Verfall des Ölpreises: Angebot, Nachfrage, Spekulation?

In den vergangen Monaten hat auch der Ölpreis für reichlich Wirbel an den Aktienmärkten gesorgt. Viel wurde über die Ursachen spekuliert. Ist es nun die Ölnachfrage oder das Ölangebot? Kai Carstensen, Professor für Ökonometrie an der Christian-Albrechts-Universität Kiel, hat die Antwort.

29.03.2016 | 06:45 Uhr

„Historisch gesehen“, sagt Kai Carstensen, „ist der Ölpreis gar nicht so niedrig“. Der Professor für Ökonometrie an der Christian-Albrechts-Universität Kiel zerlegt für die Teilnehmer der FondsConsult-Investmentkonferenz auf Schloss Elmau den Ölpreis in Angebots- und Nachfrageeffekte. 

Dabei zeige sich: „Die Korrelation zwischen Ölpreis und Ölangebot ist nicht sehr groß: Seit den 80er Jahren steigt die Ölproduktion stetig“. Ölpreisschwankungen könnten also nicht primär durch das Ölangebot verursacht werden. „Wesentlich stärker korrelieren dagegen der reale Ölpreis und der Preis für Schiffsfracht, ein globaler Konjunktur- beziehungsweise Nachfrage-Index, der sehr lange verfügbar ist.“ Die Schwankungen der beiden stimmen in vielen Perioden etwa überein. „Noch genauer kann man die Ursache aber durch ein statistisch-ökonometrisches Verfahren untersuchen, indem man den Ölpreis in seine einzelnen Teile, sprich Effekte, zerlegt.“ Spaltet man den Ölpreis in die drei Effekte Angebot (Schwankungen der Ölproduktion), aktuelle Nachfrage (Schwankungen der Ölnachfrage) und Schwankungen der Vorsichtsnachfrage, zeigt sich: „Die Schwankungen der Ölproduktion erklären nur einen sehr kleinen Teil vom Auf und Ab des Ölpreises“. Beobachtbare Veränderungen des Ölangebots hätten damit keinen wesentlichen Einfluss auf den Preisverfall. Die Schwankungen der Weltnachfrage und der Vorsichtsnachfrage dagegen können die Entwicklung des Ölpreises erklären. Die Vorsichtsnachfrage beschreibt die Erwartungen über das zukünftigen Verhältnis von Angebt und Nachfrage. Diese reale Spekulation kann zu einem Vorratsaufbau von Öl führen. „Der Ölpreisverfall kann besonders gut durch die Vorsichtsnachfrage erklärt werden: Offensichtlich haben die Marktteilnehmer bis 2014 eine Übernachfrage, das heißt Ölknappheit, erwartet und trotz hoher Preise ihre Lager aufgestockt.“ Mittlerweile erwarten die Marktteilnehmer aber ein Überangebot. „Sie sorgen sich auch, dass sie das relativ teuer eingekaufte Öl nicht mehr loswerden können. Die Vorsichtsnachfrage ist daher eingebrochen und zieht den Ölpreis mit runter.“ 

Konjunkturprogramm Ölpreisverfall

„Die heutige Preisentwicklung des Öls hängt zum Teil von weit zurückliegenden Ereignissen ab“, ergänzt Carstensen. Aktuelle Ereignisse sollten daher nicht überinterpretiert werden. „Was wir sehen ist nicht vollständig der aktuellen Entwicklung geschuldet,  sondern wurde schon vor einigen Quartalen vorbereitet.“ So können Entwicklungen von vor Juni 2014 für den Ölpreisverfall von Juni 2014 bis Januar 2016 verantwortlich sein. „Die Weltnachfrage nach Öl hat konjunkturbedingt seit Januar 2010 merklich zum Preisrückgang beigetragen, insbesondere in den vergangenen vier Monaten. Dieser Effekt wird auch noch nachwirken.“ Erfreulich daran: „Der Ölpreisrückgang wirkt wie ein kleines Konjunkturprogramm in Europa.“ Für 2016 erwartet der Forscher, dass die Ölrechnung in Europa um 0,5 Prozent des BIPs niedriger ausfallen wird.   

(TL)

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