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Expertenausblick: „Goldilocks für Aktien“

Bullenmarkt für Aktien
Analyse

Jede Woche veröffentlichen führende Vermögensverwalter weltweit zahlreiche fundierte Einschätzungen zu den Finanz- und Kapitalmarktmärkten. Um einen Überblick zu erhalten, fasst TiAM FundResearch regelmäßig die wichtigsten Aussagen für Sie kompakt zusammen.

04.10.2024 | 14:30 Uhr von «Peter Gewalt»

Diese Woche analysieren die Finanzmarktexperten die Aussichten für Aktien, Anleihen und Währungen nach den Zinsentscheidungen der Notenbanken.

Portfoliomanager Olgerd Eichler bei MainFirst Asset Management verrät, was Anleger bis Jahresende auf der Agenda haben sollten:
„1. Weitere Zinssenkungen der Europäischen Zentralbank (EZB) bringen Rückenwind für europäische Aktien: „Es sieht nach weiteren Zinssenkungen der EZB bis Jahresende und darüber hinaus aus, denn die derzeit moderate Konjunktur in Europa und die sinkenden Energiepreise begünstigen weitere Schritte. Niedrigere Zinssätze bedeuten erstens, dass die Unternehmen die Einsparungen aus den dann günstigeren Zinskosten in Aktienrückkäufe, Dividenden und Fusionen und Übernahmen investieren können. Und zweitens fördert ein schwacher Euro die Exporte.“

2. Niedrige Bewertungen machen europäische Aktien im Vergleich zu amerikanischen Werten attraktiv: „Ein Blick auf die europäischen Aktienmärkte lohnt sich in den kommenden Wochen und Monaten auf jeden Fall. Schließlich sind die Bewertungen im Vergleich zu den globalen Märkten und insbesondere zum US-Markt weiterhin attraktiv: So wurde der S&P 500 Ende August mit einem Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV) von 23,2 gehandelt, während sein europäisches Pendant, der MSCI EUROPE NET TOTAL RETURN INDEX, mit einem KGV von 14,8 mehr als 33 Prozent günstiger bewertet war.“ (Quelle: Bloomberg, Stand: 30. August 2024. Das KGV bezieht sich auf die geschätzten zukünftigen Gewinne für das nächste Jahr.)

3. Im Vorfeld der US-Präsidentschaftswahl ist kurzzeitige Volatilität zu erwarten: „Die politische Unsicherheit wird im vierten Quartal anhalten: Die Präsidentschaftswahlen in den USA im November könnten zu Kursschwankungen führen. In der Vergangenheit haben sich die Märkte jedoch in der Regel von politischen Schocks erholt, sobald die Unsicherheit nachgelassen hat. Steht der Gewinner fest, dürfte sich der Fokus wieder auf die wirtschaftlichen Fundamentaldaten richten und die Volatilität sollte sich beruhigen.“

4. Positiver Trend am Aktienmarkt bleibt intakt: „Trotz der politischen Unsicherheit und der wirtschaftlichen Herausforderungen haben die europäischen Aktienmärkte in der ersten Jahreshälfte sowohl eine bemerkenswerte Widerstandsfähigkeit als auch Wachstumspotenzial gezeigt. Der positive Trend bei den Inflationsraten, die zunehmend proaktive Geldpolitik der EZB und die attraktive Bewertung europäischer Aktien sind starke Indikatoren dafür, dass sich der Markt auch im vierten Quartal des Jahres gut entwickeln wird.“

Thomas Böckelmann, Leiter Portfoliomanagement bei Dolphinvest Capital, warnt in seinem aktuellen Monatsbericht vor zu viel Euphorie.
Über vierzig Allzeithochs beim US-amerikanische Aktienindex S&P500 seit Jahresbeginn, über fünfundzwanzig beim deutschen DAX – die Börseneuphorie lässt oft vergessen, dass nach wie vor viele börsennotierte Unternehmen von der Rallye nicht profitieren. Die Konzentration der Kursgewinne erfolgt mehrheitlich in den großen, bekannten Unternehmenswerten und in wenigen Branchen. „Ein ‚broadening out‘, also eine Ausweitung der Rallye in alle Marktsegmente und Regionen, vor allem in die günstigen bewerteten kleineren Unternehmen ist zwar immer wieder sichtbar, als Trend aber noch nicht bestätigt“, so Böckelmann.

Als Ursache für die Kursanstiege der großen Aktienindizes wird meist auf die im September erfolgte erste Zinssenkung der US-Notenbank FED verwiesen. Laut Böckelmann werde dabei ignoriert, dass die Rallye an den Aktienbörsen – ausgehend von den USA – bereits vor zwölf Monaten einsetzte und neben dem Hype um künstliche Intelligenz vor allem von wachsenden Zinssenkungshoffnungen getrieben war. Faktisch sind Aktien seit Monaten bereits in Erwartung sinkender Zinsen gestiegen – haben also die Zinswende bereits vorweggenommen. „Die dank der tatsächlichen Zinssenkung beobachtete weitere Beschleunigung der Kursanstiege hat etwas Besorgniserregendes, da sich die Aktienmärkte vermehrt von der wirtschaftlichen Realität abzukoppeln drohen“, befürchtet der Investmentexperte.

Konsequenterweise dürfe man angesichts erreichter Bewertungsniveaus an den meisten Aktienbörsen besorgt sein, die erreichten Multiples (Kurs-Gewinn-Verhältnis auf Basis zukünftig erwarteter Unternehmensgewinne) preisten die beste aller Welten ein – ein inflationsfreies, moderates Wachstum bei sinkenden Zinsen und steigender Produktivität. „Das für sich genommen ist schon recht sportlich und erinnert an Marktbewertungen kurz vor der großen Depression, vor dem Platzen der Dot.com-Blase oder vor dem Ausbruch der Globalen Finanzkrise“, analysiert der Portfoliomanager. Sorglos sei es darüber hinaus, da geopolitische Risiken aufgrund ihrer faktischen Unberechenbarkeit an den Aktienmärkten tendenziell ignoriert würden und weil andere Märkte, z. B. die Energie- und Rohstoffmärkte, zu einer völlig anderen Deutung weltwirtschaftlicher Entwicklungen kämen.

Quelle: Trading Economics

Ralph Gasser, Head Fixed Income Investment Specialists bei GAM Investments, sieht den US-Dollar unter Druck: 
„ Ja, die US-Wirtschaft verlangsamt sich, aber sie liegt keineswegs am Boden und dürfte meiner Ansicht nach in der Lage sein, eine sehr vernünftige reale BIP-Wachstumsrate von 1,5 bis 2,0 Prozent in den Jahren 2025 und 2026 beizubehalten. Auch die zyklische Inflation wird wahrscheinlich noch einige Zeit über dem Zielwert von 2 Prozent bleiben, wobei die Politik der neuen US-Regierung potenzielle Aufwärtsrisiken birgt – sei es bei den Handelszöllen, Preisinterventionen oder Steuern. Vor diesem Hintergrund erscheint ein „neutraler" Leitzins eher bei 3,5 Prozent oder höher plausibel, aber nicht unter 3 Prozent, wie es derzeit eingepreist wird.

Betrachtet man die Renditekurve auf längere Sicht, so wird das jährliche Haushaltsdefizit der USA in den nächsten Jahren bereits bei über 6 Prozent liegen, unabhängig davon, wer den Sitz im Weißen Haus einnehmen wird. Die aktuellen politischen Vorschläge beider Präsidentschaftskandidaten könnten dieses bereits unhaltbare Niveau leicht um weitere 1-2 Prozent anheben. Gleichzeitig hat sich die Fed verpflichtet, ihre QE-bezogenen Wertpapierbestände weiter abzubauen, was in Kombination mit den Inflationsrisiken für Aufwärtsdruck auf die Spreads am längeren Ende der Renditekurve sorgen könnte. Die 1-Jahres-Terminsätze für Laufzeiten von drei Jahren oder länger notieren bereits bei oder über den aktuellen Kassakursen. Wären die aktuellen Terminpreise korrekt, würden 10-jährige US-Treasuries eine Gesamtrendite von nur etwa 2,6 Prozent und 10-jährige deutsche Bundesanleihen von nur etwa 2,3 Prozent erzielen. Unter Berücksichtigung der Renditestrukturkurve und der Roll-Down-Effekte sollten kürzere Laufzeiten mit Laufzeiten unter fünf Jahren sowohl in den USA als auch in Europa die bessere Positionierung sein.

Da sich die kurzfristige Renditedifferenz zwischen den USA und dem Rest der Welt unabhängig von der endgültigen Höhe der Zinssätze künftig deutlich verringern wird, dürfte dies zu einem etwas schwächeren US-Dollar und geringeren Absicherungskosten für den US-Dollar führen. Dies wird meiner Meinung nach durch die Tatsache gestützt, dass der US-Dollar in realen effektiven Wechselkursen gegenüber den meisten westlichen Währungen und den Währungen der Schwellenländer immer noch teuer gehandelt wird, selbst angesichts der jüngsten Korrekturen."

Quelle: Trading Economics

Dr. Andreas A. Busch, Senior Economist des Asset Managers BANTLEON, interpretiert die aktuellen US-Konjunkturindikatoren:
„Alles in allem zeigen die September-Einkaufsmanagerdaten, dass sich die zweigeteilte Entwicklung der US-Wirtschaft bis zuletzt fortgesetzt hat: Während die Industrie unter Druck geblieben ist, kann der Servicesektor weiterhin mit stabilen Wachstumsraten glänzen. Da bei den Dienstleistern zum Ende des 3. Quartals keinerlei Abschwächung zu erkennen ist, steigen die Chancen, dass auch der Start ins Schlussquartal des Jahres robust ausfällt. Entsprechend sehen wir Aufwärtsrisiken für unsere Q4-BIP-Prognose, die von einer merklich nachlassenden Wachstumsdynamik ausgeht (von 2,5 Prozent bis 3,0 Prozent in Q3 in Richtung 1,0 Prozent in Q4, jeweils annualisiert gegenüber dem Vorquartal).

Ungeachtet der jüngsten Stabilität beim Service-ISM deuten unsere Frühindikatoren darauf hin, dass die US-Wirtschaft in den kommenden Monaten in raueres Fahrwasser geraten sollte. Verantwortlich dafür ist in unseren Augen der schwindende Rückenwind aus Pandemiezeiten (Stichwort schmelzender Sparüberhang) und der wachsende Gegenwind vonseiten der Zinsen. Insbesondere bei der Immobilienfinanzierung dauert es erfahrungsgemäss sehr lange, bis die verschärften Finanzierungskonditionen bei den privaten Haushalten ankommen.

Während beim Service-ISM bislang noch nicht viel von einer konjunkturellen Abkühlung zu sehen ist, zeichnen andere Umfragen bereits ein kritischeres Bild. Unter anderem beim Verbrauchervertrauensindikator des Conference Board haben zuletzt die Warnsignale zugenommen. Demnach hat sich in den Augen der Konsumenten die Lage am Arbeitsmarkt inzwischen eingetrübt. Wenn sich dieser Trend fortsetzt, dürfte die Ausgabenbereitschaft der US-Bürger sukzessive nachlassen, was dann auch die Dienstleister zu spüren bekommen werden und was sich letztlich in niedrigeren BIP-Wachstumsraten niederschlagen sollte."

Quelle: Trading Economics

Sadettin Yildiz Sadettin Yildiz. CIO & Leiter Asset Management  sieht mit dem 0,5 Prozent-Schritt der FED den Beginn eines neuen Leitzinssenkungszyklus:
„Nach einer langen Phase der Stärke zeigt der US-Arbeitsmarkt erste Zeichen der Abkühlung. Dabei besagt die „Sahm-Regel“, dass ein Anstieg der Arbeitslosenrate um 0,5Prozent-Punkte – innerhalb von 12 Monaten – der Vorbote einer Rezession ist. Tatsächlich hatte die Sahm-Regel jede Rezession seit 1970 korrekt vorhergesagt. Tatsächlich spricht jedoch in der aktuellen Lage vieles gegen eine US-Rezession. So entwickeln sich beispielsweise die Einkommen als auch die Konsumentenausgaben robust, die mit etwa 70Prozent den größten Anteil an der US-Wirtschaftsleistung ausmachen.

MONEY MATTERS

Aber auch weitere wichtige Frühindikatoren zeigen sich freundlich: Sowohl der Kreditimpuls als auch das Geldmengenwachstum liegen im positiven Bereich. Die weiter fallenden Zinsen werden das Kreditgeschäft wiederbeleben und damit weiteren Treibstoff für die ökonomische Entwicklung liefern. Bereits jetzt lockern US-Banken ihre Kreditvergabestandards.

GOLDILOCKS FÜR AKTIEN

Die Zinssenkungen der großen Zentralbanken haben in den vergangenen Monaten für Aufwind bei Anleihen gesorgt. Der erwartete „Fed Pivot“ ist nun also erfolgt. Auch für Aktien sind Leitzinssenkungen eine gute Nachricht: Seit 1994 waren Leitzinssenkung außerhalb von Rezessionen stets gut für die Kursentwicklung. Insbesondere Small Caps könnten profitieren, da sie im Vergleich zu Large Caps so günstig wie zuletzt in der Dotcom-Blase bewertet sind. Analog der US-Notenbank erwarten wir keinen unmittelbar drohenden Abschwung, so dass der Fed das erste „Soft Landing“ seit 1994 gelingen könnte. Das „Goldilocks“-Szenario hatten wir bereits im März thematisiert (Like it was 1994), wobei sich in den vergangenen 6 Monaten die positive Sicht auf Aktien und Anleihen nicht verschlechtert hat.

US-PRÄSIDENTSCHAFTSWAHLEN
Historisch betrachtet sprechen die Monate nach den Wahlen für Aktien – und das unabhängig davon, ob ein Demokrat oder ein Republikaner als Sieger hervorging. Dieser Umstand bekräftigt unsere optimistische Erwartung bis zum Ende des Jahres.

Quelle: Trading Economics

Alexis Bienvenu, Fondsmanager Multi Asset bei LFDE nimmt Anleihen wieder stärker in den Fokus:
„15 Jahre nach der Krise von 2008 haben die nominalen Renditen zu ihrer historischen Stärke zurückgefunden. So boten 10-jährige US-Anleihen auf Sicht von 100 Jahren ein durchschnittliches Carry von 4,8 Prozent, was in etwa dem aktuellen Niveau entspricht. Hierin ist aber auch die Hochinflationsphase der 1970er und 1980er Jahre enthalten, in der dieser Wert zeitweise auf über 15 Prozent stieg. Über die letzten 25 Jahre gesehen fällt der Durchschnitt auf 3,3 Prozent. Aus diesem Blickwinkel bietet das aktuelle Carry gegenüber dem durchschnittlichen Niveau also einen Aufschlag von mehr als 1 Prozent, der sich über zehn Jahre kumulieren wird. Dies stellt eine seltene Gelegenheit für Anleger dar. In der Eurozone liegen derweil auch 10-jährige französische Staatsanleihen mit mehr als 3 Prozent über ihrem 25-jährigen Durchschnitt (2,7 Prozent).

Hinzu kommt, dass die „realen“ Renditen in Bezug auf die aktuellen langfristigen Zinsen vor dem Hintergrund der gesunkenen Inflation wieder im positiven Bereich liegen. Die Inflation mag zwar strukturell höher bleiben als in den letzten 20 Jahren, doch es gibt kein plausibles Szenario, in dem sie sich dauerhaft über dem aktuellen Niveau der langfristigen Zinsen verankern würde. Anderenfalls würden die Zentralbanken eingreifen. Daher deutet alles darauf hin, dass die „realen“ Renditen langfristig Bestand haben werden.“

Quelle: Trading Economics

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