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Nachhaltigkeit: Viele Vermögensverwalter bleiben vorerst in Deckung

Kolumne

Über die verkorkste Komplexität der Thematik ist viel geschrieben worden. Eine Anfang August im VuV gestartete Initiative, durch konzertierte Brandbriefe an politische Repräsentanten die als sinnlose Farce empfundenen Regelungen noch zu verhindern, ist selbst in der nicht gerade durch Duckmäusertum bekannten Branche der unabhängigen Vermögensverwalter überwiegend auf eine von Desillusionen geprägte Skepsis gestoßen.

12.09.2022 | 12:10 Uhr von «Dr. Nero Knapp»

Eine der eher bitteren Erkenntnisse seit 2008 ist es, dass auch noch so eindringliche Bedenken vom Regulator mit einem wohlmeinenden Verständnis schlichtweg ignoriert werden. Das Zeitalter der Mitwirkung der bürgerlichen Mitte scheint dem Ende zuzugehen. Möglicherweise ist es in Anbetracht der zu bewältigenden elementaren Aufgaben auch gar nicht so unplausibel, nicht jede Einwendung der jeweils betroffenen Branche zum Anlass für Korrekturen zu nehmen.

Wie befürchtet, sind die Änderungen zur Geeignetheitsprüfung in der DVO-MiFID 2 (Einbeziehung der Nachhaltigkeitspräfenzen) sowie die ab 01.01.2023 zu berücksichtigenden RTS zur OffenlegungsVO mit ihren verschachtelten Pflichtenkatalogen in Kraft getreten. Ungeachtet der Möglichkeit, unterhalb der gesetzlich definierten Nachhaltigkeitspräferenz-Kategorien ein einfaches ESG-Basiskonzept anzubieten, ziehen es zahlreiche Vermögensverwalter nun doch vor, vorerst in Deckung zu bleiben. Zum einen schrecken die mit einem „Bewerben“ von ökologischen oder sozialen Merkmalen verbundenen Offenlegungs- und Nachweispflichten ab. Zum anderen haben einige Institute Hemmungen, ihren Kunden mit einem einfachen ESG-Basis-Modell ein irgendwie halbgares Nachhaltigkeitskonzept anzubieten. Die Krux zahlreicher dieser Modelle besteht (jedenfalls derzeit noch) darin, dass die einfachen Bewertungen nicht auf die gesetzlich definierten Nachhaltigkeitspräfenzen runtergebrochen werden können. So bleibt beispielsweise völlig unklar, welche konkreten Schlussfolgerungen aus einem bestimmten „Score“ in Bezug auf nachteilige Auswirkungen auf Nachhaltigkeitsfaktoren gezogen werden können. Welcher Nachhaltigkeitsfaktor wurde von dem Unternehmen in welcher Weise begünstigt? Ebenso wenig kann den Bewertungsmodellen entnommen werden, ob die strengen Anforderungen der TaxonomieVO eingehalten oder welche Beiträge zur Förderung von Umwelt- oder Sozialzielen geleistet werden.

Ein weiterer Grund für die zu beobachtende Zurückhaltung dürfte auch sein, dass es durchaus ambitioniert ist, die offenbar aus einer akademischen Parallelwelt entstammenden Strukturen der den drei gesetzlich definierten Nachhaltigkeitspräferenzen zugrunde liegen Nachhaltigkeitskategorien einem interessierten Kundenkreis nachvollziehbar zu erklären. Zusätzlich noch zu erläutern, dass wegen der Komplexität auf ein außerhalb der gesetzlichen Kategorien stehendes ESG-Scoring-Modell zurückgegriffen wird, könnte der Grad der Verwirrtheit nochmals steigern. Daher ist es wohl einfacher klarzumachen, dass mangels verfügbarer Daten ein glaubwürdiges Nachhaltigkeitskonzept noch nicht angeboten werden kann und die weitere Entwicklung vorläufig abgewartet wird.

Dass die Finanzbranche einem völlig unausgegorenen Nachhaltigkeitskonstrukt ausgesetzt und zahlreiche Anbieter gewissermaßen gezwungen werden, dieses durchaus berührende Themazunächst von der Seitenlinie aus zu beobachten, ist das miserabelste Armutszeugnis, das sich der europäische Gesetzgeber bisher ausgestellt hat.

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