Während der Pandemie durften Europas Banken keine Dividenden zahlen. Das ist nun vorbei und sorgt dafür, dass einige Institute großzügig sein werden.
01.10.2021 | 12:20 Uhr von «Oliver Ristau»
Banken gelten in der Regel als knauserig, und genau das waren sie auch während der vergangenen anderthalb Jahre. Das lag aber weniger an ihnen selbst als an der Europäischen Zentralbank (EZB). Denn weil die Lockdowns in Europa Teile der Wirtschaft abrupt abwürgten, sorgten sich Europas Währungshüter um die Stabilität der Geldhäuser. Sollte die Pandemie zu einer Rezession führen und reihenweise Firmen in die Pleite schlittern oder Kredite von Millionen Privatkunden platzen, könnten auch die Banken in Schieflage geraten und die Wirtschaft noch viel tiefer ins Verderben reißen.
Mit dieser Angst im Nacken untersagten die Zentralbanker Europas Geldhäusern, Dividenden zu zahlen und Aktien zurückzukaufen. Damit ist es ab diesem Herbst vorbei. Denn die Befürchtungen sind nicht eingetreten, und allmählich scheint das Ende der Corona-Krise in Sicht. Die Ergebnisse des jüngsten Stresstests der EZB Ende Juli zeigen zudem, dass die untersuchten 89 Banken in Europa auch eine weitere heftige Krise überstehen würden. Ihre durchschnittliche Kernkapitalquote würde in einem solchen Fall zwar von zuletzt 15,7 Prozent auf 9,9 Prozent zusammenschmelzen. Das wäre aber immer noch gut. Selbst extreme Kreditausfälle würden die Institute wegstecken, ohne selbst in die Knie zu gehen.
Eine weitere Statistik spricht für den Sektor: Denn die Quote der notleidenden Kredite ist trotz Corona immer weiter gesunken. So lag sie nach EZB-Daten im ersten Quartal 2021 bei 2,5 Prozent der Gesamtkredite. Zu Beginn der Corona-Krise betrug die Quote noch knapp drei Prozent. Sicher hat das auch mit der Erhöhung des Kreditvolumens zu tun, denn die Bilanzsumme der Banken stieg im gleichen Zeitraum um knapp fünf Prozent, sodass unterm Strich auch das Volumen der faulen Kredite zugenommen haben könnte. Aber nicht so stark, dass die Banken Sorgen haben müssten.
Und so läuft die Empfehlung der EZB, das Geld wegen Corona zusammenzuhalten, Ende September aus. Die Analysten der Berenberg Bank rechnen deshalb damit, dass viele europäische Institute den Geldhahn aufdrehen werden. "Investoren können mit der Wiederaufnahme der Dividendenzahlungen für den Bankensektor hohe Erträge erwarten", schreiben sie. Bankaktien sind schon seit ein paar Monaten gefragt, haben laut Berenberg im dritten Quartal den übrigen Aktienmarkt hinter sich gelassen.
Die Entwicklung könnte sich fortsetzen. Denn die Höhe der Ausschüttungen werde in den kommenden zwölf Monaten überraschen, so die Analysten. Das gilt vor allem für die Institute, die ohnehin gut dastehen, denn dort gäbe es einen besonders hohen Nachholbedarf, die Gewinne aus den Geschäftsjahren 2019 und 2020 nachträglich auszuschütten. Die Berenberg-Analysten sehen dabei die skandinavische Nordea, die niederländische ING, die belgische KBC und die spanische BBVA vorn.
Größere Aktienrückkaufprogramme planen zudem die französischen Crédit Agricole und die Société Générale, die italienische Unicredit, die Schweizer UBS sowie die britischen Institute Barclays, Lloyds und NatWest. Weniger freuen können sich die Aktionäre von Deutscher Bank und Commerzbank: Beide Institute haben die Krise noch nicht abhaken können und lagen auch beim Stresstest hinten. Sie müssen erst noch Kapital binden, bevor sie es ausschütten können.
In den vergangenen Monaten bescherte insbesondere das Investmentgeschäft den Banken hohe Gewinne. Denn das positive Umfeld am Kapitalmarkt sorgte für Gewinne durch Börsengänge und andere Kapitalmaßnahmen von Unternehmen. Viele Institute profitierten von dem Boom sogenannter SPACs. Das sind Börsenmäntel, die eigens für zügige Börsengänge initiiert werden. Laut Deutscher Bank gab es auch im Geschäft mit Zusammenschlüssen und Zukäufen, im Fachjargon Mergers & Acquisitions, ein Allzeithoch. Darüber hinaus profitierten viele Institute von der positiven Aktienkonjunktur, speziell in den USA.
Kein Wunder also, dass gerade die im Investmentbanking führenden amerikanischen Institute wie Goldman Sachs, JP Morgan und Morgan Stanley in den jüngsten Quartalen Spitzenergebnisse erzielten.
Auch im Kreditgeschäft soll es wieder aufwärtsgehen, nachdem sich zahlreiche Konsumenten wegen geschlossener Läden oder fehlender Reisemöglichkeiten während der Pandemie mit dem Geldausgeben zurückgehalten hatten. Im zweiten Quartal 2021 wurden in Europa auch wieder mehr Konsumentenkredite vergeben. Die anziehende Konjunktur unterstützt das Geschäft weiter.
Profiteure der Inflation. Der starke Konsum könnte aber auch die Inflation anheizen - den wichtigsten Indikator für die Zinspolitik der Notenbanken. Der Preisauftrieb beschleunigt sich seit Anfang des Jahres. Ende 2020, während der Winter-Lockdown weite Teile Europas im Griff hatte, lag die Inflationsrate noch im negativen Bereich. Seit Januar klettert sie kontinuierlich. Das Statistische Bundesamt vermeldete für Juli eine Teuerungsrate von 3,8 Prozent. Das war der stärkste Preissprung innerhalb eines Jahres seit Dezember 1993. Das liegt vor allem daran, dass Öl, aber auch Nahrungsmittel teurer wurden.
Dieser Trend könnte angesichts hoher Rohstoffpreise und des nahenden Winters anhalten und erstmals auch auf Jahressicht die Inflation über zwei Prozent treiben. Das ist die Zielmarke, ab der die EZB die Zinsen steigen lassen will. Für Banken ist das eine gute Nachricht, verdienen sie doch mit der Zinswende auch mit dem klassischen Kreditgeschäft wieder mehr Geld.
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Die Wiesbadener finanzieren weltweit Immobilien. Nach dem Corona-bedingten Einbruch hat sich das Geschäft im laufenden Jahr wieder erholt. Das betraf vor allem Kredite für Einzelhandel-, Büro- und Logistikimmobilien. In diesem Markt gibt es zwar viel Wettbewerb, der die Margen drückt, doch die Bank hat im ersten Halbjahr das Konzernergebnis deutlich gesteigert, auch weil sie weniger für die Risikovorsorge beiseitelegen musste. Je mehr die Pandemie an Schrecken verliert, desto eher dürfte sich das Geschäft mit Gewerbeimmobilien wieder beleben, etwa was Finanzierungen für Hotels betrifft. Sollte die Bank das obere Ende der Gewinnprognose erreichen, würde sie das Ergebnis aus dem letzten Vor-Corona-Jahr 2019 übertreffen. Die Aktie notiert dagegen noch weit unter dem Niveau von 2019. Neben Kursgewinnen lockt die Aussicht auf eine Dividende im zweiten Halbjahr.
Die niederländische ING gehört zu den Gewinnern des Stresstests der Europäischen Zentralbank: Selbst im schlimmsten der simulierten Krisenfälle hätte die Großbank noch eine Kernkapitalquote von elf Prozent. Das zeigt sich auch im Ergebnis des ersten Halbjahres. Mit Geschäftskunden läuft es prächtig. Weil die Bank, anders als im Vorjahr, kaum noch Kapital für mögliche Kreditausfälle beiseitelegen musste, könnte sich der gesamte Nettogewinn auf 2,5 Milliarden Euro verdreifachen. Das Institut will einen großen Teil der Erlöse an die Aktionäre auskehren. Neben der regulären Dividende für das vergangene Jahr, die im Oktober gezahlt werden soll, kündigte ING-CEO Steven van Rijswijk an, im vierten Quartal auch für das Geschäftsjahr 2019 eine Ausschüttung vorzunehmen. Die Aktie eignet sich entsprechend für Anleger, die Wert auf eine attraktive Dividende legen.
Die großen Investmentbanken in den USA haben die Gewinnerwartungen in den jüngsten Quartalen deutlich übertroffen. Das lag vor allem an den florierenden Kapitalmärkten, aber auch an der sich belebenden Konjunktur. Morgan Stanley ist im Vergleich zu Goldman Sachs und JPMorgan zwar etwas kleiner, hat die beiden Konkurrenten aber etwa bei den Gewinnen hinter sich gelassen. Neben dem Investmentbanking stiegen insbesondere die Erträge aus der Vermögensverwaltung kräftig an. Zugleich haben sich die Kreditausfälle erheblich verringert. Je mehr sich die US-Notenbanker dazu durchringen, wegen der Inflation die Zinsen steigen zu lassen, desto besser ist das für US-Banken, denn so können sie wieder mehr Geld im Kreditgeschäft verdienen. Morgan Stanley könnte es in diesem Zuge schaffen, auch was die Größe angeht, zu Goldman und Co aufzuschließen.
Seit 2020 heißt die einstige Royal Bank of Scotland (RBS) NatWest. Der Name geht auf die frühere National Westminster Bank zurück, die RBS 20 Jahre zuvor übernommen hatte. NatWest ist heute die größte Geschäftsbank Großbritanniens und hat zudem Millionen an Privatkunden. Nach dem Ende der Corona-Beschränkungen steht Großbritannien vor einem kräftigen ökonomischen Aufschwung. Im Durchschnitt soll die dortige Wirtschaft 2021 um 7,1 Prozent und 2022 um 5,5 Prozent wachsen. Nach Verlusten im vergangenen Jahr hat die Bank im ersten Halbjahr dieses Jahres wieder einen Nettogewinn von rund zwei Milliarden Euro gemacht. Die Bankchefs erwarten bei einer sehr soliden Kernkapitalquote keine weiteren Kreditverluste mehr. Die Aktie ist dank einer geplanten weiteren Dividendenzahlung und eines neuerlichen Aktienrückkaufprogramms attraktiv.
Die größte Universalbank Nordeuropas profitiert im laufenden Jahr von der anziehenden Konjunktur in Skandinavien - auch weil Wirtschaft und öffentliches Leben etwa in Schweden weit weniger heruntergefahren worden waren als in Deutschland. Das operative Ergebnis wuchs um 36 Prozent. Nachdem es kaum noch zu Kreditausfällen gekommen war, konnte sich der Nettogewinn in der Periode mehr als verdoppeln. Das Institut verfügt außerdem über eine überdurchschnittliche Kapitalausstattung und schnitt deshalb im EZB-Stresstest besonders gut ab. Die Aktie ist zwar nach einer Rally in diesem Jahr nicht mehr billig. Doch die Aussichten auf steigende Gewinne sind gerade wegen ihrer starken Position im skandinavischen Raum gut. Neben einer hohen Dividendenrendite lockt auch die Aussicht auf Aktienrückkäufe. Nordea ist ein solides Basisinvestment in der europäischen Bankenwelt.
Dieser Artikel erschien zuerst am 01.10.2021 aufboerse-online.de
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