„Nach dem Divestment
sinkt der CO2-Ausstoß der Unternehmen“
Herr Prof. Wilkens, Sie haben
gemeinsam mit Ihren Koautoren Martin Rohleder und Jonas Zink der Universität
Augsburg untersucht, ob es einen positiven Einfluss auf die Umwelt hat, wenn
Fonds besonders schmutzige Aktien aus dem Portfolio werfen – beispielsweise
Aktien von Öl- oder Kohleproduzenten. Bisher war man oft der Meinung, dass ein
Rauswurf eines Unternehmens aus einem Fonds nichts am Geschäftsmodell des
Unternehmens ändert. Deckt sich das mit Ihren Ergebnissen?
Professor Marco Wilkens: So einen Rauswurf bezeichnen wir als Divestment. Und nein, man sollte
nicht behaupten, dass Divestments grundsätzlich nichts bringen. Übrigens gibt
es in der Wissenschaft schon länger Überlegungen zu der Frage, ob und unter
welchen Voraussetzungen über den Kauf und Verkauf von Aktien Geschäftsmodelle von
Unternehmen im Sinne der Nachhaltigkeit beeinflusst werden können. Diese
Überlegungen sind bisher allerdings primär theoretischer Natur. In unserer
Studie konnten wir nun erstmals empirisch nachweisen, dass sich die Kurse der
Aktien nach den Divestments im Durchschnitt schlechter entwickelten. Darüber
hinaus war bei diesen Unternehmen ein rückläufiger CO2-Ausstoß gegenüber
vergleichbaren Unternehmen zu beobachten.
Woher wissen Sie, dass die bessere
CO2-Bilanz des Unternehmens auf den Verkauf der Aktie zurückzuführen
ist? Fast alle Unternehmen sind doch mittlerweile bestrebt, ihre Umweltbilanz
Schritt für Schritt zu verbessern.
Um dazu eine möglichst robuste Aussage treffen zu
können, haben wir die Emissionsveränderungen der divestierten Unternehmen unter
anderem mit denen einer Kontrollgruppe gleichartiger Unternehmen vergleichen,
die nicht von Divestments betroffen war. So konnten wir den Effekt recht gut
isolieren. Bei dieser Kontrollgruppe stiegen die Emissionen tendenziell,
während sie bei den von den Fonds verkauften Aktien sanken.
Wie viele Fonds und Aktien haben
Sie für die Studie untersucht?
Wir
untersuchen die Transaktionen von circa 4.600 US-amerikanischen und
europäischen Aktienfonds. Des Weiteren nutzen wir insbesondere Daten zu CO2-Emissionen
für ca. 10.000 Unternehmen. Das ist eine sehr breite Datenbasis mit einer hohen
Marktabdeckung.
Der Umwelt hilft es also, wenn ein
Fonds einen Klimasünder aus seinem Portfolio wirft. Was aber hat der Fonds selbst
davon?
Die Motivation, CO2-intensive Aktien zu
verkaufen, kann mehrere Gründe haben. Wenn Fondsmanager davon ausgehen, dass diese
Aktien überbewertet sind, kann der Verkauf rein performancegetrieben sein.
Darüber hinaus legen immer mehr Anleger Wert auf Umwelt- und Klimaschutz, weshalb
für Fondsmanager die Anreize steigen, den CO2-Fußabdruck ihrer Fonds zu reduzieren. Und
schließlich könnten die Fondsmanager selbst beabsichtigen, einen Beitrag zur
Eindämmung des Klimawandels zu leisten.
„Zu einer Halbierung
des CO2-Fußabdrucks muss nicht viel umgeschichtet werden“
Wie viele Aktien muss ein Fonds
aussortieren, um seine eigene CO2-Bilanz signifikant zu verbessern?
Im Durchschnitt können Fondsmanager schon durch den
Verkauf der dreckigsten 1,5% ihres Portfolios ihren CO2-Fußabdruck
um 24% verringern. Eine Halbierung des CO2-Fußabdrucks
benötigt eine Umschichtung von durchschnittlich
nur ca. 7,5%. Es braucht also gar nicht so viel umgeschichtet zu werden, wie
man vielleicht denkt, um eine bessere Umweltbilanz aufzuweisen.
Im ersten Schritt Ihrer Studie
haben Sie herausgefunden, dass die Aktienkurse der Unternehmen, die zum Zweck
der Dekarbonisierung aus Fonds fliegen, nach dem Rauswurf sinken. Heißt das,
besonders dreckige Unternehmen verlieren an Attraktivität am Kapitalmarkt?
Die divestierten Aktien wiesen in den 24 Monaten nach
den Divestments im Durchschnitt tatsächlich 6,7 Prozent weniger kumulierte
Rendite auf. Insofern kann man sagen, dass sie offensichtlich weniger attraktiv
wurden, wenngleich die verkauften Aktien natürlich immer von anderen
Teilnehmern am Sekundärmarkt gekauft werden – aber eben zu geringeren Kursen.
Viele Fondsmanager sagen, sie
bleiben unter anderem deshalb in Aktien von Unternehmen mit umweltschädlichen
Geschäftsmodellen investiert, weil sie so Einfluss nehmen und sie langfristig
auf einen klima- und umweltfreundlicheren Weg zwingen können – Stichwort:
Engagement. Wer nicht in ein Unternehmen investiert ist, könne dort schließlich
auch nicht mehr mitreden. Das ist angesichts Ihrer Forschungsergebnisse eher
eine fragwürdige Strategie, oder?
Nein! Wir zeigen zwar, dass mit den Divestments institutioneller
Anleger ein positiver Umwelteffekt einherging. Jedoch bedeutet das nicht, dass
Engagements keinen Effekt haben. Ich würde es so formulieren: Wenn sich
Aktionäre nicht aktiv einbringen wollen, sollten sie Aktien mit umweltschädlichen
Geschäftsmodellen nicht halten.
Ihre Studie ist die erste ihrer
Art. Wieso hat das bisher noch niemand untersucht? Und wie sind Sie auf die
Idee für das Forschungsvorhaben gekommen?
Die Untersuchung erfordert eine große Datenbasis auf
Fonds- und Aktienebene. Des Weiteren haben wir eine neue Methodik entwickelt,
um die Effekte auf Aktienkurse und CO2-Emissionen auf Divestment
zurückführen zu können. Dass immer mehr Fondsmanager sich über die ökologischen
Auswirkungen ihrer Portfolios Gedanken machen und aus Umweltgründen auch Aktien
aus ihren Fonds entfernen, hat uns zusätzlich motiviert, den daraus
resultierenden Effekt genauer zu untersuchen.
Lässt
Ihre Studie darauf schließen, dass alle Divestments einen positiven Effekt auf
die Umwelt haben?
Grundlage unserer Studie ist, dass viele
institutionelle Anleger zu einem bestimmten Zeitpunkt die gleichen CO2-intensiven
Aktien verkauften. Daher darf aus unserer Studie nicht pauschal geschlossen
werden, dass jedes einzelne Divestment einen positiven Umwelteffekt hat. Hier besteht
ein noch sehr großen Forschungsbedarf.
Vita
Professor Marco Wilkens leitet den Lehrstuhl für Finanz- und Bankenwirtschaft an der Universität Augsburg und forscht dort vor allem zur Frage der Wirksamkeit
nachhaltiger Geldanlagen. Er ist Mitglied der Wissenschaftsplattform Sustainable Finance und sitzt im Advisory Board des Forums Nachhaltige Geldanlagen. Er
beschäftigt sich seit seiner Berufsausbildung bei der Hamburger Sparkasse mit
Finanzprodukten und hat unter anderem bereits an der Queens University in
Kanada und der Macquarie University in Sidney gelehrt.
Professor Marco Wilkens
Studie
Die deutsche
Kurzversion der Studie finden Sie hier
Das englischsprachige
Original der Studie finden Sie hier
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