Märkte reagieren positiv auf Wahlausgang in Griechenland. Delta Lloyd Manager: „Eurozone braucht eine Katastrophe“.
19.06.2012 | 07:45 Uhr
Der Sieg der konservativen Nea Demokratia bei den Parlamentswahlen in Griechenland am 17. Juni 2012 konnte die Märkte vorerst beruhigen. „Dies gilt nicht nur deshalb, weil der IWF, die Eurogruppe und Deutschland das Wahlergebnis bereits begrüßt haben und sich bereit erklärt haben, mit der neuen griechischen Regierung darüber zu verhandeln, wie die Wirtschaft wieder auf Wachstumskurs gebracht werden kann“, sagt Valentijn van Nieuwenhuijzen, Head of Strategy bei ING Investment Management. Der Euro konnte gegenüber dem US-Dollar auf über 1,27 klettern, an den asiatischen Märkten haben die Kurse um 1,5 bis zwei Prozent zugelegt und Rohstoffe handeln seit Bekanntgabe des Wahlergebnisses um etwa einen Prozentpunkt höher.
„Das Ergebnis der Wahlen in Griechenland hat kurzfristig das Risiko reduziert, dass Griechenland aus dem Euroraum ausscheidet (‚Grexit‘) und die Wahrscheinlichkeit erhöht, dass eine Regierung gebildet wird, die für die Rettungspolitik eintritt“, glaubt Nieuwenhuijzen. Ob die Wahrscheinlichkeit eines „Grexit“ in ferner Zukunft aber verringert worden sei, hänge davon ab, in welchem Umfang die neue Regierung das Rettungspaket in weiteren Verhandlungen mit der Troika (IWF, EZB, EU-Kommission) abändern könne.
Dr. Oliver Schlick, Chief Investment Officer von BayernInvest, bewertet das Wahlergebnis kurzfristig als positiv: „Die Märkte haben entsprechend reagiert. Langfristig bleibt die Lage in Griechenland und Europa angespannt.“ Vorerst stelle das Wahlergebnis nur die politische Handlungsfähigkeit in Athen sicher. Ähnlich denkt Dr. Frank Engels, Leiter Portfoliomanagement bei Union Investment über das Ergebnis: „Der knappe Sieg der konservativen Nea Demokratia sorgt bestenfalls temporär für Erleichterung unter den Politikern der Eurozone und den Finanzmarktteilnehmern, weil damit ein von der anti-europäischen radikalen Linken (Syriza) angeführtes Regierungsbündnis kurzfristig abgewendet ist.“ Der Verbleib Griechenlands in der Eurozone sei durch das Wahlergebnis bestenfalls vorübergehend etwas wahrscheinlicher geworden. „Jedoch sind die Probleme des Landes mit dem Wahlausgang nicht grundsätzlich gelöst“, warnt Engels.
Denn nach derzeitigem Stand, so glaubt der Niederländer Nieuwenhuijzen, könnte das Tempo, mit dem fiskalpolitische Strukturreformen durchgeführt werden sollen, Griechenlands wirtschaftliche und soziale Strukturen überfordern. „Wenn die Bedingungen nicht gelockert werden, wird sich die Regierung daher möglicherweise nicht lange im Amt halten“, erwartet der ING-Experte. Eine Lockerung der Bedingungen wurde immerhin in Aussicht gestellt: „Die Troika hat gesagt, dass sie sich hinsichtlich des Timings für das Hilfsprogramm bewegen wird, aber nicht hinsichtlich seines Inhalts“, sagt Tristan Cooper, Analyst für Staatsanleihen bei Fidelity Worldwide Investment. „Unsere größte Sorge ist, dass Europas Regierungen jetzt mit einem Ausstoß der Erleichterung den Fuß vom Gas nehmen“, befürchtet Cooper. Für die Finanzmärkte berge dies das Risiko noch größerer Enttäuschungen, wenn es mit der steuer- und finanzpolitischen Integration der Eurozone nicht voran gehe.
Sandor Steverink, Anleihen-Manager bei Delta Lloyd, glaubt nicht an ein Ende der Krise: „Die Wahl hat Europa mehr Zeit verschafft, aber in diesem Umfeld brauchen wir noch immer eine Katastrophe, um die Dinge wieder einzurenken.“ Damit Europa verstehe, dass es in echter Not ist, müsse Griechenland raus aus der Eurozone, fordert der Manager: „Auch wenn das vermutlich nicht die beste Lösung ist, bedauerlicherweise funktioniert so die Welt.“
Die Finanzmarktexperten sind sich einig darin, dass der Wahlausgang die Eurokrise nicht beendet hat. Was aber bedeutet er für den Anleger? Konnte die Phase der Unsicherheit an den Märkten beendet werden? „Kurzfristig ist eine negative Kettenreaktion nach dieser Wahl nicht zu erwarten“, meint Dr. Frank Engels. „Die Märkte werden mit einer kurzen Erleichterungs-Rallye in die neue Handelswoche starten.“ Doch sei die Phase der Unsicherheit keinesfalls beendet. „Griechenland wird auch nach dieser Wahl ein Kandidat für einen Austritt aus dem Euro bleiben, schon alleine wegen der mangelhaften Reformfortschritte“, ist der Union-Investment-Manager überzeugt. Durch die Unsicherheit um Spanien und den EU-Gipfel Ende Juni bestünden darüber hinaus erhebliche Risiken für die Märkte.
(PD)
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