Nikolaj Schmidt, Chief International Economist bei T.
Rowe Price analysiert:
„Aus
wirtschaftlicher Sicht dürften die Auswirkungen insgesamt gering sein.
Natürlich wird es kurzfristig einen Nachfragerückgang geben, da die
Staatsausgaben stark gekürzt werden und die Staatsbediensteten im Urlaub sind.
Diese Schwäche wird jedoch wieder ausgeglichen werden, wenn die Regierung ihre
Arbeit wieder aufnimmt und die noch ausstehenden Gehälter ausgezahlt werden.
Die kurzfristige Belastung beläuft sich auf etwa 0,2 % (AR) des BIP für jede
Woche, die der Stillstand andauert.
·
Der
Regierungsstillstand unterstreicht die Polarisierung und Dysfunktionalität des
derzeitigen politischen Systems. Ein Shutdown erhöht die wirtschaftliche
Unsicherheit leicht, was sich negativ auf Investitionen und Konsum auswirkt.
·
Rating-Agenturen
(Moody's) haben festgestellt, dass die wiederholten Anzeichen von
Dysfunktionalität die Kreditwürdigkeit der USA beeinträchtigen. Ich erwarte
nicht, dass ein Regierungsstillstand zu einer weiteren Herabstufung des Ratings
führen wird. Sollte dies dennoch der Fall sein, erwarte ich, dass die
Auswirkungen gering sein werden - allerdings wird dies die zunehmende
Unsicherheit verstärken.
·
Ein
Shutdown der Regierung wird die Veröffentlichung wichtiger Daten verzögern,
z.B. des Inflationsberichts und der Beschäftigungsdaten (Lohnsumme außerhalb
der Landwirtschaft). Die Umfragedaten der Fed, die Beschäftigungsdaten von ADP
und die Erstanträge auf Arbeitslosenhilfe werden jedoch verfügbar sein.
Folglich werden die Finanzmärkte und die politischen Entscheidungsträger in
einem Datennebel operieren, aber nicht in einem Datenvakuum.
·
Der
Regierungsstillstand fällt in eine Zeit, in der die Wirtschaft unter einigen
anderen Verzerrungen leidet, die zusammengenommen zu einem weichen Datenbild
führen dürften. Wir sehen die Rückzahlung von Studentenkrediten, wir haben den
Streik der Automobilarbeiter und schließlich werden wir die Auswirkungen des
starken Anstiegs der Ölpreise und der Marktzinsen zu spüren bekommen. Während
es sich bei den ersten beiden um vorübergehende Störungen handelt, stellen die
beiden letztgenannten eine ernstere Herausforderung dar.
·
Geldpolitik:
Meiner Meinung nach wird die Fed derzeit keine Maßnahmen ergreifen, um eine
Lockerung der finanziellen Bedingungen zu unterstützen. Daher wird ein Shutdown
der Regierung nicht zu einer dovishen Überraschung seitens der Fed führen. Das
Ergebnis der Sitzung des Offenmarktausschusses (FOMC) im September war jedoch
eine deutliche Straffung der finanziellen Konditionen, und ich gehe davon aus,
dass die Fed an ihrer restriktiven Haltung festhalten wird. Dies entspricht in
etwa der aktuellen Markteinschätzung.
Auswirkungen auf die Märkte:
·
Bei
steigender Unsicherheit neigen Anleger dazu, ihre Positionen zu reduzieren. In
der Nacht des Shutdown ist der Markt beim US-Dollar long und bei den Zinsen
short im Vergleich zu anderen Währungen. Hinzu kommt, dass sich die Datenlage
etwas eintrüben dürfte. Ich erwarte daher, dass der Shutdown zu einer Abwertung
des US-Dollars und einer moderaten Rallye am Anleihemarkt führen wird.
·
Aktien
und Anleihen werden von einer Verschnaufpause beim Ausverkauf der Zinsen profitieren,
aber schwächere Wachstumsdaten dürften für Gegenwind sorgen. Unter dem Strich
erwarte ich, dass der „Shutdown“ der US-Regierung nur einen geringen negativen
Einfluss auf die Aktienmärkte haben wird.
Die alarmierendste Auswirkung des wahrscheinlichen
Regierungsstillstands ist, dass er die Dysfunktionalität von Washington D.C.
aufzeigt. Dies geschieht zu einer Zeit, in der sich Anleger fragen, ob das sehr
hohe Haushaltsdefizit finanziert werden kann. Der Stillstand und die politische
Polarisierung fördern weder die Haushaltskonsolidierung noch das Vertrauen der
Anleger in US-Staatsanleihen. Zudem werden steigende Zinsen das
Haushaltsdefizit weiter in die Höhe treiben, wenn keine substanziellen
fiskalischen Anstrengungen unternommen werden. Ich betrachte den Shutdown der
Regierung als ein Symptom an. Das eigentliche Problem ist die politische
Polarisierung, die sich in den USA verbreitet hat."
Thorsten Weinelt, CIO bei der Commerzbank, schreibt zu den Folgen des Shutdowns:
„Heute läuft die Ausgabenermächtigung der US-Regierung aus. Zuletzt haben
sich die Hoffnungen auf einen Kompromiss dazu verringert. Viele Behörden, die
keine kritischen Aufgaben etwa in der Gesundheitsversorgung übernehmen, müssten
dann schließen. Die Schließung der Behörden folgt am 1. Oktober, wenn der
Kongress nicht handelt. Dies würde die US-Wirtschaft belasten, aber wohl nur in
geringem Ausmaß, da die meisten Ausgaben später wieder nachgeholt werden. Das
Haushaltsbüro des US-Kongresses CBO schätzt die Auswirkungen für das
Schlussquartal 2018 auf 0,1 bis 0,2 Prozentpunkte des BIP. Sicherlich wäre ein
Shutdown nicht gut für die Stimmung der Konsumenten und Unternehmen. Allerdings
ist die hauptsächliche Wirkung eines Shutdowns erfahrungsgemäß politisch und
nicht wirtschaftlich. Da einige Statistikinstitute betroffen sind, dürfte wohl
die pünktliche Veröffentlichung des nächsten Freitag anstehenden
Arbeitsmarktberichts für September zum Opfer fallen. Die US-Notenbank Fed, die
Daten zur Industrieproduktion veröffentlicht, ist nicht direkt von einem
Shutdown betroffen, sie ist für ihre Statistik aber teilweise auf
Datenzulieferungen von anderen Stellen angewiesen. "Private" Daten
wie der ISM-Einkaufsmanagerindex sind nicht betroffen. Fed-Notenbanker äußern
immer wieder, dass der Arbeitsmarktbericht für eine weitere Zinserhöhung
wichtig sei. Deshalb erhöht ein Shutdown und das Ausbleiben von
Arbeitsmarktdaten auf jeden Fall die Unsicherheit für die Märkte."
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