Das Coronavirus-Tagebuch: Marc Cujai, Vermögensverwalter

FundResearch dokumentiert den derzeit nicht alltäglichen Alltag von Finanzprofis. Heute: Marc Cujai. Der Vermögensverwalter betreut von Liechtenstein aus vor allem Fußballprofis.

20.03.2020 | 10:15 Uhr

Herr Cujai, wie sieht Ihr Tag aus?

Marc Cujai: In diesem Augenblick stehe ich gerade in meinem Garten, wo meine Kinder um mich herumtoben (siehe Bild oben, Anm. d. Red.). Die Kinderbetreuungs-Einrichtungen und Spielgruppen sind geschlossen. Da muss man ein wenig kreativ werden. Ich stehe jetzt um halb sechs Uhr morgens auf, mache ein wenig Sport. Dann geht es los mit den Kindern und der Arbeit. Mittags übernimmt meine Frau die Betreuung. Sie ist Projektmanagerin und teilt sich ihre Arbeit im Moment auch entsprechend flexibel ein. Man kann durchaus sagen: Das Coronavirus hat unseren Tagesablauf ganz schön verändert.

Wie rigoros ist Liechtenstein mit der Umsetzung von Maßnahmen gegen das Virus?

Marc Cujai: An der Grenze zu Österreich gibt es Kontrollen, kleinere Grenzübergänge sind gesperrt. Die Wege in die Schweiz sind nach wie vor offen. Da gibt es de facto durch den Zollvertrag von 1923 ja gar keine Grenze. Und in Liechtenstein sind seit Donnerstag alle Läden dicht. Das ist schon gespenstisch. Die Ämter sind theoretisch noch offen, aber für den Publikumsverkehr geschlossen. Ich schmeiße meine Unterlagen in den Briefkasten. Es herrscht zwar noch kein offizielles Ausgehverbot. Aber ich denke, das könnte in der 

Schweiz noch kommen – und dann in der Konsequenz vermutlich auch hier. Der Schweizer Bundesrat hat bei der Verstärkung der letzten Maßnahmen schon gesagt, dass die Bürger leider teilweise den Ernst der Lage noch nicht begriffen haben. Die Schweiz hat aus meiner Sicht wesentlich früher und rigoroser als Deutschland gehandelt. Da es jedoch in westlichen Ländern nicht so einfach ist, einen totalen Shutdown zu beschließen, werden wir das im Vergleich zu China wohl mit einer längeren Ausnahmesituation bezahlen müssen.

In der Schweiz und in Liechtenstein gibt es derzeit insgesamt fast 4.000 Fälle und 33 Tote durch das Coronavirus. Für ein so kleines Land ist das eine vergleichsweise hohe Zahl. Im Verhältnis zur Bevölkerungszahl hat die Schweiz die zweitmeisten Ansteckungsfälle in Europa. Wie kommt das?

Marc Cujai: Ich bin kein Virologe. Die Frage müssen andere beantworten. Aber ein Faktor dürfte sicher eine eigentliche Stärke der Schweiz sein: der gut ausgebaute öffentliche Nahverkehr. Die Menschen fahren viel Bus und Bahn. In Zeiten, in denen ein hoch ansteckender Virus umgeht, ist das jedoch leider ein Gefahrenmultiplikator. Es ist natürlich nicht einfach, der Bevölkerung nun klar zu machen, dass sie Busse und Bahnen meiden sollen, nachdem man gerade in den letzten Jahren gepredigt hat, wie sinnvoll die Verlagerung des Individualverkehrs auf den öffentlichen Bereich ist. Aber so ist es jetzt nun mal. Was mich betrifft: Ich muss nicht viel reisen. Meine Arbeitsgeräte sind Telefon und Laptop. Damit bin ich zum Glück flexibel.

Die meisten ihrer Kunden sind professionelle Sportler, vor allem Fußballer aus den oberen Ligen. Die haben derzeit ja viel Zeit, um sich die Entwicklung der Börsenkurse anzusehen. Sind die nervös, wenn sie die Nachrichten sehen?

Marc Cujai: Zum Glück nicht. Aber sie haben auch keinen Grund dazu. Wir investieren grundsätzlich sehr konservativ. Denn wir haben den langfristigen Vermögensaufbau für eine Kundschaft im Blick, die in jungen Jahren zwar gut verdient, nach einer vergleichsweise kurzen aktiven Laufbahn dann aber größtenteils vom Ersparten leben muss. Verantwortungsvolles Risikomanagement ist da sehr wichtig. Das hat in diesem Fall sehr gut funktioniert. Wir haben unsere Aktienpositionen noch rechtzeitig und umfangreich mit Shorts auf den DAX-Future abgesichert. Unsere Mischfonds haben etwa zwei Prozent verloren, die Aktien sind dank der Absicherung nur mit etwa zehn Prozent im Minus. Unsere Sportler schauen also sehr entspannt auf die dramatischen Entwicklungen an der Börse. 

Sind sie auch entspannt beim Blick auf die Entwicklungen in ihren Vereinen? Es heißt, der vorübergehende Shutdown der Stadien oder gar eine vorzeitige Beendigung der Liga-Runden könnte vielen Vereinen das Genick brechen. Denken die Großverdiener der Bundesliga, also die Spieler, angesichts dieser Diskussion über Gehaltsverzicht nach?

Marc Cujai: Das ist ein vielschichtiges Thema. Tatsächlich wird das auch mal unter den Profis diskutiert. Viele von ihnen denken sehr verantwortungsvoll und sind sich sehr bewusst, dass sie international zu den Spitzenverdienern gehören. Und die Spieler, die ich kenne, sind auch sozial sehr stark engagiert. Mal davon abgesehen: Gefährdet sind nicht die großen Vereine, die hauptsächlich von Fernsehgeldern und manchmal auch teuren Transfers leben. Vereine wie Bayern München oder Borussia Dortmund werden diese Saison auch dann gut überleben, wenn nur noch Geisterspiele stattfinden würden. Dramatisch sieht es dagegen in den unteren Ligen aus, wo Zuschauereinnahmen die Haupteinnahmequelle sind. Deshalb ist die Idee, auf Gehälter zu verzichten, um einen Solidarfonds zu gründen, tatsächlich gerade für die zweite bis vierte Liga und deren Angestellten ein Thema. Fakt ist: Meine Kunden müssen weder an ihrer Karriereplanung noch an ihrer Vermögensstrategie derzeit etwas ändern.

Denken Sie darüber nach, bald wieder offensiver vorzugehen und Aktien zu kaufen?

Marc Cujai: Wie gesagt: Wir denken insgesamt eher defensiv. Aber wir beobachten die Entwicklung sehr genau. Es gibt hoch profitable Unternehmen, deren Aktienkurs innerhalb von wenigen Tagen um 50 Prozent eingebrochen ist. Das steht nicht mehr im richtigen Verhältnis zum Wert dieser Unternehmen – selbst dann, wenn sie in diesem Jahr absehbar weniger verdienen als zuvor. Ein weiteres Beispiel für eine Übertreibung sind einzelne Anleihen. Es gibt fast nur noch Verkäufer. Deshalb sind die Kurse teilweise um 20 bis 30 Prozent zurückgegangen. Das sind jetzt für mutige Investoren Kaufgelegenheiten. Wir bleiben aus unserer Philosophie heraus jedoch abwartend. Wir waren früh auf der sicheren Seite und müssen nun nicht die ersten sein, die wieder einsteigen.

Wenn Sie es irgendwann wieder tun: Was sind Ihre Favoriten?

Marc Cujai: Da gebe ich keine pauschale Antwort. Aber ich denke, dass China und andere asiatische Länder die Corona-Krise konsequenter und besser meistern als Europa. Das könnte sich auch an der Börse auszahlen.

Herr Cujai, vielen Dank für dieses Gespräch.

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