2020 | 15:00 Uhr von «Christian Bayer»
Seit mehr als zwei Jahrzehnten wagt J.P. Morgan in einer jährlich im November erscheinenden
Analyse einen Blick in die Zukunft. Mit den Long-Term Capital Market
Assumptions (LTCMA) werden die Risiko- und Ertragserwartungen der kommenden
zehn bis 15 Jahre ins Auge genommen. Zum ersten Mal seit 24 Jahren
veröffentlichen die Kapitalmarkt-Experten nun außerhalb des jährlichen Turnus
eine aktuelle Einschätzung. Der Grund ist die Corona-Pandemie, die die Karten
für die Wirtschaft neu gemischt und die Aktienmärkte nach unten gezogen hat. „Wir
haben nicht die Prognosen selbst verändert, sondern uns darauf fokussiert
aufzuzeigen, wie die deutlichen Bewegungen der Vermögenspreise den
langfristigen Ausblick für die erwarteten Erträge - und im zweiten Schritt für
die Portfoliokonstruktion - verändert haben“, so die Strategen.
Aus Sicht von
J.P. Morgan scheint die Makro-Situation von Ende 2019 mit dem Abflauen der
Handelskonflikte zwischen den USA und China aufkommende wirtschaftliche
Optimismus nur noch wie eine ferne Erinnerung. Die Weltwirtschaft habe sich
damals in der Spätphase einer rekordverdächtig langen Expansion und
bemerkenswerten Hausse befunden. „Die Kombination aus lockerer Geldpolitik und
gedämpftem Geschäftsklima schuf die Voraussetzung für die künstliche
Verlängerung eines bereits weit fortgeschrittenen Zyklus. Von einer
langfristigen Perspektive aus betrachtet, waren die prognostizierten
Anlageerträge mit steigenden Bewertungen einem unausweichlichen Druck
ausgesetzt, während zugleich die Zinssätze infolge der außergewöhnlich lockeren
Geldpolitik immer weiter sanken“, so die Asset Manager.
Die aktualisierte Analyse legt ihren Schwerpunkt auf die Marktbewegungen im
März 2020, als die Aktienmärkte vom Hausse- in den Baissemodus gewechselt sind.
Mit Blick auf eine teilweise Erholung im April erwartet J.P. Morgan auch weiter
eine hohe Volatilität an den Aktienmärkten. „Da Marktneubewertungen bewegliche
Ziele sind und bleiben, interessiert uns vor allem auch, wie sensibel die
langfristigen Renditeprognosen auf die neuen Einstiegspreise reagieren“, so die
Experten. Mit Blick auf die Aktienmärkte sehen sie auf breiter Front einen
Anstieg der Aktienerträge auf Sicht von zehn bis 15 Jahren um 100 bis 250
Basispunkte.
Für globale Aktien in US-Dollar wurde mit Stand vom 31. März eine
Rendite von 8,1 Prozent erwartet, gegenüber 6,5 Prozent am 30. September 2019. Den
höchsten Anstieg der Ertragserwartungen im Aktien-Segment sehen die Experten
bei den Large Caps der Eurozone, gerechnet in der Gemeinschaftswährung. Mit
Ende März 2020 lagen hier die jährlichen Ertragserwartungen bei 8,2 Prozent,
während sie im September 2019 noch 5,8 Prozent betragen haben. „Dies mag
angesichts der jüngsten Kommentare über die Risiken im Zusammenhang mit
Gewinnen, Dividenden und Aktienrückkäufen nicht gerade logisch erscheinen“,
räumen die Experten ein.
Trotzdem halten sie mit Blick auf die Gewinntrends der
Unternehmen, die mit dem langfristigen potenziellen Wachstum korrelieren, an
ihrer Einschätzung fest. J.P. Morgan geht nicht davon aus, dass die
Einschränkungen der Cash-Ausschüttungen nach dem Ende von Krise und Rezession
noch lange anhalten werden: „Obwohl in bestimmten Regionen und Sektoren die
Auszahlungen kurzfristig unter Druck stehen, halten wir dies für kein
dauerhaftes Thema, weil der Schock nicht das Ergebnis eines unternehmerischen
Fehlverhaltens ist.“
Aus Sicht der Kapitalmarkt-Strategen verbessern sich die Erträge der
Unternehmensanleihen umgekehrt proportional zur jeweiligen Kreditqualität: „Unter
dem Strich steigen die Ertragserwartungen aus Unternehmensanleihen, in einigen
Fällen nähern sie sich sogar denen von Aktien an. Zugleich sinken die Erträge
von Staatsanleihen, die in den meisten Fällen real sogar negativ sind.“ Mit
Stand vom Ende März 2020 sehen die Experten eine langfristige
Ertragsentwicklung bei US-High Yields von 6,9 Prozent. Zum 30. September waren
es nur 5,2 Prozent.
Die Asset Manager sind auch in Zukunft von der Fortsetzung des aktuellen Trends überzeugt, dass Cashflows aus alternativen Anlagen und Immobilien zunehmend die Erträge aus Anleihe-Kupons ersetzen. Die vergangenen Wochen sehen sie als eine der massivsten Zäsuren aller Zeiten, aber auch als Beginn eines neuen Zyklus. „Dieser neue Zyklus wird seine ganz eigenen Charakteristika aufweisen, und wir werden in Zukunft sicherlich Themen wie Technologie, Nachhaltigkeit, Verteilung der Erträge zwischen Kapital und Arbeit, Reflation und eine Rotation der Anlagestile intensiver betrachten“, prognostizieren die Kapitalmarkt-Strategen.
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Quelle: BÖRSE ONLINE
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