Infiziert die Coronakrise die Anleihemärkte? – Was Berater jetzt wissen müssen
Beim Corona-bedingt volatilen täglichen Auf und Ab an den Finanzmärkten liegt bei vielen Investoren der Fokus auf den Aktienkursen. Dabei kommt es bei Anleihen zu Entwicklungen, die weitreichende Folgen für Wirtschaft und Märkte haben.01.04.2020 | 16:10 Uhr von «Christian Bayer»
Wiederholt sich die Geschichte?
Anleihe-Investoren, die an die Finanz- und Bankenkrise zurückdenken, dürften
ein Déjà-vu-Erlebnis haben. So war beispielsweise der Markt für High Yields damals
ausgetrocknet, Investoren scheuten das Risiko wie der Teufel das Weihwasser. Mittlerweile
beklagen Marktteilnehmer eine vergleichbare Situation. Im Unterschied zur
Finanzkrise betrifft die Corona-Krise allerdings so gut wie alle Bereiche des Wirtschaftslebens,
nicht nur den Banken- und Finanzsektor. Viele Unternehmen benötigen dringend
Geld, um die existentielle Krise zu meistern. Selbst renommierte und
börsennotierte Konzerne, denen es noch gelingt, Anleihen zu platzieren, müssen
sich deutlich teurer finanzieren als noch vor der Corona-Krise. So hat die
Finanzsparte des VW-Konzerns gestern drei Anleihen mit unterschiedlichen
Laufzeiten und einem Gesamtvolumen von 2,15 Milliarden Euro begeben. Allerdings
wird es für die Unternehmen teurer. Der Aufschlag für ein Papier mit
fünfjähriger Laufzeit beträgt 3,35 Prozentpunkte über dem Basiszinssatz und liegt
damit dreimal höher als bei vergleichbaren Papieren zum Jahresende 2018.
Mit Staatsgarantie
Zur Sicherung der Liquidität für die Unternehmen geht die Bundesregierung einen
neuen und radikalen Weg. Der in der vergangenen Woche verabschiedete 600
Milliarden Euro schwere Wirtschaftsstabilisierungsfonds macht´s möglich. Bis zu
400 Milliarden Euro davon sind für staatliche Garantien von Anleihen vorgesehen.
Während der Finanzkrise gab es diese Möglichkeit bereits für Bankanleihen. Da
in der aktuellen Pandemie die Krise auf die gesamte Wirtschaft ausgedehnt ist,
soll nun die Möglichkeit der staatlichen Garantien auch auf Unternehmen
außerhalb des Finanzsektors ausgedehnt werden. Die Experten der LBBW weisen
darauf hin, dass die gesetzliche Regelung auch Nachranganleihen umfasst.
Angst vor den „fallen angels“
Unternehmen stehen aktuell von zwei Seiten aus unter Druck. Zum einen fehlen
durch die Krise die Erträge, auf der anderen Seite steigen die
Finanzierungskosten. Eben dieser Teufelskreis soll durch die staatlichen
Garantien durchbrochen werden. Vor allem in den USA droht noch ein weiteres
Problem. Durch die Verschlechterung des Ratings rutschen Unternehmen, die
gerade noch ein Investmentgrade-Rating bekommen haben, auf Ramsch-Status ab und
werden zu „fallen angels“. Die Folge: Viele Investoren, die aus regulatorischen
Gründen nur Investmentgrade-Anleihen halten dürfen, müssen die Unternehmensanleihen
dann aus ihren Depots werfen. Allerdings gibt es auch Experten, die die Lage
weniger dramatisch sehen, als es die Stimmung aktuell widerspiegelt. „Selbst
bei einer massiven Rezession in Folge der Coronavirus-Krise dürfte es nicht zu
massenhaften Insolvenzen kommen, da Notenbanken und Regierungen umfangreiche
Hilfspakete für Unternehmen verabschiedet haben“, beruhigt Ulrich Stephan,
Chefanlagestratege der Deutschen Bank.
Chancen nutzen
Ariel Bezalel, Head of Strategy, Fixed Income, und Fondsmanager Harry Richards von Jupiter Asset Management sehen aktuell auch Opportunitäten, die Investoren nutzen können. Aus Sicht der Experten sind die Kursausschläge an den Anleihemärkten aktuell unverändert hoch. Vor einigen Tagen sei es zu einem undifferenzierten Ausverkauf gekommen, der vermeintlich sichere Staatsanleihen genauso in Mitleidenschaft gezogen hat wie Investment-Grade- und High-Yield-Papiere. „Einen bedeutenden Anteil an diesem Ausverkauf hatten Zwangsverkäufe von Investoren, die ihre liquidesten Vermögenswerte verkaufen mussten, um sich die notwendige Liquidität zu sichern“, so die Anleihe-Strategen. Die Experten erwarten, dass es bei den „Safe haven“-Anlagen wie Staatsanleihen schon bald wieder zu einer Stabilisierung kommen wird und diese sich überdurchschnittlich entwickeln würden. Allerdings sollten sich Investoren auf eine anhaltend hohe Volatilität einstellen. Bullisch zeigen sich Bezalel und Richards vor allem bei US-amerikanischen, australischen und neuseeländischen Staatsanleihen.
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Quelle: BÖRSE ONLINE