Jede Woche veröffentlichen führende Vermögensverwalter weltweit zahlreiche fundierte Einschätzungen zu den Finanz- und Kapitalmarktmärkten. Um einen Überblick zu erhalten, fasst TiAM FundResearch regelmäßig die wichtigsten Aussagen für Sie kompakt zusammen.
17.11.2023 | 12:15 Uhr von «Peter Gewalt»
Diese Woche analysieren die Finanzmarktexperten die Aussichten für Aktien und Anleihen in den kommenden Monaten.
So geben die Portfoliomanagerinnen
Geraldine Sundstrom und Erin Browne sowie Portfoliomanager Emmanuel S. Sharef von
Pimco In ihrer Analyse „Beste Zeit für Anleihen“ Einschätzungen zur Entwicklung
einzelner Assetklassen für 2024 ab:
„Nach einigen turbulenten Jahren mit hoher Inflation und steigenden
Zinsen, die den Portfolios zu schaffen machten, könnten Anleger im Jahr 2024 sowohl
an den Aktien- als auch an den Anleihenmärkten eine Rückkehr zu
konventionelleren Verhaltensmustern erleben – auch wenn das Wachstum in vielen
Regionen gehemmt ist.“
„Wenn man die Risiken eines teuren Aktienmarkts bedenkt, gibt es überzeugende
Argumente, die für eine Allokation in hochwertige Festzinspapiere sprechen.“
„In den vergangenen 20 Jahren war der S&P 500 mit einem
durchschnittlichen KGV von 15,4 über die nächsten zwölf Monate (NTM) bewertet.
Heute liegt diese Bewertungskennzahl mit 18,1 deutlich höher. Darin ist die
Einschätzung enthalten, dass der Gewinn je Aktie (EPS) im Lauf des kommenden
Jahres um zwölf Prozent zunimmt – eine Schätzung, die wir angesichts einer vor
einem potenziellen Abschwung stehenden Wirtschaft für ungewöhnlich hoch
halten.“
„Wenn man die sieben größten Technologieunternehmen bei der Berechnung
außen vorlässt, werden die übrigen Unternehmen im S&P mit einem KGV
gehandelt, das mit 15,6 NTM nahe dem langfristigen Durchschnitt liegt. Eine
entsprechende Differenzierung könnte attraktive Gelegenheiten schaffen, Alpha
über ein aktives Management zu generieren.“
„Besonders attraktiv ist die mittelfristige US-Duration. Des Weiteren
sehen wir hochinteressante Chancen in Australien, Kanada, Großbritannien und
Europa. Während die ersten beiden Nationen tendenziell anfälliger für
Zinsänderungen sind, da ein großer Teil der dortigen Eigenheimbesitzer variabel
verzinsliche Hypothekendarlehen bedient, steht den beiden Letzteren angesichts
der aktuellen makroökonomischen Daten vermutlich unmittelbarer eine Rezession
bevor als den USA.“
„Uns ist bewusst, dass die Zinsen auf liquide Mittel derzeit so
attraktiv sind wie schon lange nicht mehr. Dennoch wagen wir uns lieber weiter
in den langen Laufzeitbereich vor, um uns Renditen zu sichern und die
Portfolios mittelfristig zu verankern. Wenn man die Geschichte als Maßstab
nimmt, haben Durationspositionen erhebliches Potenzial, den Geldmarkt zu
übertrumpfen, insbesondere in der aktuellen Phase des geldpolitischen Zyklus.“
„Bei Aktien bevorzugen wir Teilsektoren, die Unterstützung durch
fiskalpolitische Maßnahmen erhalten und möglicherweise von langzyklischen
Projekten und starkem langfristigem Rückenwind profitieren. Ein Beispiel
hierfür ist der US Inflation Reduction Act, der zahlreiche Sektoren für saubere
Energie (Wasserstoff, Solar, Wind) mit beträchtlichen Steuergutschriften
fördert.“
„Im Gegensatz zu den Unternehmensanleihen sind bei Hypotheken und
verbrieften Werten attraktive Spreads zu finden. Wir sind umfangreich in
hypothekenbesicherten Wertpapieren (MBS) der US-Agencies investiert, die mit
hoher Qualität und Liquidität aufwarten und zu sehr attraktiven Bewertungen
gehandelt werden.“
Dr. Daniel
Hartmann Chefvolkswirt fragt sich, ob die Jahresendrally bei Aktien realistisch ist:
„An den globalen Aktienbörsen scheint sich das typische Saisonmuster der
vergangenen Jahre zu wiederholen.Nach einem schwachen August und September
sowie einem durchwachsenen Oktober erfolgt im November die Wiederbelebung.
Stehen wir also erneut vor einer Jahresendrallye? Dass der MSCI World Index
zwischen Anfang August und Ende Oktober elf Prozent verloren hat und damit in den Korrekturmodus
eingetreten ist, hatte mehrere Gründe: Der wichtigste davon war die neu
aufgekommene Zinsangst. Sie spiegelte sich im Anstieg der 10-jährigen
US-Treasury-Renditen von vier Prozent auf fünf Prozent wider. Auslöse dafür waren nicht nur die
robuste US-Konjunktur, sondern auch Sorgen über die ausufernde Staatsverschuldung.
Hinzu kam dann der Nahost-Konflikt.
Die Brutalität des Hamas-Überfalls schürte
die Angst vor einem Flächenbrand. Schließlich mehrten sich aber auch die
Konjunktursorgen. So gaben einige Unternehmen im Rahmen der aktuellen
Berichtssaison einen negativen Ausblick. Aus Europa und China hielt darüber
hinaus der Strom an enttäuschenden konjunkturellen Meldungen an. Mittlerweile
ist wie so oft die politische Krise Alltag geworden. Ein Eingreifen Irans
deutet sich derzeit nicht an. Außerdem signalisiert die Stabilisierung beim
Ölpreis eine gewisse Entspannung der Lage. Vor allem haben aber die jüngsten
Notenbanksitzungen die Zinsängste reduziert. Zunächst hat die EZB klar zumA usdruck
gebracht, dass vorerst keine weitere Straffung geplant ist – nicht zuletzt auch
mit dem Verweis aufdie schwache Konjunktur. Die Bank of Japan hält unterdessen
weiterhin an der Zinskurvensteuerung fest. Sie hat sich noch nicht zu
Leitzinsanhebungen durchringen können.
[……..]
Das beste Szenario für Aktien wäre es sicherlich, wenn sich bis zum Jahresende die moderate Wachstumsverlangsamung in den USA fortsetzt. In diesem Fall würde einerseits die Zinsangst unter Kontrolle bleiben. Andererseits würde die Chance auf ein Soft Landing fortbestehen. Unter diesen Bedingungen könnte es tatsächlich zu einer Jahresendrallye kommen. Gut möglich ist aber, dass die konjunkturelle Abwärtsspirale schneller eintritt und damit die Gewinnperspektiven bereits in diesem Jahr“ einen markanten Dämpfer erfahren. In diesem Spannungsfeld bleibt dem Investor nichts anderes übrig, alsauf Sicht zu fahren und die Konjunkturlage – speziell in den USA – genau zu beobachten.“
Kunal Mehta,
Head of Fixed Income Specialist Team bei Vanguard Europe analysiert die Chancen
bei Anleihen: .
„Wir halten an unserer positiven Einschätzung von Investment-Grade-Anleihen aus
Industrieländern fest, da hier die Anfangsrenditen höher sind, das Ende der
Zinserhöhungen naht und trotz globaler Konjunkturabkühlung noch keine Rezession
droht. In der Vergangenheit haben Investment-Grade-Anleihen unter diesen
Bedingungen in den anschließenden sechs bis zwölf Monaten hohe Renditen
abgeworfen. Am Investment-Grade-Markt achten wir weiterhin auf sorgfältige
Auswahl und halten Laufzeiten von fünf bis zehn Jahren für attraktiver als
kürzere Laufzeiten. Am High-Yield-Markt haben die Zahlungsausfälle zugenommen.
Da die Fundamentaldaten nachlassen, rechnen wir damit, dass sich dieser Trend
fortsetzen wird. In einem Risko-off-Szenario dürften Investment-Grade-Anleihen
deutlich im Wert steigen, riskantere Marktsegmente würden dagegen
wahrscheinlich durch wirtschaftliche und politische Unsicherheit unter Druck
kommen.
EM-Staatsanleihen sollten ihre defensiven Eigenschaften auch bei einer weiteren
Konjunkturabkühlung nicht einbüßen ; betrachtet man jedoch die Spreads, sind
bestimmte Marktsegmente inzwischen teuer bewertet. EM-High-Yield-Anleihen haben
seit Jahresbeginn hohe Gewinne abgeworfen, gleichzeitig sind die
Neuemissionsvolumen weiterhin knapp, weshalb die Bewertungen mittlerweile
relativ angespannt sind. EM-Unternehmensanleihen schätzen wir wegen der hohen
Renditen, der relativ günstigen technischen Daten und der Aussicht auf
steigende Mittelzuflüsse positiv ein. Im weiteren Verlauf des Konjunkturzyklus
dürften Unternehmensanleihen mit schwachen Fundamentaldaten unter Druck kommen,
weshalb wir eine höhere Renditestreuung erwarten.“
Nuveen CIO Saira
Malik kommentiert die Chancen auf den den
Aktienmärkten:
„US-Aktien
beenden ihre Gewinnrezession. Der S&P 500 Index ist auf dem besten
Weg, zum ersten Mal seit dem dritten Quartal 2022, ein positives
vierteljährliches Gewinnwachstum zu erzielen. Wenn das allgemeine
makroökonomische Umfeld weitgehend freundlich bleibt, dürften sich die
Investoren mehr auf die Fundamentaldaten konzentrieren können, was vielleicht
eine klassische Weihnachts-Rally bis zum Jahresende ermöglicht.
Auch wenn die USA kurzfristig einen relativ sicheren Hafen bieten, sollten
Anleger einen breiteren Horizont zur Diversifizierung und potenziell höhere
Renditen in Betracht ziehen. Insbesondere ausgewählte Schwellenländer und
-regionen scheinen für eine wirtschaftliche Outperformance gerüstet zu sein,
was sowohl festverzinsliche als auch Aktienanlagen unterstützen könnte.
François Rimeu,
Senior Strategist, La Française AM, mahnt dagegen zur Vorsicht:
„Anfang November sorgten mehrere Ereignisse für einen selten heftigen
Anleihenaufschwung, der alle Anlageklassen erfasste.
[.....]
Dass der Markt nach der extremen
Zinserhöhung eine Verschnaufpause braucht, ist logisch, und dass dies alle
anderen Märkte mitreißt, ist ebenfalls logisch. Aber das Ausmaß und die
Geschwindigkeit der Entwicklung sind verwirrend. Das Marktszenario hat sich
offenbar erneut auf eine ideale sanfte Landung eingestellt, bei der die
Inflation allmählich in die Nähe der Zielvorgaben der Zentralbanken
zurückgeht, mit einem schwachen Wachstum, aber ohne Rezession. Das ist
natürlich nicht unmöglich, aber unserer Meinung nach nicht das
wahrscheinlichste Szenario.
Solange die
Lohninflation so hoch bleibt, ist eine hartnäckige Inflation um drei bis vier Prozent am
wahrscheinlichsten. Die enttäuschenden NFP-Zahlen von Anfang November sollten
die anderen Beschäftigungszahlen nicht überlagern, die weiterhin ein insgesamt
beruhigendes Bild zeichnen (Claims, Jolts, Challenger...). Selbst in der
Eurozone, wo die makroökonomische Lage weiterhin schlecht ist, ist der
anhaltende Lohndruck immer noch ein zentrales Anliegen der EZB. Isabelle
Schnabel hat Anfang November in Erinnerung gerufen, dass die Lohnverhandlungen
immer noch zu erheblichen Lohnerhöhungen führen.
All dies dürfte die Zentralbanken veranlassen, die Zinsen länger als vom Markt
derzeit angenommen hoch zu halten. Und zwar solange, wie der Arbeitsmarkt nicht
einbricht, was nicht so bald der Fall zu sein scheint. Und auch auf die Gefahr
hin, dass wir uns wiederholen: Die Haushaltspolitik der Staaten wird einen
großen Einfluss darauf haben, wie widerstandsfähig die Wirtschaft und der
Arbeitsmarkt gegenüber Zinserhöhungen sind. Im Oktober verfolgten China (140
Mrd. US-Dollar), Japan (113 Mrd. US-Dollar) und die USA (100 Mrd. US-Dollar,
die aufgrund der verschiedenen Konflikte noch nicht verabschiedet wurden)
Strategien zur Konjunkturbelebung, die den Zyklus nur verlängern werden.
Vorsicht ist also weiterhin geboten, vor allem nach der sehr heftigen Erholung
Anfang November, den geopolitischen Risiken (insbesondere bei Öl und Gas) und
einer Berichtsaison mit bislang wenig beruhigenden Umsätzen und Prognosen.
Trotz der historisch positiven Saisonalität behalten wir eine vorsichtige
Risikopositionierung bei. Die Volatilität am langen Ende der Zinskurve ist nach
wie vor sehr hoch, wobei die Kurven trotz der jüngsten Entwicklung immer noch
invertiert sind. Daher bevorzugen wir weiterhin das kurze Ende der Kurve. Die
Aktienmärkte scheinen die restriktive Geldpolitik der Zentralbanken noch nicht
widerzuspiegeln, und die Risiken werden in den kommenden Quartalen die Margen
und damit die Erträge belasten.
Aurore Le Crom, Crédit Fund Manager bei La Française AM, äußert
sich zu der Aussichten auf den Kreditmärkten:
„Die Aktienmärkte wurden im Oktober maßgeblich von den Unternehmensergebnissen
beeinflusst. Der Kreditmarkt blieb jedoch aufgrund der insgesamt starken
Fundamentaldaten weitgehend verschont.
Im Investment-Grade-Segment
hängt die Performance von den weiterhin sehr volatilen Zinsen ab, mit Abflüssen
am längeren Ende der Zinskurve. Wir bevorzugen das kürzere Ende der Kurve (<
5 Jahre), da sie dort absolut nicht steil und das Segment weniger volatil ist.
Wir geben kurzlaufenden Finanztiteln und variabel verzinslichen Anleihen
weiterhin den Vorzug, da sie einen hohen „Carry- Anteil“ aufweisen und weniger
anfällig für Zinsschwankungen sind.
Die Performance nachrangiger Schuldtitel ist vor dem Hintergrund
der makroökonomischen Unsicherheiten in Europa und der anhaltenden
Zinsschwankungen, die sich auf die Credit Spreads auswirken, sehr volatil. Wir
gehen davon aus, dass der November ebenso volatil und unsicher sein wird. Die
Renditen sind zwar erheblich, reichen aber möglicherweise nicht aus, um den
Markt unter diesen Bedingungen zu stützen. Zur Absicherung der Performance
bevorzugen die Märkte derzeit weniger riskante Anleihen. Wir bevorzugen AT1-Papiere
mit Kupons von über acht Prozent, die trotz der erheblichen Konvexität, die Anleihen mit
niedrigeren Kupons bieten, eine geringere Volatilität aufweisen. Darüber hinaus
präferieren wir nachrangige Wertpapiere (Versicherungsemittenten und
Tier-2-Bankanleihen) mit Restlaufzeiten von weniger als 3 Jahren.
Im High-Yield-Segment
ist der Primärmarkt nach wie vor schwach, während es am Sekundärmarkt zu
erheblichen Abflüssen kommt. Angesichts der sich ausweitenden Spreads, sei es
bei Investment-Grade-Emissionen oder bei Emissionen mit niedrigerem Rating
(CCC), sind die Investoren risikoavers. Wir bleiben nach wie vor
vorsichtig positioniert und bevorzugen neuere Primäremissionen mit attraktiven
Kupons sowie Sektoren, die weniger zinsempfindlich sind.
Die Zinsvolatilität bleibt weiterhin hoch und wirkt sich spürbar auf die
Credit-Märkte aus. Hohe Kupons bei Neuemissionen, kurze Laufzeiten und variabel
verzinsliche Kupons dürften bis zum Jahresende Schutz bieten.
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