Abgaben statt Erträge sind vielfach die neue Normalität bei Sparkonten. Berater können mit guten Argumenten Anleger von ertragreicheren Investments überzeugen.
02.10.2019 | 14:25 Uhr von «Christian Bayer»
Die Hoffnung auf ein baldiges Ende der Niedrig- und Negativzinsen dürfte sich
als trügerisch herausstellen. Aktuelle Inflationsdaten erhöhen den Druck auf
weiter. Laut Statistischem Bundesamt (Destatis) lag die Inflation in
Deutschland einer ersten Schätzung zufolge im September bei 1,2 Prozent. Mit
Blick auf die Preissteigerungen in der Euro-Zone, gemessen am Harmonisierten
Verbraucherpreisindex (HVPI), hat die Inflation, u. a. bedingt durch niedrige
Energiepreise, nur 0,9 Prozent betragen. Da das Inflationsziel der EZB bei zwei
Prozent liegt, ist der Weg klar. Die Zinsen werden weiter sinken und Anleger,
die ihr Geld auf Tages- und Festgeldkonten parken, müssen mit niedrigeren
Erträgen bzw. höheren Strafzinsen rechnen.
Schon bei der letzten Zinssenkung der EZB langten die Banken und Sparkassen bei
Sparguthaben zu. Darauf weist das Vergleichsportal Verivox hin. So hat die
Sparkasse Rotenburg-Osterholz den Zins von -0,4 Prozent auf -0,5 Prozent
gesenkt. Die Konditionen gelten für Guthaben ab einer Million Euro. Zum 1.
Oktober folgte die Skatbank und senkte ebenfalls auf -0,5 Prozent und das schon
bei Einlagen ab 100.000 Euro. Bislang galt ein Negativzins von -0,4 Prozent ab
einer angesparten Summe von 500.000 Euro. Dabei werden Kosten an Kunden
weitergegeben, die bei den Banken teilweise gar nicht anfallen. Denn die EZB
hat für die Banken ein Staffelsystem eingeführt, das vorsieht, dass erst ab
einer bestimmten Volumengrenze -0,5 Prozent anfallen. Bei einem niedrigeren
Volumen ist der Abschlag geringer.
Kritik am Zins-Wahnsinn kommt mittlerweile auch von Juristen. Die von der EZB
eingeführten Strafzinsen, wenn Geschäftsbanken ihr überschüssiges Geld bei der
EZB anlegen, sind seit fünf Jahren üblich. Kai-Oliver Knops, Professor für
Bank- und Kapitalmarktrecht an der Universität Hamburg, hält diese
Negativzinsen für rechtswidrig. Laut seinen Schätzungen hat die EZB seit 2014
gut 40 Milliarden Euro an Strafzinsen kassiert. Aus seiner Sicht könnten die
Institute zurückfordern, weil es für die Erhebung keine hinreichende
Rechtsgrundlage gibt. Zum einen sieht der Banken-Experte die Entscheidung für
Negativzinsen in den Beschlüssen der EZB nicht ausreichend begründet. Zudem
stellt sich für ihn die Frage, ob aufgrund der hohen Auswirkungen auf Banken
und Sparer nicht das Europäische Parlament hätte mitwirken müssen. Juristisch
sieht er die Negativzinsen als Abgabe, dafür wären die Mitgliedsstaaten
zuständig. Falls sich seine Auffassung durchsetzen würde, könnten die Banken
die Negativzinsen auch nicht mehr auf die Sparer umwälzen. Bei deutschen Banken
beobachtet Professor Knops allerdings eine Zurückhaltung, sich mit der
Deutschen Bundesbank juristisch anzulegen. Er hält es jedoch für möglich, dass
ein Bankenverband aus der Eurozone in der Frage direkt beim Europäischen
Gerichtshof Klage erhebt.
Der Weg vom Sparer zum Anleger ist alternativlos, wenn Erträge erwirtschaftet werden müssen. Klar ist: Sparkonten kann man sich vor dem Hintergrund des Zinsumfeldes sparen. In einer quartalsweise seit 2001 erhobenen Umfrage von Forsa im Auftrag von Union Investment werden 500 Finanzentscheider in privaten Haushalten im Alter von 20-59 Jahren befragt, die mindestens eine Geldanlage besitzen. 39 Prozent der Befragten fanden im dritten Quartal des laufenden Jahres Investmentfonds attraktiv, im zweiten Quartal waren es 37 Prozent. Deutlich höher, nämlich bei 59 Prozent, lag die Quote bei Anlegern, die bereits in Investmentfonds investieren. 49 Prozent halten es für grundsätzlich sinnvoll, in chancenreichere Investments anzulegen und 43 Prozent haben bereits erwogen, monatlich einen festen Betrag in Investmentfonds anzulegen. Trotz dieser grundsätzlichen Bereitschaft setzen immer noch 74 Prozent aufs Sparbuch. „In unruhigen Zeiten – Stichpunkt Handelskonflikt, globale Konjunktursorgen und die Debatte um den Brexit – haben die Menschen Angst vor Vermögensverlust“, so Giovanni Gay, Geschäftsführer bei Union Investment.
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