2024 schütteten allein DAX-Unternehmen eine Rekordsumme von 52 Milliarden Euro an Dividenden aus. Deutsche Finanzberater und Ruheständler sollten Dividendenstrategien stärker als bislang bei den Alterseinkommen berücksichtigen.
14.11.2023 | 06:00 Uhr von «Ulrich Lohrer»
Laut der „Dividendenstudie 2023“ der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz (DSW) ist dieses Jahr erneut ein Rekordjahr bei den Dividendenausschüttungen. „Die deutschen Aktiengesellschaften (Prime Standard, General Standard & Freiverkehr) werden dieses Jahr rund 75 Milliarden Euro ausschütten. Die Bestmarke aus dem Vorjahr wird damit um neun Prozent übertroffen“, schreibt Christian Röhl in seiner Studie.
Allein die im DAX-40 gelisteten Unternehmen schütteten dieses Jahr über 52 Milliarden Euro aus, obwohl 2,5 Milliarden Euro Dividendenausschüttungen von Linde aufgrund des Frankfurt-Delistings aus der Statistik fielen. Auch international zeigt der Trend bei Dividendenausschüttungen nach oben. Laut dem aktuellen Janus Henderson Global Dividend Index stiegen die weltweiten Dividenden im zweiten Quartal 2023 auf einen neuen Rekord.
Besonders Anleger, die wie Pensionäre oder Rentner Wert auf ein regelmäßiges, passives Einkommen legen, beschäftigen sich daher mit sogenannten Dividendenstrategien, um beispielsweise hohe und möglichst stabile Dividendenausschüttungen zu erhalten. Im Gegensatz zu den angelsächsischen Staaten spielen aber für deutsche Rentner und Pensionäre passive Einkommen mit Dividenden im Vergleich zu Einnahmen aus Zinsanlagen und Altersvorsorgeprodukten eine eher untergeordnete Rolle. Dabei weisen deutsche Aktiengesellschaften im internationalen Vergleich aktuell eine relativ hohe Dividendenrendite aus. Legendäre Investoren wie Benjamin Graham und Warren Buffett wiesen in der Vergangenheit auf die Vorzüge hoher und stabiler Dividendenzuflüsse hin. Es gibt aber unterschiedliche Dividendenstrategien bei der Direktanlage von Aktien. Auch ist eine Fokussierung auf Dividendentitel über spezielle Fonds möglich, wobei sich je nach Fondsart beispielsweise unterschiedliche steuerliche Effekte ergeben können. Anleger und ihre Finanzberater, die eine bestimmte Dividendenstrategie verfolgen, sollten die jeweiligen Vor- und Nachteile berücksichtigen und an die individuellen Ziele und Situation des Investors ausrichten.
Klassische Dividendenstrategien: Dogs of the Dow, Low 5, Low 4 und Low 2
Investoren verfolgen mit einer Dividendenstrategie bei der Aktienauswahl nicht eine möglichst gute Entwicklung der Aktienkurse, sondern eine möglichst stabile Ausschüttung hoher Dividenden. Eine naheliegende Kennzahl ist daher die Dividendenrendite, also die Höhe der Dividende im Verhältnis zum Aktienkurs. Eine einfache und bekannte Dividendenstrategie ist die von Benjamin Graham 1949 formulierte „Dogs of the Dow“. Danach werden die zehn Aktien aus dem amerikanischen Dow Jones-Index mit der höchsten Dividendenrendite gekauft. Nach einem Jahr werden wie in einem Hunderennen im Dow erneut die zehn Unternehmen mit der besten Dividendenrenditen ausgewählt und im Portfolio die Absteiger durch die Aufsteiger ersetzt.
Der Investor und Autor Michael B. O'Higgins hat in seinem 1991 veröffentlichten Buch „Beating The Dow“ seine aus „Dog of the Dow“ weiterentwickelte Dividendenstrategie „Low 5“ präsentiert. Er fokussierte sich dabei auf die fünf Dividendenaktien der Dogs of the Dow mit dem niedrigsten Aktienkurs, da er der Meinung war, dass die Aktien mit optisch hohen Notierungen schon zu gut gelaufen sind und nur noch kleine Zuwächse erzielen können. Ansonsten ging es wie bei Grahams Methode „Dogs of the Dow“ vor, indem er die „Low 5“ ebenfalls ein Jahr lang hielt und danach eventuell mit den aktuellen „Low 5“ das Depot umschichtete. Im Umkehrschluss hätten optisch niedrige Kurse eine höhere Chance auf überproportionale Gewinne. Mit dieser scheinbar willkürliche Methode war O'Higgins jedoch in den folgenden Jahren erfolgreich, weshalb sein Buch „Beating The Dow“ schon bald darauf als Investmentklassiker galt.
Aus der Auswertung der Wertentwicklung der vorausgegangenen Strategien schlug Robert Sheard 1998 in seinem Buch „The Unemotional Investor“ dagegen mit der Dividendenstrategie „Low 4“ eine weitere Beschränkung auf vier Dividendenwerte vor, da die Dividendenaktie mit dem niedrigsten Kurs sich häufig als ein Unternehmen in ernsten wirtschaftlichen Schwierigkeiten erwies. Dagegen entwickelte sich das Unternehmen mit dem zweitniedrigsten Kurs häufig am besten, weshalb er diese in seiner Strategie „Low 4“ doppelt so stark in seinem Depot wie die drei anderen Werte gewichtete. Schließlich präsentierte Sheard noch die Dividendenstrategie „Low 2“, die sich nur auf zwei Dividendenwerte fokussiert.
Wichtige Kennzahlen, Dividendenaristokraten und -könige
Die jeweilige Dividendenstrategie erwies sich oft nur solange als die erfolgreichste, wie viele Investoren von Dividendenaktien an sie glaubten. Viele Analysten sehen die Beschränkung auf die Dividendenrendite als ein Fehler an und berücksichtigen auch andere Kennzahlen wie das Dividendenwachstum, den Cashflow, die Ausschüttungsquote und das Kurs-Gewinn-Verhältnis. Insbesondere Investoren, die Wert auf stabile und steigende Einkommensströme legen, lieben daher Unternehmen, die über eine lange Zeit Dividenden ohne Unterbrechung, am besten jedes Jahr steigend, auszahlen. Aktiengesellschaften, die über 25 Jahre konstant ihre Dividenden erhöht haben, werden daher anerkennend als Dividendenaristokraten bezeichnet. Zu den bekannten Dividendenaristokraten zählen beispielsweise bekannte Marken wie, McDonald´s, Nestlé oder IBM. Unternehmen, die 50 Jahre ohne Aussetzer ihre Dividende erhöht haben, nennt man Dividendenkönige. American State Waters gilt als Unternehmen mit der längsten Phase an Dividendensteigerungen (69 Jahre). Dividendenkönige sind auch Procter & Gamble, Johnson & Johnson und Coca-Cola. Eine hohe Dividendenrendite allein ist auch deshalb wenig aussagekräftig, wenn diese nicht nachhaltig ist und von der Substanz finanziert wird. Ein hoher Cashflow und eine nicht allzu hohe Ausschüttungsquote (etwa bis 70 Prozent des Gewinns) tragen dazu bei, dass auch nachhaltig gute Dividenden gezahlt werden können. Die Wahl der Aktie mit der höchsten Dividendenrendite kann daher ein Fehler sein, wenn eine hohe Ausschüttung die notwendigen Investitionen verhindern oder gar aus der Substanz des Unternehmens finanziert werden. Auch die Investition in einen Dividendenaristokraten oder –könig ohne Berücksichtigung anderer fundamentaler Daten ist nicht empfehlenswert, auch weil die Ausschüttungen in der Vergangenheit keine Gewähr für eine künftig hohe Dividende ist. So verlor Fresenius Anfang dieses Jahres den Status des einzigen Dividendenaristokraten im DAX, als es nach 26 Jahren erstmals beschloss, die Dividende in diesem Jahr nicht zu erhöhen.
Dividendenstrategien mit Fonds
Anleger, die sich nicht zutrauen, die richtigen Dividendenaktien herauszufiltern oder eine breitere Risikostreuung bevorzugen, können in Fonds mit Fokus auf Dividendenaktien investieren. So werden etliche Aktienindizes (z.B. MSCI World High Dividend Yield Index, FTSE All-World High Dividend Yield), auch mit der Selektion auf hohe Dividenden als ETFs angeboten. Zudem werden beispielsweise ETFs mit Aktien mit hohem Dividendenwachstum (Amundi Funds Pioneer US Equity Growth, iShares Core Dividend Growth, WisdomTree Quality Dividend Growth) oder gar – wie der SPDR S&P Global Dividend Aristocrats – mit globalen Dividendenaristokraten offeriert.
Wer statt auf Indizes lieber auf die individuelle Auswahl von Fondsmanager setzt, stehen ebenfalls eine große Auswahl gemanagter Aktienfonds zur Verfügung. Nach einer kürzlich veröffentlichten Auswertung von TIAM FundResearch mithilfe von FVBS professional schaffte der JPM Global Dividend in den vergangenen zehn Jahren mit 167 Prozent die höchste Rendite.
Nicht alle Anleger von negative Steuereffekte der Ausschüttungen gleich betroffen
Viele Dividendenfonds werden sowohl als ausschüttende als auch als thesaurierende Fonds angeboten. Steuerexperten verweisen dabei gerne auf den Nachteil der sofortigen Versteuerung der Ausschüttung der Dividenden im Gegensatz zum Vorteil der Steuerstundungseffekts thesaurierende Fonds, bei denen die Dividenden wieder Aktien investiert werden. Für den Vermögensaufbau ist die Beschränkung auf Dividendenaktien im Vergleich zu einem breiten Aktienportfolio mit Wachstumsaktion aber ohnehin im Nachteil. Die laufende Ausschüttung ist allerdings gerade die Hauptmotivation vieler Anleger, die mit Dividendenaktien ihr laufendes erhöhen wollen. Auch die für 2024 erhöhten Steuerfreibeträge (Grundfreibetrag) und die langsamere Erhöhung des Steueranteils der Renten sprechen dafür. Vor allem für viele Rentner und Pensionäre ist der Einkommensteuersatz wegen geringerer Einkommen im Alter und auch des Altersentlastungsbetrags oft deutlich geringer als im Erwerbsleben, weshalb oft durch die Steuerklärung eine Rückerstattung der einbehaltenen Steuern auf die Dividendenerträge möglich ist. Im angelsächsischen Raum werden Dividendenerträge oft als bessere Alternative zu den Zinserträgen gesehen. Zwar können Unternehmen Dividenden im Gegensatz zu den Anleihenzinsen jederzeit kürzen oder streichen, doch ist ein Totalausfall der Ausschüttungen über breit gestreute Dividendenfonds unwahrscheinlich. Das Investment in Dividendenaktien hat aber gegenüber den Anleihen den großen Vorteil, dass die viele dieser Aktiengesellschaften langfristig ihre Dividendenausschüttungen erhöhen und so im Vergleich zu Anleihen auf das investierte Kapital deutlich höhere Ausschüttungsrenditen ermöglichen. Als Ergänzung zu laufenden Renteneinkommen empfehlen sich Aktien zudem, weil sie in der Vergangenheit bewiesen haben, dass sie langfristig einen deutlich besseren Schutz vor Inflation bieten als Anleihen.
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