Jede Woche veröffentlichen führende Vermögensverwalter weltweit zahlreiche fundierte Einschätzungen zu den Finanz- und Kapitalmarktmärkten. Um einen Überblick zu erhalten, fasst TiAM FundResearch regelmäßig die wichtigsten Aussagen für Sie kompakt zusammen.
08.12.2023 | 12:10 Uhr von «Peter Gewalt»
Diese Woche analysieren die Finanzmarktexperten die Aussichten für die Aktien-und Anleihemärkte im kommenden Jahr.
So kommentiert Adam Hetts, Global Head of Multi-Asset bei Janus
Henderson Investors, die Ausgangslage für 2024:
„Nach einem überraschend robusten Aktienmarkt im Jahr 2023 sehen wir die
Weltwirtschaft zu Beginn des neuen Jahres in einem besorgniserregend fragilen
Zustand. Deshalb sind wir der Ansicht, dass eine defensive Positionierung
angebracht ist. Neben diesen akuten Herausforderungen müssen die Chancen
genutzt werden, die sich aus einem Paradigmenwechsel ergeben. Er wird unserer
Einschätzung nach von drei säkularen Kräften angetrieben: Geopolitische
Neuausrichtung, demografischer Wandel und die Rückkehr der Kapitalkosten
aufgrund höherer Zinssätze.
Die aktuelle Marktdynamik schafft glücklicherweise genügend
Möglichkeiten defensiv positioniert zu bleiben und zugleich an langfristigen
Wertsteigerungsmöglichkeiten in den säkularen Themen, die die Weltwirtschaft
verändern, teilzuhaben. Wir halten es für riskant, Bargeld zu halten, denn die
Geschichte lehrt uns, dass 1) selbst bei den heutigen verlockenden Zinssätzen
Cash vom Beginn der wirtschaftlichen Schwäche bis zur ersten Erholung deutlich
schlechter abschneidet als ein ausgewogenes Portfolio, und 2) eine Erhöhung des
Zinsrisikos, nachdem die Zentralbanken mit der Lockerung der Geldpolitik
begonnen haben, tendenziell zu spät kommt.
Eine zu erwartende Vielzahl von „Stop-and-Go-Wirtschaftsdaten“ deutet
darauf hin, dass Qualität in Multi-Asset-Portfolios Vorrang haben sollte, was
unsere derzeitige defensive Positionierung unterstreicht. Für Aktien bedeutet
dies ein Engagement in Unternehmen, die über den Zyklus hinweg ein beständiges
Gewinnwachstum erzielen können. Bei den festverzinslichen Wertpapieren können
Anleger wieder auf Investment-Grade-Anleihen zurückgreifen, um Erträge zu
erzielen und gegenüber Aktien zu diversifizieren. Die anlageübergreifende
Diversifizierung gewinnt unter solchen Bedingungen an Bedeutung, wobei auch
alternative Strategien, die nicht mit Aktien und Anleihen korrelieren, eine
Rolle spielen.“
Die Investmentexperten von JP Morgan erwarten folgende Trends im kommenden
Jahr:
„Auf dem Weg ins Jahr 2024 hat eine Kombination aus solider
Aktivität und sinkender Inflation dazu geführt, dass sich das Marktnarrativ
zunehmend in Richtung einer weichen Landung verschiebt. Wir sind da etwas
skeptischer. Auch wenn die westlichen Volkswirtschaften weniger zinssensitiv
als in der Vergangenheit sind, gehen wir davon aus, dass die „langen und
variablen Verzögerungen“ bei der Übertragung der Geldpolitik zumindest einen
Teil der Erklärung für die bisherige wirtschaftliche Widerstandsfähigkeit sind.
Für die Zentralbanken ist es zu früh, den Sieg über die Inflation zu verkünden,
und wir gehen davon aus, dass Zinssenkungen im Jahr 2024 die wirtschaftliche
Schwäche wahrscheinlich nicht verhindern werden.Wir glauben daher, dass die
Zinssätze später sinken könnten, als der Markt derzeit erwartet, aber
letztendlich könnten sie auch weiter sinken als prognostiziert. Unserer Ansicht
nach sollten sich Anlegerinnen und Anleger darauf konzentrieren, die derzeit am
Anleihenmarkt gebotenen Renditen zu sichern. Angestrebte Alternativen könnten
die Rolle, die Anleihen als Diversifizierer gegen verschiedene Risiken spielen,
noch verstärken. Bei Aktien erfordert der potenzielle Margendruck einen Fokus
auf Qualität und Erträge.
Quelle: Trading Economics
„Cool bleiben und auf Aktien setzen“ betitelt Union Investment den Jahresausblick von Dr. Frank Engels, CIO und für das Portfoliomanagement verantwortlicher Vorstand die Fondsgesellschaft:
Die Kombination aus graduell besseren Wachstumsaussichten, nachlassender Inflation und ersten Leitzinssenkungen dürfte nach Einschätzung des Kapitalmarktstrategen dazu führen, dass Aktien auf Jahressicht die besten Perspektiven aufweisen. „Die positiven Treiber kommen vor allem in der zweiten Jahreshälfte zum Tragen“, schränkt er zwar ein. Das Potenzial für Kursanstiege dürfte aber in etwa dem Wachstum der Gewinne entsprechen, die Engels mit bis zu zehn Prozent auf Indexebene beziffert. Bei Sektoren und Stilrichtungen rät er zu einer ausgewogenen Aufstellung. „Wir rechnen in fast allen Sektoren mit Gewinnwachstum, aber eben nicht bei allen Unternehmen. Für den Anlageerfolg wird es also weniger auf die Allokation als auf die Selektion ankommen.“
Bei sicheren Staatsanleihen erwartet Engels keinen breit angelegten Renditerückgang. „Die Leitzinssenkungen der Notenbanken dürften dazu führen, dass vor allem bei kurzlaufenden Papieren die Renditen sinken. Bei den längeren Laufzeitenbändern wirkt der bessere Wachstumsausblick und der hohe Refinanzierungsbedarf in den nächsten Jahren einem Rückgang jedoch teilweise entgegen“, analysiert er. In der Folge rechnet Engels unter starken Schwankungen bei zweijährigen US-Staatsanleihen mit einem Rückgang der Renditen bis zum Jahresende auf 3,75 Prozent, während sie bei zehnjährigen Papieren nur auf lediglich 4,25 Prozent zurückgehen dürften. Im Euroraum ist mit einer ähnlichen Entwicklung zu rechnen. Hier geht Engels per Ende 2024 von einem Renditeniveau von 2,5 Prozent bei zweijährigen und 2,7 Prozent bei zehnjährigen Bundesanleihen aus. Bei Staatsanleihen aus der europäischen Peripherie sieht er ein zweigeteiltes Bild: Während einige Länder wie Griechenland oder Portugal ihre fiskalische Position stabilisiert haben, sieht er Italien vor wachsenden Herausforderungen.
Quelle: Trading Economics
Ben Way, Group Head bei Macquarie Asset Management analysiert die entscheidenden Themen für die wichtigsten Anlageklassen 2024: „Macquarie Asset Management geht davon aus, dass börsennotierte Aktien aufgrund des volatileren wirtschaftlichen Umfelds und der Tatsache, dass Anleihen wieder zu einer lohnenden Alternative geworden sind, unter Druck geraten werden. Obwohl die Bewertungen von US-Großunternehmen überzogen erscheinen, sieht das Unternehmen Chancen bei US-Small Caps und gelisteten Real Assets. Außerhalb der USA könnten europäische Aktien aus Bewertungsgründen zunehmend attraktiv für Anleger werden.
Vor dem Hintergrund einer rückläufigen Inflation, eines sich verlangsamenden BIP-Wachstums, pausierenden Zentralbanken und wenig eingepreisten Zinssenkungen in den nächsten 12 Monaten sieht Macquarie Asset Management Anleihen als gutes Investment an. Die Kreditaufschläge sind jedoch nicht auf einem Niveau, das mit rezessiven Bedingungen vereinbar ist, weshalb das Team Anleihen am risikoarmen Ende des Spektrums bevorzugt. In den USA bieten nach Ansicht von Macquarie Asset Management auch kommunale Anleihen und forderungsbesicherte Wertpapiere staatlich geförderter Hypothekenbanken (sog. agency mortgage-backed securities) eine gute risikoadjustierte Renditechance.
Der Bereich der realen Vermögenswerte zeichnet sich durch die defensiven Eigenschaften von Infrastruktur, ihre Fähigkeit zur Absicherung gegen Inflationsschübe und ihre vergleichsweise hohen Renditen aus. Diese Eigenschaften dürften Anleger im erwarteten makroökonomischen Umfeld im Jahr 2024 besonders ansprechend finden. Darüber hinaus ist der Bereich stark von langfristigen Wachstumstrends wie der Energiewende und der Digitalisierung geprägt. Nach zwei herausfordernden Jahren dürfte die Preisanpassung im Immobiliensektor Chancen eröffnen, insbesondere in den Bereichen Mietwohnungen und Logistik, die durch stärkere Nachfragetreiber und einen Rückgang des neuen Angebots unterstützt werden. Der Bürosektor hat weiterhin mit den Auswirkungen durch die Nutzung von Home-Office zu kämpfen, könnte aber 2024 Möglichkeiten zur Umnutzung und Neupositionierung eröffnen, da die Preise unter die Wiederbeschaffungskosten sinken.
Phil Haworth, Head of Equities bei Aegon Asset Management, wagt einen Aktienausblick für 2024:
„Bei den globalen Aktien gab es im Jahr 2023 zwei herausragende Themen: die Outperformance der so genannten "glorreichen Sieben" der US-Mega-Cap-Technologiewerte (ohne die die US-Indizes unterdurchschnittlich abgeschnitten hätten) und der japanische Aktienmarkt. Es gab auch zwei Länder, die eine unterdurchschnittliche Wertentwicklung aufwiesen – China und Großbritannien.
Die Chancen scheinen für eine anhaltende Vormachtstellung der Mega-Caps scheinen schlecht zu stehen. Mit einem Anteil von 29 Prozent an der Marktkapitalisierung des S&P500 übertrafen sie den 40-Jahres-Höchststand aus der Zeit vor dem Börsencrash um ganze 5 Prozentpunkte. Nur wenige hatten damit gerechnet, dass diese Aktien in einem Jahr steigender langfristiger Realrenditen und eines überraschend robusten BIP-Wachstums ihre billigeren, kleineren und zyklischeren Pendants übertreffen würden. Wir glauben, dass die "glorreichen Sieben" weiterhin gut abschneiden werden, vor allem diejenigen wie Nvidia und Microsoft, die die Entwicklung der KI vorantreiben, aber wir sollten in 2024 eine größere Bandbreite des Marktes erwarten.
Auf makroökonomischer Ebene befindet sich die Arbeitslosenquote in der Nähe historischer Tiefststände und wir erwarten, dass sie sich zu normalisieren beginnt, d. h. ansteigt. Die Verbraucher spüren den Druck der hohen Inflation, und ihre Geldbörsen werden nicht mehr durch staatliche Zuwendungen aus der Pandemiezeit gestützt, so dass wir schwächere Konsumzahlen aus den USA sehen werden. In diesem Umfeld könnte die Fed gezwungen sein, die Zinsen zu senken, was sich positiv auf kleine und mittlere Unternehmen auswirken dürfte, die im Vergleich zur Bewertung des Gesamtmarktes bereits sehr günstig erscheinen. Kurzum: Die Möglichkeiten für Alpha steigen.
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Unabhängig davon, auf welchem Markt die Unternehmen tätig sind, wird das Umfeld im Jahr 2024 wahrscheinlich eine Reihe von Herausforderungen mit sich bringen, die sich von denen der jüngsten Vergangenheit unterscheiden. Die größte Herausforderung ist die Bewältigung des Preisverfalls, in einigen Fällen sogar der Deflation, vor einem Nachfragehintergrund, der die verzögerten Auswirkungen der geldpolitischen Straffung spüren wird. Ein Gewinnwachstum wird nur schwer zu erzielen sein und dürfte die globale Konsensprognose von +10 Prozent sicherlich enttäuschen. Dies deutet darauf hin, dass eine Aktienauswahl, die sich auf Qualität, Bilanzstärke und Rentabilität konzentriert, im Jahr 2024 die beste Strategie sein könnte. Risiken werden in den kommenden Quartalen die Margen und damit die Erträge belasten.“
Quelle: Trading Economics
Ritu Vohora, Investmentspezialistin Kapitalmärkte bei T. Rowe Price sieht bei Aktien 2024 das Gewinnwachstum als entscheidender Faktor:
„Die globalen Märkte erholten sich Mitte November, als die abkühlenden Inflationsdaten aus den USA und Großbritannien die Hoffnung der Anleger stärkten, dass die großen Zentralbanken nun mit der Erhöhung der Zinsen fertig sind. Wird jetzt die Weihnachts-Rallye kommen? Und was hält das neue Jahr für die Aktien bereit?
Die veröffentlichten US-Verbraucherpreisindexdaten haben sowohl beim Gesamt- als auch beim Kernverbraucherpreisindex nach unten überrascht. Der Gesamt-VPI lag bei 3,2 Prozent, gegenüber 3,7 Prozent im September, und unter den Prognosen von 3,3 Prozent. Dies führte zu einem drastischen Rückgang der US-Staatsanleiherenditen über die gesamte Kurve hinweg und zu einer Rallye in den meisten Anlageklassen. Es war ein großes Ereignis für die Aktienbullen. Die Zahlen bestätigten die Ansicht des Marktes, dass die Fed ihren Zinserhöhungszyklus abgeschlossen hat.
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Wir gehen davon aus, dass sich das Gewinnwachstum über alle Sektoren und Regionen hinweg verbreitern wird - mit einer Welle bahnbrechender Innovationen in wichtigen Sektoren und einem verbesserten strukturellen Ausblick für Rohstoffe, die die Chancen für globale Aktien im Jahr 2024 erweitern.
Die massive Outperformance der „Magnificent 7“, der Mega-Cap-Technologiewerte, die durch generative KI-Perspektiven angetrieben wird, ist ein bestimmendes Merkmal des Aktienmarktes im Jahr 2023 und hat die extremste Konzentration der Renditen seit den 1960er Jahren bewirkt. Auch wenn die Bewertungen in dieser kleinen Gruppe hoch erscheinen, könnten sie durch die hohe Eigenkapitalrendite dieser Unternehmen (33 Prozent gegenüber 18 Prozent für den S&P 500) einigermaßen gerechtfertigt sein.
Mit Blick auf das Jahr 2024 wird das Gewinnwachstum ein entscheidender Faktor sein, der über Gewinner und Verlierer entscheidet. Wir glauben, dass viele Unternehmen von KI-Anwendungen im Technologiebereich, in breiteren Sektoren und komplexen Unternehmen mit der Fähigkeit zur Produktivitätssteigerung profitieren werden. Zu den Chancen gehören diejenigen, die das Chip-Ökosystem unterstützen, sowie eine Reihe von Software-, Halbleiter-, Internet- und Rechenzentrumsaktien. Die Gewinner werden wahrscheinlich diejenigen Unternehmen sein, welch die Kern-Technologie entwickeln, um die nächste Innovationsrunde zu ermöglichen, und die einen überzeugenden Weg zur Monetarisierung haben.
Abgesehen von den vorherrschenden Technologiewerten werden die weiteren 493 S&P-Werte mit dem 15,6-fachen der zukünftigen Gewinne gehandelt. Dies entspricht sowohl auf historischer Basis als auch im Verhältnis zu den Zinssätzen dem fairen Wert.
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