Die Rallye der letzten Jahre bei Technologie- und KI-Aktien hat viele beunruhigt. Wir sprachen mit William de Gale von BlueBox, einem der erfahrensten und erfolgreichsten Tech-Investoren, über die Frage, ob nun Ernüchterung droht oder die Rally weitergeht.
21.01.2025 | 10:30 Uhr von «Jörn Kränicke»
TiAM FundResearch: Mr. de Gale, seit vielen Jahren gehören Tech-Aktien zu den Top-Performern und ihre Strategie, die seit rund 25 Jahren verfolgen und nun im BlueBox Global Technology Fund umsetzen, zu den erfolgreichsten. Gibt es ein Erfolgsgeheimnis?
William de Gale: Geheimnisse gibt es nicht, Wir suchen einfach nach vier Dingen wie etwa einen starken zugrunde liegenden Trend und dann die Unternehmen, die daraus einen Mehrwert erzielen können. Zudem muss es auch entsprechende Eintrittsbarrieren geben. Essentiell ist für uns auch, dass es eine angemessene Verteilung der Gewinne gibt, wobei auch an die Aktionäre gedacht wird. Auf die Wertschöpfung und -verteilung zu achten und nicht nur auf das Wachstumstempo eines Unternehmens oder die Wettbewerbsfähigkeit seiner Produkte ist aus unserer Sicht der entscheidende Faktor für unseren Erfolg.
Haben Sie ein Beispiel für eine schlechte Verteilung der Wertschöpfung?
Da gibt es sehr viele Beispiele. Weit verbreitet ist dies etwa bei Software-as-a-Service- oder Cloud-Software-Unternehmen. Sie weisen ein sehr starkes Wachstum auf und müssen daher ständig neue talentierte Mitarbeiter gewinnen. Dies machen sie vor allem Aktienoptionsprogrammen. Diese führen zu einer stetigen Steigerung der ausstehenden Aktien und der Verwässerung des Aktionärsanteils. Dies ist oft sehr massiv. Mehrere Jahre freier Cashflow wären meist nötig, um die Verwässerung eines einzigen Jahres auszugleichen. Je näher ein Unternehmen an San Francisco angesiedelt ist, desto schlimmer ist diese Verwässerung – die Korrelation ist bemerkenswert. Daher lassen wir die Finger von solchen Aktien.
Was hat im laufenden Jahr die Performance getrieben?
Was unsere Renditen angetrieben hat, war nicht die Performance einer einzelnen Aktie oder gar eines einzelnen disruptiven Themas, sondern das schnelle Wachstum der Nettogewinne unserer Portfoliotitel, der wichtigsten Technologieunternehmen der Welt. Sie haben eine Reihe von bahnbrechenden Innovationen in jedem Aspekt unseres Lebens erschaffen, ausgelöst durch die direkte Verbindung von Computersystemen mit der realen Welt in den letzten 20 Jahren. Dies ist insgesamt einer der entscheidenden Triebkräfte für die Technologiebranche.
Können Sie die näher erläutern?
Insbesondere in den vergangenen 15 Jahren haben Computer begonnen, die analoge Welt direkt zu erfassen und zu interagieren, ohne sich auf Menschen als Ein- und Ausgabegeräte zu verlassen. Dies hat Prozesse millionenfach beschleunigt und tausende Male mehr Anwendungen ermöglicht, was zu einer immer stärkeren Durchdringung unserer persönlichen und geschäftlichen Lebensbereiche durch Technologie geführt hat. Das beste Beispiel ist etwa das autonome Fahren. Müsste man dem Auto über einen Bildschirm oder die Tastatur sagen, was es machen müsste, gebe es keine autonomen Fahrzeuge. Erst dadurch, dass der Computer mit Sensoren und anderen Steuerungssystemen autonom entscheiden kann, lohnt sich die Entwicklung solcher KI zur Steuerung von Fahrzeugen
Ist der Hype rund um KI gerechtfertigt?
Es gibt überall immer Gewinner und Verlierer. Nur weil irgendwo KI draufsteht, ist noch lange kein gutes Investment. Wir wählen unsere 30 bis 40 Portfoliotitel sehr selektiv aus. IT ist inzwischen nicht mehr als eigenständige Branche zu sehen, sondern sie durchdringt inzwischen fast alle Branchen. Die Unternehmen, die viel in Technologie investieren, um sich einen Wettbewerbsvorsprung zu verschaffen, werden zu den Gewinnern gehören. Dies verlagert das Wachstum aus anderen Sektoren in die IT-Branche.
Nur weil man viel in Tech investiert, gehört man aber doch nicht zu den Gewinnern?
Nein, natürlich nicht. In der Fintech-Branche investieren alle so viele wie möglich in Technologie. Aufgrund dieser Überinvestitionen wird es kaum jemand schaffen, einen wirklichen Mehrwert für Aktionäre zu erzielen. Aber natürlich profitieren davon viele Techfirmen, in die wir investieren.
Die Techrally hält nun schon ein gutes Jahrzehnt an. Ist ein Ende in Sicht?
Das glaube ich überhaupt nicht. Techaktien haben den breiteren Markt in den vergangenen zehn Jahren übertroffen. Die ganzen neuen Entwicklungen rund um KI werden dafür sorgen, dass Techaktien auch in den kommenden zehn Jahren den breiten Markt outperformen werden.
Welche Art von Aktien besitzen Sie?
Unser Portfolio als eher unspektakulär. Wir suchen nach Unternehmen, die besonders von der Vernetzung profitieren. Die Werte schaffen und bei deren Geschäftsmodell die Eintrittsbarrieren hoch sind. Diese Aktien sind oft ziemlich teuer, aber nicht zu teuer genug. Man kann sie viele Jahre halten und so stetig überdurchschnittliche Renditen erzielen, ohne dass ihre Bewertungskennzahlen steigen. Wir suchen in der Regel nach Aktien, die wir 3–5 Jahre lang halten können.
Sind das dann immer die Megakonzerne?
In der Regel nicht. Denn Unternehmen mit einer Marktkapitalisierung von über 100 Milliarden US-Dollar hatten ein erstaunliches Jahrzehnt. In anderen Sektoren wäre das ein gutes Zeichen dafür, dass sie weitere zehn Jahre an der Spitze bleiben. In der Technologie ist das jedoch selten der Fall. In der Vergangenheit gab es kaum ein Tech-Unternehmen, dass 20 Jahre in Folge an der Spitze bliebt. Wenn man nur die Megakonzerne kauft, besitzt man die Disruptoren der Vergangenheit, die nun von den Disruptoren der kommenden Jahre verdrängt werden.
Was für Titel kaufen Sie dann?
Wenn wir ein Portfolio aufbauen, beginnen wir nicht mit Megacaps. Auch von übertrieben gehypten Titeln lassen wir die Finger. Sie sind in der Regel extrem teuer und haben oft sehr fragile Geschäftsmodelle. Ihre Entwicklung ist meist stimmungs- und nicht fundamental getrieben. Wir wählen vielmehr die drei bis vier Titel einer Branche aus, von denen wir überzeugt sind, dass sie sich in den nächsten fünf Jahren noch besser entwickeln werden als in den vergangenen zehn - und das ist eine sehr hohe Messlatte. Daher sind wir bei den großen Techkonzernen oft deutlich untergewichtet und konzentrieren uns stattdessen auf Aktien mit einer Marktkapitalisierung zwischen einer und 100 Milliarden US-Dollar. Hier ist das Aufwärtspotenzial viel größer, wenn man richtig liegt.
Zur Person
William de Gale war 20 Jahre lang bei BlackRock und dessen Vorgängern Mercury und Merrill Lynch für den Technologiesektor zuständig. Seit 2000 ist er Portfoliomanager. Von 2008 bis 2017 war er alleiniger Portfoliomanager für den Offshore Global Technology Fund von BlackRock. Bevor er zu BlackRock kam, diente de Gale in der britischen Armee. Er hatte seine Karriere im Finanzwesen bereits begonnen, als er sich bei Coopers & Lybrand als Wirtschaftsprüfer qualifizierte. Dies ist der Schlüssel zu seinem Erfolg als Tech-Investor: Sein umfassendes Verständnis der Rechnungslegung und der finanziellen Messgrößen für die Wertschöpfung ermöglicht es ihm, sich auf die Suche nach Geschäftsmodellen zu konzentrieren, die für die Anleger einen langfristigen Mehrwert aus Technologie und Innovation schaffen.
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