Wer „schmutzige“ Aktien verkauft, hilft auch der Umwelt. Das belegt eine neue Studie der Universität Augsburg. TiAM FundResearch sprach darüber mit Professor Marco Wilkens, einem der Autoren der Studie.
09.12.2021 | 12:40 Uhr von «Andreas Höss»
Herr Prof. Wilkens, Sie haben gemeinsam mit Ihren Koautoren Martin Rohleder und Jonas Zink der Universität Augsburg untersucht, ob es einen positiven Einfluss auf die Umwelt hat, wenn Fonds besonders schmutzige Aktien aus dem Portfolio werfen – beispielsweise Aktien von Öl- oder Kohleproduzenten. Bisher war man oft der Meinung, dass ein Rauswurf eines Unternehmens aus einem Fonds nichts am Geschäftsmodell des Unternehmens ändert. Deckt sich das mit Ihren Ergebnissen?
Professor Marco Wilkens: So einen Rauswurf bezeichnen wir als Divestment. Und nein, man sollte nicht behaupten, dass Divestments grundsätzlich nichts bringen. Übrigens gibt es in der Wissenschaft schon länger Überlegungen zu der Frage, ob und unter welchen Voraussetzungen über den Kauf und Verkauf von Aktien Geschäftsmodelle von Unternehmen im Sinne der Nachhaltigkeit beeinflusst werden können. Diese Überlegungen sind bisher allerdings primär theoretischer Natur. In unserer Studie konnten wir nun erstmals empirisch nachweisen, dass sich die Kurse der Aktien nach den Divestments im Durchschnitt schlechter entwickelten. Darüber hinaus war bei diesen Unternehmen ein rückläufiger CO2-Ausstoß gegenüber vergleichbaren Unternehmen zu beobachten.
Woher wissen Sie, dass die bessere CO2-Bilanz des Unternehmens auf den Verkauf der Aktie zurückzuführen ist? Fast alle Unternehmen sind doch mittlerweile bestrebt, ihre Umweltbilanz Schritt für Schritt zu verbessern.
Um dazu eine möglichst robuste Aussage treffen zu können, haben wir die Emissionsveränderungen der divestierten Unternehmen unter anderem mit denen einer Kontrollgruppe gleichartiger Unternehmen vergleichen, die nicht von Divestments betroffen war. So konnten wir den Effekt recht gut isolieren. Bei dieser Kontrollgruppe stiegen die Emissionen tendenziell, während sie bei den von den Fonds verkauften Aktien sanken.
Wie viele Fonds und Aktien haben Sie für die Studie untersucht?
Wir untersuchen die Transaktionen von circa 4.600 US-amerikanischen und europäischen Aktienfonds. Des Weiteren nutzen wir insbesondere Daten zu CO2-Emissionen für ca. 10.000 Unternehmen. Das ist eine sehr breite Datenbasis mit einer hohen Marktabdeckung.
Der Umwelt hilft es also, wenn ein Fonds einen Klimasünder aus seinem Portfolio wirft. Was aber hat der Fonds selbst davon?
Die Motivation, CO2-intensive Aktien zu verkaufen, kann mehrere Gründe haben. Wenn Fondsmanager davon ausgehen, dass diese Aktien überbewertet sind, kann der Verkauf rein performancegetrieben sein. Darüber hinaus legen immer mehr Anleger Wert auf Umwelt- und Klimaschutz, weshalb für Fondsmanager die Anreize steigen, den CO2-Fußabdruck ihrer Fonds zu reduzieren. Und schließlich könnten die Fondsmanager selbst beabsichtigen, einen Beitrag zur Eindämmung des Klimawandels zu leisten.
Wie viele Aktien muss ein Fonds aussortieren, um seine eigene CO2-Bilanz signifikant zu verbessern?
Im Durchschnitt können Fondsmanager schon durch den Verkauf der dreckigsten 1,5% ihres Portfolios ihren CO2-Fußabdruck um 24% verringern. Eine Halbierung des CO2-Fußabdrucks benötigt eine Umschichtung von durchschnittlich nur ca. 7,5%. Es braucht also gar nicht so viel umgeschichtet zu werden, wie man vielleicht denkt, um eine bessere Umweltbilanz aufzuweisen.
Im ersten Schritt Ihrer Studie haben Sie herausgefunden, dass die Aktienkurse der Unternehmen, die zum Zweck der Dekarbonisierung aus Fonds fliegen, nach dem Rauswurf sinken. Heißt das, besonders dreckige Unternehmen verlieren an Attraktivität am Kapitalmarkt?
Die divestierten Aktien wiesen in den 24 Monaten nach den Divestments im Durchschnitt tatsächlich 6,7 Prozent weniger kumulierte Rendite auf. Insofern kann man sagen, dass sie offensichtlich weniger attraktiv wurden, wenngleich die verkauften Aktien natürlich immer von anderen Teilnehmern am Sekundärmarkt gekauft werden – aber eben zu geringeren Kursen.
Viele Fondsmanager sagen, sie bleiben unter anderem deshalb in Aktien von Unternehmen mit umweltschädlichen Geschäftsmodellen investiert, weil sie so Einfluss nehmen und sie langfristig auf einen klima- und umweltfreundlicheren Weg zwingen können – Stichwort: Engagement. Wer nicht in ein Unternehmen investiert ist, könne dort schließlich auch nicht mehr mitreden. Das ist angesichts Ihrer Forschungsergebnisse eher eine fragwürdige Strategie, oder?
Nein! Wir zeigen zwar, dass mit den Divestments institutioneller Anleger ein positiver Umwelteffekt einherging. Jedoch bedeutet das nicht, dass Engagements keinen Effekt haben. Ich würde es so formulieren: Wenn sich Aktionäre nicht aktiv einbringen wollen, sollten sie Aktien mit umweltschädlichen Geschäftsmodellen nicht halten.
Ihre Studie ist die erste ihrer Art. Wieso hat das bisher noch niemand untersucht? Und wie sind Sie auf die Idee für das Forschungsvorhaben gekommen?
Die Untersuchung erfordert eine große Datenbasis auf Fonds- und Aktienebene. Des Weiteren haben wir eine neue Methodik entwickelt, um die Effekte auf Aktienkurse und CO2-Emissionen auf Divestment zurückführen zu können. Dass immer mehr Fondsmanager sich über die ökologischen Auswirkungen ihrer Portfolios Gedanken machen und aus Umweltgründen auch Aktien aus ihren Fonds entfernen, hat uns zusätzlich motiviert, den daraus resultierenden Effekt genauer zu untersuchen.
Lässt Ihre Studie darauf schließen, dass alle Divestments einen positiven Effekt auf die Umwelt haben?
Grundlage unserer Studie ist, dass viele institutionelle Anleger zu einem bestimmten Zeitpunkt die gleichen CO2-intensiven Aktien verkauften. Daher darf aus unserer Studie nicht pauschal geschlossen werden, dass jedes einzelne Divestment einen positiven Umwelteffekt hat. Hier besteht ein noch sehr großen Forschungsbedarf.
Vita
Professor Marco Wilkens leitet den Lehrstuhl für Finanz- und Bankenwirtschaft an der Universität Augsburg und forscht dort vor allem zur Frage der Wirksamkeit nachhaltiger Geldanlagen. Er ist Mitglied der Wissenschaftsplattform Sustainable Finance und sitzt im Advisory Board des Forums Nachhaltige Geldanlagen. Er beschäftigt sich seit seiner Berufsausbildung bei der Hamburger Sparkasse mit Finanzprodukten und hat unter anderem bereits an der Queens University in Kanada und der Macquarie University in Sidney gelehrt.
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