Weil Rentenpolicen mit ihren schlechten Rentenfaktoren kaum wettbewerbsfähig mit guten Tages- und Festgeldangeboten sind, wollen Lebensversicherer Kunden mit flexibleren und vielfältigen Tarifen anlocken. Das müssen Berater wissen.
23.11.2023 | 07:15 Uhr von «Ulrich Lohrer»
Der Absatz von Rentenversicherungen ist rückläufig: 2022 wurden elf Prozent weniger Renten- und Pensionsversicherungen abgeschlossen als noch im Jahr zuvor. Die versicherte Summe sank um 4,7 Prozent. „Die lange herbeigesehnte Zinswende macht Lebensversicherern jetzt zu schaffen. Auf den ersten Blick scheint sogar Tagesgeld attraktiver zu sein als eine Investition in zusätzliche Altersvorsorge“, sagt Michael Franke, Gründer und geschäftsführender Gesellschafter des Versicherungsanalysten Franke und Bornberg. Zugleich verwandelten sich Bewertungsreservender Versicherer in stille Lasten. Denn die klassischen Tarife der Rentenversicherungen investieren ihren Deckungsstock zu einem überwiegenden Anteil in Anleihen mit langen Restlaufzeiten, deren Kurse aufgrund der Zinserhöhungen tief gefallen sind. In den Genuss der Zinserhöhungen kommen dagegen die Anleger zunächst nicht. Die garantierten Höchstrechnungszinsen werden nur zeitverzögert angepasst. Aktuell wird für die in diesem Jahr abgeschlossenen klassischen Rentenversicherungen ein Rechnungszins von gerade mal 0,25 Prozent garantiert. Dabei bezieht sich die Garantie nicht auf den eingezahlten Beitrag, sondern auf das durch Abschluss-, Risiko- und Verwaltungskosten geschmälerte Anlagekapital. Die Realverzinsung nach Inflation ist für die Versicherten daher tiefrot.
Verwirrende Tarifvielfalt unter den Rentenversicherungen
„Für die meisten Menschen bleibt private Vorsorge unverzichtbar. Und nur die wenigsten können sich einen schlechten Tarif leisten“, sagt Michael Franke. Das Altersvorsorge-Rating 2023 von Franke und Bornberg erhebt den Anspruch, den Auswahlprozess zu unterstützen. „Es liefert verlässliche Aussagen zur Qualität von Rentenversicherungen über alle drei Schichten der Altersvorsorge“, so die im Oktober veröffentlichte Pressemeldung zu dem Altersvorsorge-Rating 2023. Dafür haben die Analysten 429 Rententarife von 57 Anbietern untersucht. Kategorisiert werden die Rentenversicherungen zum einen nach dem sogenannten Schichtenmodell der Altersvorsorge und zum anderen nach dem Konzept der Kapitalanlage.
Das Schichtenmodell unterteilt die Altersvorsorge in die drei Schichten der gesetzlichen Rentenversicherung und berufsständischen Versorgung (1. Schicht), der geförderte kapitalgedeckte Zusatzversorgung mit den Riester-Verträgen und der Varianten der betrieblichen Altersvorsorge (2. Schicht) sowie der „sonstigen Altersvorsorge“ mit der privaten Rentenversicherung, Kapitallebensversicherung und den Fondssparplänen (3. Schicht). Der ersten Schicht wird auch die analog den Riester-Verträgen nachgelagert versteuerte geförderte Basisrente (auch als „Rürup-Rente“ bezeichnet) für Selbständige zugeordnet. Komplexer sind die Rentenkonzepte nach Art der Kapitalanlage. Dominierten vor zwei Jahrzehnten noch sogenannte klassische Rententarife, deren Deckungskapital weitgehend in festverzinsliche Anleihen investiert werden und deren Kapitalanlage eine vom Zeitpunkt des Vertragsabschlusses abhängige Garantieverzinsung erbringen muss, wurden im Zuge der jahrzehntelangen Niedrigzinspolitik der Europäischen Zentralbank Rentenversicherungen mit deutlich geringeren oder gar keinen Garantien auf den Markt gebracht.
Viele dieser Anlagemodelle wie „beitragsorientierter Hybrid“ oder „garantieorientierter Hybrid“ kombinieren verschiedene Anlagetöpfe und sind häufig so komplex ausgestaltet, dass sie oft nicht für die Vermittler, geschweige den von den Anlegern nachvollziehbar sind. Indexpolicen suggerieren, dass sie wie Indexfonds einen bestimmten Aktienindex abbilden und die Anleger von dessen Wertentwicklung profitieren. Tatsächlich werden häufig nur Überschussanteile eines konventionell investierten Deckungskapitals in die Aktienindices reinvestiert, weshalb Indexpolicen enttäuschende Renditen haben. Die besten Gewinnchancen versprechen unter den Rententarifen die Fondsrente, wobei die Rendite in Aktienfonds häufig wegen hoher Kosten auf Versicherungs- und Fondsebene oder durch schlechte Ergebnisse der angebotenen gemanagten Fonds im Vergleich zu ETF-Sparplänen enttäuschend ausfällt.
Daher überrascht es, dass im Altersvorsorge-Rating 2023 von Franke und Bornberg jede dritte der 259 bewerteten Privatrenten (3. Schicht) mit der Höchstnote FFF+ bewertetet wurden. Die häufigsten Bestnoten erhielten im Rating von Franke und Bornberg dabei die Fondspolicen (siehe Grafik). Am schlechtesten schneiden in der 3. Schicht die Tarife der Kategorie Klassik ab. Knapp ein Drittel (30,4 %) aller Klassiktarife erhalten die Note F+ (ausreichend) oder schlechter. Unter den 153 untersuchten Basisrenten (1. Schicht) wurden dagegen sogar 58 Prozent der Tarife mit der Höchstnote bedacht, während in der einst umsatzstarken Sparte der Riesterrenten (2. Schicht) nur eine kleine Anzahl von 17 Tarifen zur Wahl standen. Ein Grund für die weitgehend gute Bewertung der Tarife dürfte sein, dass angesichts der vielen Bewertungskriterien (16) Kriterien wie finanzielle Stabilität des Unternehmens, Beitragszahlung, Flexibilität zum Rentenbeginn, Zuzahlungen, die tatsächlich die Rentenhöhe bestimmende Faktoren (Überschussbeteiligung, Garantieausprägung) in der Gesamtnote einen relativ kleinen Anteil einnehmen.
Niedrige Rentenfaktoren drücken die Rentenhöhe im Verhältnis zum Kapital
Wer erwägt, eine private oder betriebliche Rentenversicherung abzuschließen, der sollte zunächst auf den Rentenfaktor achten. Er bestimmt, wie viel Monatsrente aus einem dem zur Verfügung stehenden Kapital zum Rentenbeginn gezahlt wird und wird pro 10.000 Euro angegeben. Bei einem Rentenfaktor von 30 erhält der Versicherte zum vereinbarten Termin aus 100.000 Euro eine lebenslange monatliche Rente von 300 Euro. Liegt der Faktor bei 25, beträgt die Rente nur 250 Euro im Monat. Bei der am häufigsten verbreiteten aufgeschobenen Rentenversicherung, bei dem das Kapital in der Aufschubzeit zuerst angespart wird, wird häufig der sogenannte „aktuelle Rentenfaktor“ angegeben. Dieser ist allerdings nicht garantiert und kann deshalb später zum Rentenbeginn auch niedriger ausfallen. Wird ein garantierter Rentenfaktor angegeben, fällt dieser oft deutlich geringer aus, da der Versicherer dafür in der Regel einen Sicherheitsabschlag vornehmen.
In einer älteren Untersuchung hat Frank und Bornberg auch die Rentenfaktoren 2021 und 2022 untersucht. Die Rentenfaktoren von 2023 sind dabei noch nicht enthalten. Im Vergleich von 2022 zu 2021 ist der aktuelle Rentenfaktor bei fast allen Gesellschaften gesunken. Lag er 2021 im Durchschnitt noch bei 29,09 Euro, beträgt er 2022 nur noch 25,97 Euro – ein Rückgang von 3,12 Euro oder 10,73 Prozent! Bei 100.000 Euro Ausgangskapital fehlen also Monat für Monat 31,20 Euro versicherte Rente. Allerdings liefern nicht alle Unternehmen Werte. Den höchsten aktuellen Rentenfaktor bot 2022 die Condor Lebensversicherung mit einem Faktor von 26,61 Euro, den niedrigsten Wert bot die Bayerische Lebensversicherung mit ihrer nachhaltigen Produktlinie Pangaea Life mit 20,43 Euro. Unter den Lebensversicherer, die einen garantierten Rentenfaktor angaben, schnitt die WWK mit 25,93 Euro an der Spitze. Wie gering die Rente aus den aktuellen und garantierten Rentenfaktoren ist, wird einem aber erst bewusst, wenn die daraus resultierende Rentenzahlung in das Verhältnis zum Kapital gesetzt werden. Aus dem aktuellen Rentenfaktor von 26,61 der Condor resultiert aus einem Kapital von 100.000 eine jährliche Rentenzahlung von 3193,20 Euro.
Wird dasselbe Kapital für einen Zins von 3,1932 Prozent angelegt, ergibt sich pro Jahr dieselbe Auszahlung. Mit einem entscheidenden Unterschied. Die Rentenversicherung zahlt die Rente nur lebenslang aus und behält das Kapital. Der Aktuar Axel Kleinlein kritisiert die Lebensversicherer, dass die private Rente sich oft nur für Hundertjährige rechnet. Vergleicht man die Rentenfaktoren zudem mit der aktuellen Verzinsung der Spitzenangebote von Tages- und Festgeld, so liegen diese zum Teil sogar bei 3,5 Prozent oder 4,00 Prozent. Es ist ganz offensichtlich, dass die private Rente aktuell für die Anleger ein schlechtes Geschäft ist, zumal auch die Kosten für die Anlage in der Ansparphase oft deutlich höher als bei günstigen Fondssparplänen sind.
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