"Wir sind überreguliert, wir sind zu langsam. Wir sind
Erkenntnisriesen, aber Handlungszwerge. Das ist im Moment unser Problem. Wir
müssen da entschlossen dran gehen." Genehmigungsprozesse müssten
beschleunigt werden, die Wirtschaft brauche eine Bürokratiebremse und keine
neuen Belastungen. Aus Sicht von Industriepräsident Siegfried Russwurm muss
Deutschland "raus aus dem Krisenmodus und rein in den Gestaltungsmodus".
Nach Meinung des Präsidenten des Bundesverbandes Großhandel,
Außenhandel, Dienstleistungen (BGA), Dirk Jandura, muss Deutschland
"moderner, digitaler, flexibler und schneller werden - in der täglichen
Arbeit, in der Infrastruktur oder auch bei der Umsetzung von
Investitionsvorhaben." Die Regierung lege im Moment eine relativ starke
Regelungswut an den Tag, Bürokratieabbau müsse Priorität haben.
DGB-Chefin Yasmin Fahimi hat nach eigenem Bekunden
"überhaupt nichts gegen Entbürokratisierung", wo es Entlastung
schaffe: "Das darf aber nicht das Tor öffnen für eine allgemeine
Deregulierung. Wenn man als Unternehmer weniger gesetzliche Vorgaben und
Verordnungen will, dann ist es das Beste, in eigener Verantwortung dafür zu sorgen,
dass sie gar nicht erst notwendig werden."
Aus Sicht von Dulger ist die Lage ähnlich wie im Fußball:
"Die Erwartungen sind riesengroß, wenn die deutsche Mannschaft auf den
Platz geht. Doch was abgeliefert wird, reicht nicht." Es gebe
Herausforderungen, die vergleichbar seien mit der Wiedervereinigung.
"Damals gab es aber einen umfassenden Reformprozess mit einer klaren
Stoßrichtung." Heute sei die Lage wesentlich unstrukturierter. "Wir
haben eine deutliche Schräglage in der Diskussion. Es geht zu viel darum, wie
Geld verteilt wird. Und zu wenig darum, wovon wir eigentlich leben wollen. Die
Antworten der Politik reichen nicht. Wir brauchen eine neue Agenda Deutschland
5.0."
Die Bundesregierung müsse ihr Versprechen einhalten und
Bremsen lösen für die Wirtschaft. Das versprochene Belastungsmoratorium finde
in weiten Teilen nicht statt, kritisierte der Präsident der Bundesvereinigung
der Deutschen Arbeitgeberverbände. "Es wird genau das Gegenteil von dem
geliefert, was wir eigentlich bräuchten." Weil ab 2025 die Babyboomer in
Rente gehen, wird es Dulger zufolge zu einem Wohlstandsverlust kommen.
"Wir werden ohne Zuwanderung und ohne steigende Erwerbsquote im
Wohlstandswettbewerb zurückfallen." Dadurch gingen auch Beiträge und
Steuern verloren. "Und die Demografie ist nicht verhandelbar. Das wird so
kommen, wenn wir nicht gegensteuern."
Der Generalsekretär des Zentralverbands des Deutschen
Handwerks, Holger Schwannecke, forderte, über die Sozialsysteme nicht nur
nachzudenken, sondern zu handeln. "Die Finanzierung der Sozialsysteme ist
aktuell vor allem an den Faktor Arbeit gekoppelt." Das belaste
Handwerksbetriebe in besonderer Weise angesichts eines Personalkostenanteils
von teils bis zu 80 Prozent. Das werde sicher eine schwierige
gesellschaftspolitische Diskussion, sagte Schwannecke. Am Ende müssten aber
Generationengerechtigkeit und Zukunftssicherheit dieser Systeme gewährleistet
seien, Betrieben Luft zum Atmen bleiben und den Beschäftigten mehr Netto vom
Brutto.
Für Russwurm geht es um einen handhabbaren Plan für die
Zukunft, vor allem die Dekarbonisierung der Wirtschaft. Er stehe zum Ausbau
erneuerbarer Energien, sagte der Präsident des Bundesverbandes der Deutschen
Industrie: "Aber wir kommen mit den Stromleitungen nicht weiter. Wir
kommen mit den Backup-Kraftwerken nicht weiter. Es gibt keinen nennenswerten
Stromspeicher." Wolle die Ampel eine echte Fortschrittskoalition sein,
müsse sie umgehend Reformen einleiten vor allem für Investitionen und
Innovationen - etwa in die künftige Energiewirtschaft und so für Klimaschutz.
Deutschland brauche den "Umsetzungsturbo", um die Klimaziele 2030 und
2045 zu erreichen.
Quelle: dpa-AFX
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