Es könnte doch eigentlich so einfach sei. Die Umsetzung der
Vorgaben zur „Nachhaltigkeit“ zieht viele Zweifelsfragen nach sich, die selbst
hartgesottene Technokraten an den Rand der Verzweiflung bringen. Je mehr man
sich mit der Thematik beschäftigt, desto mehr drängt sich der Eindruck auf, die
Anforderungen eigentlich immer weniger zu begreifen. Tatsächlich dürfte es nur Wenigen
vergönnt sein, von sich mit einer gewissen Berechtigung behaupten zu können,
die unverständlichen Terminologien und die daran anknüpfenden überkomplexen
Pflichtenkataloge im Detail zu überblicken.
Woran liegt das?
Die gesamte Regulierung folgt keiner aus der Branche über
lange Jahre gewachsenen Praxis, sondern wird – so der Eindruck – von einer
unbeirrbaren Elite vorangetrieben, die sich an Komplexität und Durchregulierung
erfreut. Schon die Definition der drei „Nachhaltigkeitspräferenzen“ ist derart
abgehoben, dass niemand auf Anhieb konkrete Produkte benennen kann, die den
drei Kategorien jeweils glasklar zugeordnet sind. Selbst nach mehr als einem
Jahr unter den Vorgaben der OffenlegungsVO geht der Terminus „Berücksichtigung
von wesentlichen nachteiligen Auswirkungen auf Nachhaltigkeitsfaktoren“ immer
noch nicht ohne ein Verhaspeln über die Lippen.
Mit den seit dem 06.04.2022
veröffentlichten und voraussichtlich am 01.01.2023 in Kraft tretenden
technischen Regulierungsstandard (RTS) zur OffenlegungsVO hat der europäische Gesetzgeber aus tiefer Sorge vor aufgebauschter
Nachhaltigkeit („greenwashing“) Transparenzpflichten vorgesehen, die nochmals alles
übertreffen, was man sich an regulatorischem Formalismus hätte vorstellen
können. Darin werden bis ins Detail verbindliche Vorgaben und Berichtsvorlagen
zu den Pflichtmitteilungen auf der Webseite, in den vorvertraglichen
Informationen und in den regelmäßigen Berichten gemacht. Das Ausmaß der
offenzulegenden Informationen hängt auch noch von nicht gerade eingängigen
Voraussetzungen ab, nämlich, ob ökologische oder soziale Merkmale „beworben“
werden oder eine nachhaltige Anlage „angestrebt“ wird. Ziel dieser Formate und Texte ist es,
diese einheitlich für die gesamte europäische Union vorzugeben. Kunden sollen
die Nachhaltigkeitskonzepte und Leistungen der Anbieter unionsweit in den
Publikationen der Anbieter leicht auffinden und auch vergleichen können.
Wie geht die Vermögensverwalterbranche
damit um?
Auch wenn es gut gemeint ist,
Fragenkataloge vorzugeben, steht die Vermögensverwalterbranche vor der
Herausforderung, hier für das jeweilige Nachhaltigkeitskonzept passende Daten
und Antworten zu finden. Inzwischen hat sich herausgestellt, dass das derzeit verbreitete
einfache ESG-Bewertungsmodell zwar nicht ausreicht, um auch nur die unterste
Stufe der gesetzlich definierten Nachhaltigkeitspräferenzen zu erfüllen. Denn die
Einstufung einer Einzelanlage oder eines Gesamtportfolios in eine bestimmte
Gradation (etwa zwischen 1 und 100) gibt noch keinerlei Auskunft darüber, welcher
Nachhaltigkeitsfaktor (beispielsweise Treibhausgasemissionen) mit welchem
Ausmaß jeweils positiv gefördert wurde. Da das einfache ESG-Bewertungsmodell im
Kundenkreis aber akzeptiert wird, dürfte sich dieses der erste Schritt für eine
nachhaltige Ausrichtung der Portfolien sein. Hierzu wird in dem vom VuV zum
02.08.2022 zur Verfügung gestellten Muster des „WpHG-Bogens“ eine
selbstständige „ESG-Basis-Kategorie“ den Nachhaltigkeitspräferenzen eingefügt, die seitens der Kunden anstatt der
gesetzlich vorgesehenen Typen ausgewählt werden kann. Der Vorteil besteht
darin, dass die an das einfache ESG-Basismodell anknüpfenden
Transparenzpflichten zumindest vorläufig deutlich einfacher umzusetzen
sind.
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