Die deutliche Abwertung des LEADING CITIES INVEST sorgt für viel Unruhe unter Anlegern. Rüdiger Sälzle, Geschäftsführer des Fondsanalysehauses FondsConsult, spricht im Interview über die angespannte Situation in der Branche und die Aussichten für Investoren.
06.12.2023 | 07:15 Uhr von «Peter Gewalt»
TiAM FundResearch: Herr Sälzle, die Verkehrswerte des Immobilienportfolios des LEADING CITIES INVEST wurde im vierten Quartal insgesamt um rund zehn Prozent reduziert. Hat Sie die Nachricht überrascht?
Rüdiger Sälzle: Völlig unerwartet war solch ein Ereignis nicht, zumal wir bei FondsConsult seit Monaten signifikante Wertänderungsrisiken feststellen konnten. Hierzu zählen vor allem die eingebrochenen Transaktionsvolumina im Immobilienmarkt und die damit einhergehenden Herausforderungen beim Preisfindungsprozess. Diese Entwicklung wurde flankiert durch diverse Immobilien-Markt-Indikatoren, die sich in den letzten Monaten kontinuierlich verschlechterten, zum Beispiel der RICS Commercial Property Monitor. Hinzu kommen die zuletzt gestiegenen Nettomittelabflüsse aus den Immobilienfonds und eine größtenteils eher warnende Berichtserstattung zum Immobilienmarkt in verschiedenen Leitmedien, unter anderem verstärkt durch die Insolvenz des Anbieters WeWork und der Schieflage bei der Signa Holding.
Wird es nun eine Welle von Neubewertungen von Offenen Immobilienfonds geben?
Davon gehen wir aus. Die Intensität möglicher Bewertungsanpassungen ist jedoch stark abhängig von der sektoralen und regionalen Portfolioallokation: Gewerbeimmobilien und hier im Speziellen der Büromarkt werden aller Voraussicht nach stärker betroffen sein. Anpassungen jenseits der zehn Prozent halten wir für die kommenden Monate daher für durchaus realistisch.
Viele erinnern sich mit Schrecken an die Krise der Offenen Immobilienfonds in Folge der Finanzkrise 2008. Droht nun ähnliches Desaster?
Die aktuelle Situation ist mit der desaströsen Entwicklung im Zuge der Finanzkrise nur sehr bedingt vergleichbar. In der Finanzkrise eskalierten die Ereignisse Schlag auf Schlag. Eine Konsequenz aus dieser Entwicklung war, dass der Regulator mit der Einführung von Haltefristen für diese nur bedingt liquide Anlageklasse reagiert hat. Die aktuelle Situation hat sich zudem über die letzten zwölf bis 18 Monate abgezeichnet und kam nicht unerwartet. Daher erwarten wir kein vergleichbares Szenario. Aufgrund der Komplexität der gesamten Entwicklung können wir aber auch eine Verschärfung der Situation nicht ausschließen.
Wie sollten Anleger in der aktuellen Situation am besten agieren?
Das hängt primär von der individuellen Risikoneigung und dem Liquiditätsbedarf der Anleger ab. In der Tat mag so mancher Anleger mit dem Gedanken spielen, seine Anteile zurückzugeben, was teilweise durch die Berichtserstattung in den Medien unterstützt wird. Dennoch sei erwähnt, dass wir von FondsConsult davon ausgehen, dass die Talsohle auf den Transaktionsmärkten für Immobilien bereits erreicht wurde und sich daher die Situation auf den Immobilienmärkten in den kommenden Jahren wieder entspannen sollte. Es handelt sich bei Immobilien schließlich um langfristige Investments, die einen berechtigten Anteil an der Portfolio-Allokation eines Anlegers haben. Ich möchte auch darauf hinweisen, dass weitere Nettomittelabflüsse die Abwertungsgefahr weiter verstärken könnten und das unabhängig von der Qualität der Immobiliensubstanz. Das wiederum ist unserer Meinung nach nicht im Interesse des Anlegers.
Diesen Beitrag teilen: