Roman Gaiser ist Anleihechef bei Columbia Threadneedle für die Regionen Europa, Naher Osten und Afrika und Manager von verschiedenen High-Yield-Fonds. TiAM FundResearch sprach exklusiv mit dem Erfolgsmanager über das High-Yield-Segment.
29.09.2023 | 07:00 Uhr von «Jörn Kränicke»
TFR: Herr Gaiser, der risikolose Zins der Euro Short-Term Rate liegt inzwischen bei knapp 3,7 Prozent. High-Yield-Papiere bieten 7,5 Prozent. Ist der Spread nicht zu gering?
Roman Gaiser: Besonders hoch ist der Spread in der Tat nicht – allerdings ist die Gesamtrendite attraktiv. Man kann natürlich nicht ausschließen, dass es noch einmal zu einer Schwäche am Anleihemarkt kommt. Daher bevorzuge ich derzeit auch eher Papiere mit kurzer Duration. Da ist man auf der sicheren Seite.
Man wird also derzeit für das Laufzeitenrisiko nicht entlohnt?
Genauso ist es. Die Zinsstrukturkurve ist invers. Daher werde ich derzeit nicht für das Risiko belohnt, lange Laufzeiten zu kaufen. Was mir gut etwa beim Threadneedle European Short-Term High Yield Bond gefällt, ist der Selbstschutz des Anlegers. Sollten die Zinsen weiter steigen, ist das Verlustrisiko bei Kurzläufern gering, und die Anleger verkaufen nicht zum falschen Zeitpunkt. Die Wahrscheinlichkeit, dass man investiert bleibt, ist einfach höher. Zudem ist es auch viel einfacher einzuschätzen, wie sich ein Unternehmen in den kommenden drei bis vier Jahren entwickelt. Auf Sicht von sieben, acht oder sogar zehn Jahren ist dies auch aufgrund der vielen Disruptionen unwahrscheinlich schwierig.
War der Fonds im vergangenen Jahr auch ein „sicherer Hafen“?
Vergleichsweise schon. Die meisten relevanten Rentenbenchmarks - auch für Staatsanleihen - haben zweistellig verloren. Unser Fonds war „nur“ mit 4,5 Prozent im Minus. Diese Verluste hat er inzwischen auch schon wieder aufgeholt. 2022 war die Geschwindigkeit des Zinsanstiegs das Problem, und es gab keinen Zins-Puffer. Ich glaube, ein ähnliches Szenario droht erst einmal nicht mehr.
Es ist mehr oder weniger Konsensmeinung, dass wir am Ende des Zinsanstiegs sind. Sehen Sie dies auch so?
Ob wir den Höhepunkt bei den Zinsen schon erreicht haben, da bin ich mir nicht sicher. Die Zentralbanken wollen jetzt erst einmal sehen, dass die Inflation zurückgeht. Aber bislang ist sie in vielen Ländern immer noch sehr hoch und ich erwarte, dass die Energiepreise zum Winter auch wieder deutlich anziehen werden. Zudem muss man den Dienstleistungssektor auch stärker im Auge haben. 90 Prozent der Beschäftigten arbeiten dort. Weitere Lohnerhöhungen sind in diesem Bereich zu erwarten.
In welchem Bonitätsbereich sehen Sie die besten Chancen?
Das sind eindeutig BB-Anleihen. Laut unseren Untersuchungen ist dies die am wenigsten volatile Assetklasse im High-Yield-Segment. Das liegt daran, dass es dort nur wenige Ausfälle gibt. Die Spreads liegen bei 250 bis 300 Basispunkten. Somit liegen die Renditen bei 5,5 bis sechs Prozent. Dies stellt schon einen sehr guten Puffer dar. So viel muss ich erst einmal verlieren, um ins Negative Terrain abzurutschen. Daher ist es eine gute Möglichkeit zum Investieren. In Europa stammen 70 Prozent der Unternehmensanleihen aus diesem Segment. Dazu zählen große Unternehmen wie etwa ZF Friedrichshafen, Lufthansa. oder auch Nachranganleihen von Bayer oder Vodafone.
Es gibt immer mehr Insolvenzen kleinerer Unternehmen. Droht auch eine Pleitewelle bei großen Firmen?
Mit der französischen Supermarktkette Casinos und Adler Real Estate sind ja schon zwei große Unternehmen in Probleme geraten. Beide hatten operative Schwierigkeiten. In einem Umfeld, wo die Refinanzierungsraten ansteigen, wird dies auch weiterhin vorkommen. Allerdings erwarten wir keine große Pleitewelle. In den kommenden 24 Monaten gehen wir von einer Ausfallrate von ungefähr vier Prozent aus. Dies ist keine Schätzung von uns, sondern basiert auf den Angaben unserer Analysten, die rund 500 Unternehmen intensiv analysiert haben.
Müssten aufgrund der hohen Zinsen nicht mehr Firmen insolvent werden?
Man darf nicht außer Acht lassen, dass viele Unternehmen während der Coronakrise ihre Finanzen fit gemacht und für die Zukunft gerüstet haben. Sie sind schlanker aufgestellt und haben viel in die Digitalisierung gesteckt. Bei der Refinanzierung haben viele Investment-Grade-Unternehmen eine ganze Zinsstrukturkurve. Und Anleihen, die jetzt auslaufen, wurden oft auch mit einem Coupon von drei, vier oder sogar mehr Prozent begeben. Daher ist es für sie kein Problem, auch auf dem aktuellen Zinsniveau neue Papiere zu emittieren. Für High-Yield Unternehmen, die vielleicht nur eine einzige Anleihe begeben haben, kann es bei Fälligkeit vielleicht enger werden, wenn der Coupon stark ansteigt und den operativen Cash-Flow aufzehrt.
High-Yields und Schwellenländeranleihen notieren auf einem ähnlichen Zinsniveau. Was ist attraktiver?
Ein Vorteil der Staatsanleihen aus Schwellenländern ist, dass Ausfälle bei Staaten nur selten auftreten. Der richtige Einstiegszeitpunkt ist entscheidend. Bei Anleihen setzt sich die Rendite in erster Linie aus dem Kupon zusammen. Wenn ich eine Anleihe mit sieben Prozent Rendite kaufe und sie bis zur Fälligkeit halte, bekomme ich eben diese sieben Prozent und nicht mehr. Insgesamt finde ich derzeit den Rentenmarkt attraktiv und Anleger sollten investieren. Langfristig lagen die europäischen High-Yield-Renditen auf Aktienniveau. Der Zinseszinseffekt der hohen Kupons zeigt hier seine Wirkung.
Zur Person
Roman Gaiser ist als Anleihechef bei Columbia Threadneedle für die Regionen Europa, Naher Osten und Afrika zuständig. Zu seinen früheren beruflichen Stationen zählen unter anderem Pictet A.M. und BMO Global Asset Management.
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