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Expertenanalyse: „Die Rallye ist deutlich über das Ziel hinausgeschossen“

Die FED wartet noch ab
Analyse

Regelmäßig veröffentlichen führende Vermögensverwalter fundierte Einschätzungen zu den Finanz- und Kapitalmarktmärkten. Um einen Überblick zu erhalten, fasst TiAM FundResearch die wichtigsten Aussagen für Sie kompakt zusammen.

02.02.2024 | 13:20 Uhr von «Peter Gewalt»

Die Finanzmarktexperten analysierten vergangene Woche die Folgen des Zinsentscheids der FED auf die Aktien- und Anleihemärkte.

So kommentierte Paul Mielczarski, Leiter der globalen Makrostrategie bei Brandywine Global, Teil von Franklin Templeton, die Entscheidung der Fed:

„In seiner Stellungnahme nahm die Fed die restriktive Ausrichtung der Politik zurück und bestätigte, dass die Wachstums- und Inflationsrisiken nun besser im Gleichgewicht sind. Allerdings wies die Fed auch darauf hin, dass sie mehr Anhaltspunkte dafür benötigt, dass sich die Inflation in Richtung zwei Prozent bewegt, bevor sie die Zinsen senkt. Die Erklärung verringert die Wahrscheinlichkeit einer Zinssenkung im März. Es gibt bereits zahlreiche Anzeichen dafür, dass sich die Inflation und die Arbeitsmärkte nach den pandemiebedingten Schocks normalisieren. Die US-Wirtschaft nähert sich wieder einem Gleichgewicht von etwa zwei Prozent realem BIP-Wachstum und zwei Prozent Inflation. Durch eine schrittweise Senkung des Leitzinses in kleinen Schritten als Reaktion auf die sinkende Kerninflation dürfte die Fed in der Lage sein, die restriktiven geldpolitischen Einstellungen erfolgreich zu normalisieren. Der Beginn dieser Anpassung könnte sich um ein oder zwei Monate verzögern, aber wir sind zuversichtlich, was die Richtung angeht."

Quelle: Trading Economics

Tiffany Wilding, Managing Director und US-Ökonomin und Allison Boxer, Ökonomin beim Vermögensverwalter PIMCO erklären zum gleichen Thema:

„Die US-Notenbank hat auf ihrer Januar-Sitzung klar signalisiert, dass ihr nächster Schritt wahrscheinlich eine Zinssenkung sein wird. Den genauen Zeitpunkt hält sie sich noch offen, da sie die Fortschritte bei der Inflationseindämmung gegen die noch immer widerstandsfähige US-Wirtschaft abwägt. Die nächste Sitzung im März dürfte noch zu früh kommen.“

„Wir sind der Meinung, dass die Fed mit dem Beginn ihres Lockerungszyklus und einer Zinssenkung um 25 Basispunkte bis kurz vor Jahresmitte warten wird. Was die anschließenden Zinssenkungen betrifft, so deuten die jüngsten Projektionen der Fed (vom Dezember) auf eine Senkung um 25 Basispunkte bei jeder zweiten Sitzung hin. Allerdings könnte das Tempo auch noch an die jeweiligen makroökonomischen Entwicklungen angepasst werden.“

„Entscheidend für die Geldpolitik der Fed bleibt unserer Ansicht nach das Risiko, dass die Inflation über dem Zielniveau verharrt oder sogar wieder anzieht. Gleichzeitig stimmen wir der Einschätzung der Fed zu, dass sich die Risiken in letzter Zeit besser die Waage halten.“
„Wir glauben, dass die Rahmenbedingungen es der Fed ermöglichen sollten, ihre Bilanz bis voraussichtlich 2024 weiter abzubauen. Allerdings könnten bestimmte Entwicklungen im Bankensektor (größere Nachfrage nach Reserven, mögliche regulatorische Änderungen) auch dafürsprechen, dass es länger dauert, bis die Reserven das obere Ende der Schätzungen erreichen (verschiedenen Modellen zufolge 2 bis 3,5 Billionen Dollar). In diesem Fall würde die Fed langsam genug vorgehen, um auf sich verändernde Geldmarktdynamiken reagieren zu können.“

Quelle: Trading Economics

Nuveen-CIO Saira Malik meint zur Zinsentwicklung in den Vereinigten Staaten:

- „In den fast zwei turbulenten Jahren zwischen der ersten Zinserhöhung der Federal Reserve im März 2022 und Ende Oktober 2023 wurden die Märkte für festverzinsliche Wertpapiere besonders hart getroffen. Mittlerweile sehen die Aussichten für festverzinsliche Papiere wieder weitaus besser aus. Die Inflation liegt zwar nach wie vor über den Zielvorgaben der Zentralbanken, hat sich aber deutlich abgeschwächt. Und eine Rezession konnte bisher abgewendet werden. - Mit dem Bekenntnis, „datenabhängig“ zu bleiben, wird die Fed weiterhin vorsichtig vorgehen und auf weitere Anhaltspunkte warten, dass die Inflation weit genug gesunken ist, um eine Senkung der Leitzinsen zu rechtfertigen.
- Angesichts dieser Vorsicht der Zentralbanken - und im Gegensatz zu dem, was die Finanzmärkte derzeit einpreisen – ist Nuveen der Ansicht, dass die Wahrscheinlichkeit einer Zinssenkung durch die Fed im ersten Quartal 2024 gering ist und dass der mit Spannung erwartete geldpolitische Schwenk nicht vor Mitte des Jahres erfolgen wird.

- Nuveens Prognose zufolge wird die Rendite 10-jähriger US-Staatsanleihen von den aktuellen Niveaus aus fallen und 2024 bei etwa 3,50 Prozent enden. Dementsprechend hält der Vermögensverwalter eine Verlängerung der Duration in festverzinslichen Portfolios für ratsam.

- In einigen Investment-Grade-Sektoren liegen die Renditen inzwischen bei über fünf5 Prozent. Dieses Umfeld mit höheren Renditen führt zu einer größeren Streuung und schafft mehr Möglichkeiten, attraktive Renditen zu erzielen. Investment-Grade-Unternehmensanleihen bieten beispielsweise ein längeres Durationsprofil, und ihre höhere relative Qualität könnte einen Puffer bieten, wenn sich die Wirtschaft stärker abschwächt als Nuveen erwartet.

- Bei den Titeln unterhalb der Investment-Grade-Kategorie, die derzeit Renditen zwischen 7 Prozent und 9 Prozent bieten, konzentriert sich der Asset Manager auf höherwertige Segmente innerhalb der Sektoren. So bevorzugt Nuveen beispielsweise Emittenten von Hochzinsanleihen und vorrangigen Krediten mit BB-Rating. Die Zinsdeckungsquoten dieser Emittenten sind nach wie vor hoch, und sie haben die Fälligkeit ihrer Schulden gestaffelt, was das Refinanzierungsrisiko bei höheren Renditen verringert.

- Schließlich scheinen die globalen makroökonomischen Risiken heute ausgewogener zu sein, was ein Vorteil für Schwellenländeranleihen ist. Viele dieser Regionen und Länder weisen nach wie vor ein günstiges Wachstumsniveau auf, und einige wichtige Zentralbanken der Schwellenländer haben begonnen, die Leitzinsen zu senken.

Quelle: Trading Economics

Dieter Kaiser, Geschäftsführer bei Robus Capital, sieht den Höhenflug an den Finanzmärkten kritisch:

Die Aussicht der Notenbanken, die Zinsen in 2024 zu senken, hat die Hoffnungen der Marktteilnehmer in den letzten Wochen des Jahres 2023 bis in den Januar 2024 hinein beflügelt. Die Renditen von festverzinslichen Unternehmensanleihen sind angesichts der Erwartung einer sinkenden Basisrendite um 150 bis 200 Basispunkte zurückgegangen. Die Risikospannen bei Hochzinsanleihen haben sich im XOVER, dem wichtigsten Renditeindikator für den europäischen Hochzinsmarkt, von 373,5 Basispunkten auf 310,5 Basispunkte um über 17 % verengt. „Diese Rallye ist deutlich über das Ziel hinausgeschossen“, sagt Dieter Kaiser, Geschäftsführer bei Robus Capital. „Wir gehen weiter von Rückschlägen und Volatilität aus, was in den ersten Wochen des Jahres 2024 schon zu beobachten war. Die Aktienmärkte bewegen sich zwar auf Höchstständen wie zu Null- bzw. Niedrigzinszeiten, aber mit einer Rückkehr zum „einfachen Geld“ ist nicht zu rechnen. Wenn die Zentralbanken die Zinsen um 50-100 Basispunkte senken, was wir für realistisch halten, sind weitere stimulierenden Maßnahmen unwahrscheinlich. Die Risikoaufschläge dürften wieder steigen.“

Auch wenn die Inflation durch die niedrigeren Energiekosten schon deutlich zurückgegangen ist, sei die makroökonomische und politische Wetterlage noch komplexer geworden und beinhalte Schock-Potenzial für die Märkte. Mit dem Israel-Hamas-Konflikt sei ein weiterer Krisenherd neben dem Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine ausgebrochen. Resultierende Lieferketten-Probleme belasten den globalen Welthandel weiterhin wie protektionistische Tendenzen, wie sie sich auch im schwelenden Konflikt zwischen China und Taiwan abzeichnen. „Die Auswirkungen der Kriege und der Trend zur De-Globalisierung dürften sich perspektivisch in höheren Produktpreisen widerspiegeln und damit einem schnellen Absinken der Inflation entgegenwirken“, sagt Kaiser. Die Wirtschaftsprognosen für Deutschland seien angesichts der Rückerhöhung der Mehrwertsteuer in der Gastronomie und des reduzierten Staatshaushaltszusätzlich pessimistisch. Ökonomen erwarten, dass die deutsche Wirtschaft im zweiten Jahr in Folge schrumpft. Damit könnte sich die kritische Kerninflation in Deutschland als noch hartnäckiger als im Rest Europas erweisen.

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Die aktive Auswahl der mittelgroßen Anleihen mit hohen Kupons aus den Segmenten der nicht-gerateten Unternehmensanleihen, Hochzinsanleihen und Mid-Market Bonds erhöhe nicht nur die Chancen auf ein Performance-Plus. Auch die Absicherung auf der Grundlage von Diversifikation und Knowhow bleibt 2024 für Portfoliomanager Benjamin Noisser ein entscheidender Aspekt: „Die hohen Finanzierungskosten belasten die Unternehmen. Vor allen den Verbrauchern, die diese Kosten durch Preissteigerungen in großen Teilen mitgetragen haben, ist es zu verdanken, dass die Insolvenzen nicht weiter gestiegen sind“, sagt Noisser. „Doch wer wie wir konsequent und kontinuierlich genau hinsieht, der findet auch besondere Gelegenheiten. Mit sicheren und weniger volatilen Kreditinstrumenten kann man derzeit Renditen erzielen, die dem langjährigen Mittelwert der Aktienmärkte entsprechen. Wir haben seit über zehn Jahren kein so attraktives Umfeld für unsere wertorientierte Hochzins-Anlagestrategie gesehen.“

Quelle: Trading Economics

Die aktuelle Berichtssaison zeigt Licht un Schatten, meint Marc Decker, Head of Equities bei der Quintet Private Bank:

„Mittlerweile haben über 25 Prozent der US-Unternehmen, die im S&P 500 vertreten sind, ihre Zahlen für das Jahr 2023 vorgelegt. Allein im S&P 500 stehen diese Woche 106 Veröffentlichungen an. So konnten über 78 Prozent der US-Unternehmen, die ihre Zahlen bereits veröffentlicht haben, mit positiven Ertragsüberraschungen aufwarten, was auch dem langfristigen Durchschnitt entspricht. Mit 58 Prozent sehen die positiven Überraschungen beim Umsatz allerdings etwas schlechter aus. Aus dem Finanzsektor haben mit 62 Prozent relativ die meisten Unternehmen bisher ihre Zahlen vorgelegt. Bis auf den Kommunikationssektor konnten alle anderen Sektoren bisher bei den Ertragserwartungen positiv überraschen.

Die positiven Überraschungen sollten jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Gewinne im US-Markt insgesamt rückläufig sind. Das Minus liegt über alle Unternehmen hinweg bei 4,4 Prozent. Die stärksten positiven Wachstumsraten kamen aus den Sektoren Versorger (8,5 Prozent) und Technologie (6,5 Prozent), während die Branchen Grundstoffe (-29 Prozent) und Energie (-36 Prozent) in hohem Maße rückläufige Gewinne einfuhren. Das im Jahresvergleich geringere Wachstum der Ölpreise wirkte sich hier besonders aus.

Interessant ist, dass im insgesamt positiven Gesamtmarktumfeld der Aktienmarkt offensichtlich die negativen Gewinnüberraschungen nur unterdurchschnittlich bestraft und positive Gewinne überdurchschnittlich belohnt. Dies spricht für ein insgesamt positives Marktsentiment, das zugleich ein gutes Fundament für einen weiteren Aufwärtstrend bedeutet.

Diese Vorgaben aus den USA werfen die Frage auf, wie in Europa die Berichtssaison ausfallen wird. Hier haben bisher, gemessen am STOXX 600, ca. acht Prozent der Unternehmen berichtet, wobei der erste Eindruck deutlich schwächer ist als in den USA. So konnten bisher nur ein Drittel dieser Unternehmen positiv überraschen und im Aggregat lag die Abweichung vom Konsens mit minus 4,2 Prozent im deutlich roten Bereich. Zumindest konnten die Unternehmen bisher bei den Umsätzen leicht positiv überraschen. Beim Wachstum von Umsätzen und -Gewinnen sieht es jedoch schon deutlich besser aus. So konnten knapp zwei Drittel der Unternehmen beim Gewinnwachstum überzeugen und analog zu Ihren US-Pendants konnten beim Umsatzwachstum über die Hälfte der Unternehmen punkten.

Wir befinden uns zwar noch am Anfang der Berichtssaison in Europa, doch zeichnet sich bereits eine interessante Beobachtung ab: Die nachlassende Inflation, wenngleich gesamtwirtschaftlich sehnlich erwartet, könnte die Zahlen demnächst belasten, da die Unternehmensumsätze nominal ausgewiesen werden und die Lohninflation hinter der Preisinflation hinterherhinkt und erst noch komplett durchschlagen wird. Das könnte Druck auf die Margen bedeuten.

Auch wenn die Unternehmen in Europa bislang weniger stark positiv überraschen konnten als in den USA, so sind die Bewertungslevels auf beiden Seiten des Atlantiks unverändert als anspruchsvoll zu bezeichnen. Angesichts der tendenziell positiven Grundstimmung könnten die Bewertungen sogar noch weiter ansteigen. Fundamental müssen die Gewinne jedoch in den kommenden Quartalen sehr deutlich anziehen, um die Bewertungen zu rechtfertigen.

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