Lokale Schwellenländeranleihen sind derzeit die einzige Anlageklasse im Anleihebereich, die Diversifikation bietet. TiAM FundResearch sprach exklusiv mit Didier Lambert, leitender Portfoliomanager bei J.P. Morgan Asset Management, über die Chancen und Risken dieser attraktiven Anlageklasse.
09.06.2023 | 07:00 Uhr von «Jörn Kränicke»
TiAM FundResearch: Herr Lambert, chinesische Anleihen sind schon in die großen Schwellenländeranleihen-Indizes aufgenommen worden und Indien steht kurz davor. Inwieweit hat dies ihr Portfolio beeinflusst?
Didier Lambert: Obwohl Indien noch nicht in unserer Benchmark, dem J.P. Morgan Government Bond Index – Emerging Markets Global Diversified enthalten ist, investieren wir auch in indische Anleihen. Die Indexzugehörigkeit spielt bei uns keine so große Rolle. Unsere Position auf dem Subkontinent beträgt etwa 2,6 Prozent. China spielt für uns tendenziell eine größere Rolle. Allerdings sind China-Bonds derzeit unsere größte Untergewichtung. Sie sind mit rund 7,6 Prozentpunkten untergewichtet.
Warum sind China Bonds so stark untergewichtet?
Angesichts der sich abzeichnenden Wachstumsbeschleunigung durch die Wiederöffnung Chinas halten wir weiterhin an einer Untergewichtung gegenüber dem chinesischen Yuan und den chinesischen Anleihen fest. Zudem verschärft derzeit der Schritt Chinas, die Beziehungen zu Russland zu vertiefen, die geopolitischen Spannungen und erhöht unseres Erachtens das Risiko weiterer Sanktionen.
Sind die politischen Risiken derzeit die größten in den Schwellenländern?
Sicherlich, denn ökonomisch ist die Lage in vielen Schwellenländern deutlich besser als in den entwickelten Märkten.
Können Sie dies etwas näher erklären?
Unserer Ansicht wird eine weltweite Rezession verzögert eintreten. Dies ist noch nicht in allen Märkten vollständig eingepreist. Wir erwarten für 2023 ein BIP-Wachstum in den Schwellenländern von etwa vier Prozent. Damit dürfte sich das Wachstumsalpha weiter über die zwei-Prozent-Marke hinaus verbessern. Einen Anteil daran hat die Wiederöffnung Chinas. Unser Basisszenario erwartet ein chinesisches Wachstum von 5,5 Prozent im laufenden Jahr. Denn die jüngsten Daten aus dem Einzelhandels- und Dienstleistungssektor waren insgesamt vielversprechend. Auch der zuvor gebeutelte Immobiliensektor zeigt erste Erholungstendenzen. Außerdem muss man konstatieren, dass die Verschuldungsgrade der Schwellenländer oftmals deutlich unter denen der Industrieländer liegen.
Gibt es weitere positive Indikatoren?
Ja, zum Beispiel sehen wir die Geldpolitik der Schwellenländer positiv. Der Erhöhungszyklus in den Schwellenländern ist weitgehend abgeschlossen. Attraktive Realzinsen finden sich vor allem in Lateinamerika. Wir sehen Brasilien, Mexiko, Kolumbien, Chile und Peru als wahrscheinliche geldpolitische Gewinner. So hat zum Beispiel Brasilien bereits rund ein Jahr vor den USA mit den Zinserhöhungen begonnen. Der seit letztem Sommer schwächere US-Dollar ist ebenfalls positiv. Er spielt für lokale Schwellenländer-Anleihen eine große Rolle. Auf Lokalwährung lautende Schwellenländeranleihen haben in der Vergangenheit in Zeiten eines schwachen oder schwächer werdenden US-Dollars stets gute Ergebnisse erzielt.
Stehen also bald wieder Zinssenkungen in den Schwellenländern auf der Tagesordnung?
In den Schwellenländern verschwindet langsam die Inflation, die vor allem durch die Rohstoff- und Lebensmittpreise getrieben wurde, aus dem Blickfeld. Daher könnten erste Länder wie etwa Brasilien bald wieder die Geldpolitischen Zügel lockern und auch in China dürften Zinserhöhungen kaum auf der Agenda stehen.
Wie attraktiv sind lokale Schwellenländer derzeit im historischen Vergleich?
Auf den ersten Blick scheint der Spread von etwa 250 Basispunkten nicht so extrem attraktiv. Aber in den letzten Quartalen haben die Schwellenmärkte die Anleger mit ihrer Widerstandsfähigkeit positiv überrascht. Historisch gesehen lag der Renditeabstand zu US-Treasuries zwar zwischen 150 und 550 Basispunkten. Dabei muss man aber berücksichtigen, dass der Index früher ganz anders zusammengesetzt war. Chinesische Anleihen waren noch nicht enthalten. Heute machen sie jedoch gut zehn Prozent aus und bieten nur eine Rendite von etwa drei Prozent. Früher waren im Index hingegen Länder mit hoher Verschuldung und somit auch hohen Zinsen stärker gewichtet. Zudem stehen die meisten Schwellenländer fundamental heutzutage um Welten besser da als vor zehn oder 20 Jahren. Daher halten wir die aktuelle Bewertung für durchaus attraktiv. Man wird immer noch für die Restrisiken entlohnt.
Welche Renditen können Anleger erwarten?
Wir können uns vorstellen, dass am Jahresende Fonds wie der JPMorgan Funds - Emerging Markets Local Currency Debt Fund niedrige zweistelligen Renditen liefern könnten. Die Rendite setzt sich aus den gut sechs Prozent laufender Verzinsung und dem Zinsrückgang zusammen. Neben diesen attraktiven Renditen sind lokale Schwellenländeranleihen jedoch auch die einzige Anlageklasse im Anleihebereich, die Diversifikation bietet. Daher sind sie ein Muss für jedes Portfolio. Zumal auch die meisten Anleger unterinvestiert sind. Wurden vor einigen Jahren noch rund 35 Prozent der Anleihen von Ausländern gehalten, sind es nun nur noch 25 Prozent.
Zur Person
Didier Lambert ist Managing Director und Mitglied der Gruppe Global Fixed Income, Currency & Commodities (GFICC). Er ist der leitende Portfoliomanager für lokale Anleihen innerhalb des Emerging Markets Debt Teams. Vor seinem Wechsel 2009 zu J.P. Morgan A.M. 2009 war er zehn Jahre lang bei Fortis Investments tätig.
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