TiAM: Ist künstliche Intelligenz eine Blase, die bald
platzt?
Omar Moufti: Manche fragen sich, ob KI mit der Dotcom-Ära
vergleichbar ist oder ein langfristiges Wachstumspotenzial ähnlich der
industriellen Revolution hat. Im Gegensatz zur Dotcom-Blase mit unbewiesenen
Modellen ähnelt KI der industriellen Revolution, die die Wirtschaft
umgestaltet. Der Echtzeit-Output der KI wird sofort verbraucht, was zu einer
kontinuierlichen Nachfrage führt. Dieser ständige Bedarf an neuen Ressourcen
und Infrastrukturen unterstützt das langfristige Wachstumspotenzial der KI und
unterstreicht, dass sie weit von einer Spekulationsblase entfernt ist.
TiAM: Welche Entwicklung erwarten Sie in diesem Bereich?
Moufti: Eine spannende! Das BlackRock Investment Institute
hat drei Phasen identifiziert, um den Fortschritt der KI zu verfolgen. In der
ersten Phase, die wir als Aufbauphase bezeichnen, sehen wir derzeit erhebliche
Investitionen in KI-Infrastrukturen wie Rechenzentren, KI-Modelle und die dafür
notwendigen Energiesysteme. Die zweite Phase, die Akzeptanzphase, steht noch am
Anfang. Hier erwarten wir, dass Unternehmen die Einführung von KI für
verschiedene Aufgaben, wie persönliche Assistenten und autonome Fahrzeuge,
beschleunigen werden. Die dritte Phase, die Transformationsphase, ist schwer
vorherzusagen, sowohl in Bezug auf Umfang als auch auf das Timing. In dieser
Phase werden Unternehmen den vollen Wert der KI ausschöpfen und von
Produktivitätssteigerungen sowie neuen Geschäftsmodellen profitieren.
TiAM: Herr Wang, wie arbeiten Asset-Manager und
Indexanbieter wie STOXX zusammen, um Anlegern Investitionen in
zukunftsträchtige Technologien wie KI zu ermöglichen?
Yang Wang: Das „STOXX Thematic Framework“ ist ein
systematischer, transparenter und regelbasierter Ansatz für themenbasierte
Indizes, der auch die Künstliche-Intelligenz-Wertschöpfungskette umfasst. Unter anderem werden Produkte und
Dienstleistungen von Unternehmen, gemessen an Einnahmen, berücksichtigt. Ebenso deren Innovationskraft, gemessen an Patenten.
Dadurch gewinnen Nutzer von Indizes, einschließlich
Asset-Manager, verlässliche Einblicke in ein bestimmtes
Thema und dessen Potenzial.
TiAM: Wie können Anleger über die Mega-Cap-Technologien
hinausgehen, um die breiteren, ungenutzten Möglichkeiten der KI für sich zu
erschließen?
Moufti: Viele Anleger engagieren sich im Bereich der
künstlichen Intelligenz über Techriesen, was zu einem konzentrierten Portfolio
führt, in dem darüber hinausgehende Chancen übersehen werden können. Für eine
gezieltere KI-Strategie ist eine gut durchdachte Allokation unerlässlich. Tony
Kim, Head of Technology Investing bei BlackRock, hat den „KI-Stack“ entwickelt,
um Chancen zu identifizieren. Dieser Rahmen, ein umfassender Plan für
KI-Investitionen, hilft dabei, neue Chancen im sich schnell entwickelnden und
transformativen KI-Bereich zu identifizieren und zu nutzen.
TiAM: Können Sie uns mehr über den „KI-Stack“ erzählen?
Moufti: Hier geht es um ein Schichtenmodell, das Tools und
Technologien enthält, die notwendig sind, um KI-Anwendungen zu entwickeln,
bereitzustellen und zu skalieren. Mit der zunehmenden Verbreitung von KI werden
voraussichtlich immer mehr Akteure in diesem Bereich auftauchen, je weiter wir
uns im „KI-Stack“ nach oben bewegen. Die erste Ebene, die Infrastruktur,
umfasst Hardware, Cloud Computing und Chips, die die KI-Algorithmen antreiben.
Dieser Bereich wird von einigen wenigen großen Unternehmen dominiert und zieht
erhebliche Investitionen an.
TiAM: Von welchen Größenordnungen sprechen wir?
Moufti: Gemäß Schätzungen könnten die Ausgaben für
KI-Infrastrukturen eine Billion US-Dollar übersteigen. Auf der nächsten Ebene
des Schichtenmodells dreht sich dann alles um Intelligenz: Sie umfasst den
Aufbau von KI-Modellen oder „Gehirnen“ durch die Verarbeitung riesiger
Datenmengen. Obwohl es nur wenige Vorreiter gibt, die solche Modelle
entwickeln, könnten diese Firmen ein schnelles Wachstum erfahren, wenn sie
ihren Innovationsvorsprung bewahren. Partnerschaften wie die Investition von
Microsoft in OpenAI zeigen, dass Techgiganten hier aktiv unterstützen.
Schließlich kommt die Anwendungsebene, wenn die Modelle in reale Anwendungen
wie virtuelle Assistenten und Automatisierungswerkzeuge integriert werden und
KI in den Alltag einzieht. Nach Schätzungen des BlackRock-FE-Tech-Teams
gibt es in diesem Bereich in den nächsten fünf bis zehn Jahren ein erhebliches Wachstumspotenzial.
TiAM: Nach welchen Kriterien wählen Sie
die Titel für einen KI-Index aus?
Wang: Im Rahmen des STOXX Thematic Framework sind
Transparenz und wirtschaftliche Zukunftsfähigkeit die entscheidenden Faktoren
bei der Zusammenstellung von KI-Indizes. In den Index kommen Unternehmen, die
bereits ausschließlich oder einen wesentlichen Anteil ihrer Einnahmen aus der
KI-Wertschöpfungskette generieren. Daneben wird die KI-Innovationskraft eines
Unternehmens bewertet. Dieser Ansatz stellt sicher, dass die relevantesten
Unternehmen aus dem Bereich künstliche Intelligenz in einen STOXX-KI-Index aufgenommen
werden.
TiAM: Wie erfolgt die Berücksichtigung von Patenten?
Wang: Die Innovationskraft eines Unternehmens ist ein
wesentlicher Aspekt bei der Aufnahme von Unternehmen in STOXX-KI-Indizes.
Patentanmeldungen werden klassifiziert und nach ihrer Qualität, auch unter
Berücksichtigung von regionalen Unterschieden und Standards, bewertet. Dieser
Ansatz stellt sicher, dass auch junge und innovative Unternehmen in einen Index
aufgenommen werden können. Damit werden bestimmte Mindestanforderungen bei der
Beurteilung von Unternehmen erfüllt.
TiAM: Wie dynamisch beziehungsweise starr sind Indizes?
Wang: Zukunftsträchtige Themen sind von Natur aus
dynamisch. Die von STOXX angebotenen KI-Indizes verfolgen die Strategie, diese
Bereiche über einen regelbasierten und transparenten Ansatz nach den Kriterien
„Umsatz“ und „Innovationskraft“ zu erschließen und handelbar zu machen. Unter
anderem sieht das STOXX Thematic Framework vor, dass die Zusammenstellung der
verschiedenen Indizes anhand transparenter Regeln regelmäßig geprüft wird, um
neue Entwicklungen zu antizipieren.
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