Mit der Neufassung der Gebäudeenergieeffizienzrichtlinie (EPBD) drohen Eigentümern älterer Wohnimmobilien hohe Sanierungskosten oder Wertverluste. Spezialisierte Finanzberater können ihnen Hilfe bieten und sich eine neue Einkommensquelle schaffen.
15.03.2023 | 07:15 Uhr von «Ulrich Lohrer»
Auf viele Eigenheimbesitzer kommt in den nächsten Jahren eine Kostenlawine zu. Nachdem am 15. Dezember 2021 die Kommission der Europäischen Union (EU) die Neufassung der Gebäudeenergieeffizienzrichtlinie (EPBD) vorgelegt hatte, einigten sich die Mitgliedsländer im Rat der EU am 25. Oktober 2022 auf strengere Vorschriften für die Gesamtenergieeffizienz von Gebäuden. Am 9. Februar 2023 beschloss das EU-Parlament die neue Richtlinie und führt damit energetische Mindeststandards für Gebäude in der Europäischen Union ein. Danach sollen ab 2030 alle neuen Gebäude Nullemissionsgebäude sein. Bis 2050 sollen auch alle bestehende Häuser klimaneutral sein. Dafür muss jeder EU-Mitgliedstaat den durchschnittlichen Primärenergieverbrauchs im gesamten Wohngebäudebestand von 2025 bis 2050 entsprechend eines nationalen Entwicklungspfades senken. Bereits bis 2033 soll der gesamte Wohngebäudebestand mindestens dem Niveau der Gesamtenergieeffizienzklasse D entsprechen. „Damit wird der planwirtschaftliche und für alle ungeheuer teure und ineffiziente Weg Richtung Klimaneutralität zementiert“, kritisierte Kai Warnecke, der Präsident von Haus & Grund Deutschland den Beschluss.
Für viele Eigentümer von Immobilien ist aus der EU-Gebäuderichtlinie in der schwer verständlichen EU-Behördensprache kaum nachvollziehbar, was dies für ihre Immobilie und ihren Geldbeutel bedeutet. Die angestrebte durchschnittliche Energieeffizienzklasse D für alle Gebäude entspricht einem durchschnittlichen Endenergieverbrauch von 100 bis 130 kWh pro Quadratmeter. Nach einer Umfrage des Immobilienvermittlers McMakler weisen gerade einmal 13 Prozent aller ausgestellten Energieausweise für Immobilien in Deutschland den höchsten Energiekennwert A, AA oder B auf, bei Neubau-Häusern sind es hingegen 71 Prozent. 58 Prozent aller Wohnhäuser in Deutschland haben dagegen mit den schlechtesten Energieeffizienzklassen E, F, G und H einen höheren Energieverbrauch als die angestrebte Effizienzklasse D (siehe Grafik 1 Verteilung der Gebäude nach Energieeffizienzklassen).
Quelle: © McMakler Daten 2021
Wie die deutsche Regierung die ambitionierte Vorgabe der EU konkret erreichen will, ist noch unklar. Der Vorstoß von Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne), bereits ab 1. Januar 2024 beim Einbau neuer Heizungen nur noch solche mit mindestens 65 Prozent erneuerbaren Energien zuzulassen und damit reine Gas- und Ölheizungen vollständig zu verbieten, gibt schon eine erste Vorstellung davon. Zudem will Habeck ein Betriebsverbot für 30 Jahre alte Heizkessel durchsetzen. Da auch innerhalb der Ampel-Koalition der Widerstand gegen Habecks Entwurf groß ist, bestehen große Zweifel, dass dieses zeitlich und finanziell unrealistische Ziel beschlossen wird. Dennoch sollten sich vor allem die Eigentümer älterer Immobilien künftig auf einen kostspieligen staatlichen Sanierungs- und Modernisierungszwang einstellen. Der ursprüngliche Entwurf der EU-Kommission sah vor, dass die bestehenden Wohngebäude bis 2030 mindestens die Energieeffizienzklasse F und bis 2033 die Klasse E erreichen müssen. Nach der Umfrage von McMakler kennen auch nur 26 Prozent aller Eigentümer die Energieeffizienzklasse ihrer eigenen Immobilie. Kein Wunder. Denn nur wer seine Immobilie zum Kauf oder zur Vermietung anbietet, muss einen Energieausweis vorweisen und Kenndaten in der Wohnungsanzeige veröffentlichen.
Solange die Eigentümer Ihre Wohnimmobilie selbst nutzen oder nicht neu vermieten, brauchen sie also keinen Energieausweis. Mieter in bestehenden Mietverhältnissen haben keinen Anspruch, den Energieausweis zu sehen.
Die meisten Immobilieneigentümer können daher kaum einschätzen, mit welchen Maßnahmen ihr Gebäude beispielsweise die Energieeffizienzklasse D erreicht und welche Kosten damit verbunden sind. In Deutschland fällt fast ein Drittel der Wohnhäuser in die beiden schlechtesten Effizienzklassen G oder H. Zu der Effizienzklasse G zählen üblicherweise nur rudimentär gedämmte Gebäude und zur Effizienzklasse H unsanierte, energetisch schlechte Altbauten. In der Regel sind dazu erhebliche Maßnahmen notwendig, etwa indem der Eigentümer die alten Fenster gegen neue mit isolierenden Eigenschaften austauscht, die Dämmung an Fassade sowie Dach dem neuesten Stand anpasst sowie eine effiziente – d.h. künftig eine nahezu klimaneutrale Heizung verbaut. Für gewöhnlich liegen die Kosten für eine Komplettsanierung zwischen 400 bis 600 Euro pro Quadratmeter Wohnfläche. Dies umfasst allerdings auch nichtenergetische Sanierungsmaßnahmen für ein über 50 Jahre altes Haus wie die Erneuerung von Rohrleitungen, die Entfernung von Feuchtigkeitsschäden und Erneuerung der Elektroinstallationen. Zu den typischen energetische Sanierungen zählen der Austausch der Heizungsanlage (ab 12.000 Euro) und der Fenster (rund 1000 Euro pro Stück), die Dämmung der Fassade (etwa über Wärmedämmverbundsysteme für 100 Euro bis 200 Euro pro Quadratmeter), des Daches (je nach Maßnahme zwischen 50 Euro bis 200 Euro pro Quadratmeter) und der Kellerdecke (80 Euro bis 100 Euro pro Quadratmeter). Der Umbau lohnt sich nach einer Faustregel nur, wenn die Sanierungskosten des Hauses geringer sind als drei Viertel der Kosten für einen Neubau.
Eine Orientierung über den Aufwand soll der sogenannte Renovierungspass bringen, der bis Ende 2025 zur „freiwilligen Nutzung durch Gebäudeeigentümer" eingeführt werden soll. Ähnlich dem individuellen Sanierungsfahrplan (iSFP)
wird er von qualifizierten und zertifizierten Sachverständigen auf der Grundlage der (auch der virtuellen) Besichtigung des Gebäudes ausgestellt. Er soll einen Renovierungsfahrplan –in dem eine Abfolge der Renovierungsschritte angegeben ist, um das Gebäude bis spätestens 2050 in ein Nullemissionsgebäude umzubauen – sowie Informationen über mögliche finanzielle und technische Unterstützung enthalten.
Die Investitionen zur energetischen Gebäudesanierung erhöhten sich laut einer Berechnung des Wirtschaftsinstitut DIW von 2010 bis 2019 von 36 auf 46 Milliarden Euro. Rund 70 Prozent entfielen davon auf den Wohnungsbau (siehe Abbildung unten - Investitionen zur energetischen Sanierung im Gebäudestand). Künftig ist aufgrund der gesetzlichen Vorgaben mit einem deutlichen Anstieg zu rechnen.
Während der Staat bei
Neubauten seit dem 1. März 2023 durch die Förderbank KfW nur noch
Häuser mit dem höchsten Effizienzhausstandard (40) ohne fossilen
Heizsysteme fördert, können Eigentümer bestehender Gebäude die
Bundesförderung effiziente Gebäude – Einzelmaßnahmen (BEG EM) als
Zuschuss ihrer energetischen Maßnahmen beim Bundesamt für Wirtschaft und
Ausfuhrkontrolle (Bafa) beantragen. Gefördert werden bei neuen
Heizungen Solarthermie-Anlagen (Fördersatz: 25 Prozent),
Biomasse-Heizungen (auf Basis von Holzpellets, Hackschnitzel,
Scheitholz; Fördersatz: 10 Prozent), Wärmepumpen (25 Prozent), Anschluss
an ein Wärmenetz (30 Prozent) oder innovative Heizungstechnologien mit
erneuerbaren Energien (25 Prozent). Werden damit alte Öl-, Gas-,
Kohleheizungen oder ein Nachtspeicherofens ausgetauscht, erhöht sich der
reguläre Fördersatz um eine Austauschprämie von weiteren zehn
Prozentpunkte Förderung. Gefördert werden zudem Maßnahmen zur
Verbesserung der Energieeffizienz der Gebäudehülle (Dämmung Dach,
Fassade, Keller, Fenster, Haustür, Sonnenschutz) mit einem Zuschuss von
15 Prozent. Der Großteil der Sanierungskosten müssen die Eigentümer
also selbst übernehmen. Vor allem viele ältere Eigennutzer werden dafür
nicht ausreichend finanzielle Mittel zurückgestellt haben, da sie häufig
bis zur Rente ihre Sparrate für die Bedienung ihres Immobiliendarlehens
verwendet haben und davon ausgingen, im Ruhestand ohne größere Kosten
in ihrer Immobilie mietfrei wohnen zu können.
Die
Einführung energetischer Mindeststandards stellt viele Eigentümer vor
der Entscheidung, entweder die dafür notwendigen Sanierungen mit einem hohen finanziellen Aufwand durchzuführen. Dies wird sich auch auf die Beratung
der Baufinanzierung der Banken auswirken. „In Zukunft werden immer
mehr gebrauchte Immobilien modernisiert oder energetisch saniert. Daher
sind die Einbeziehung von Fördermitteln und die Entwicklung einer
Immobilie in eine bessere Energieeffizienzklasse jetzt die wichtigen
Themen im Beratungsgespräch“, so Robert Annabrunner, Leiter
Drittvertrieb, Deutsche Bank, Privatkundenbank. Wer die Sanierung nicht
finanzieren kann oder will, muss auch den Verkauf der unsanierten
Immobilie erwägen. Dabei spiegelt sich der Grad des energetischen
Zustandes der Immobilie zunehmend stärker im Preis der Immobilie wider.
Viele Eigentümer dürften dabei überfordert sein, die richtige
Entscheidung unter Abwägung ihrer Ziele und ihrer finanziellen Mittel
alleine durchzuführen. Daraus ergibt sich vor allem für Finanzberater
auf Honorarbasis ein Betätigungsfeld, wenn sie sich durch
Spezialisierung auf diesem Bereich für die Betroffenen die möglichen
Optionen mit den finanziellen Folgen aufzeigen können. Dabei werden auch
Finanzprodukte zur sogenannten Eigenkapitalfreigabe aus Immobilien an
Bedeutung gewinnen. Mit der Vermittlung dieser Modelle, wie vor allem
die Immobilienrente (Verkauf mit lebenslangen Wohn- oder
Nießbrauchrecht) oder der Umkehrhypothek, können auch
Finanzanlagenvermittler und Makler Provisionen verdienen.
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