Laut der „Dividendenstudie 2023“ der Deutschen
Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz (DSW) ist dieses Jahr erneut ein
Rekordjahr bei den Dividendenausschüttungen. „Die deutschen
Aktiengesellschaften (Prime Standard, General Standard & Freiverkehr)
werden dieses Jahr rund 75 Milliarden Euro ausschütten. Die Bestmarke aus dem
Vorjahr wird damit um neun Prozent übertroffen“, schreibt Christian Röhl in
seiner Studie.
Allein die im DAX-40 gelisteten Unternehmen schütteten
dieses Jahr über 52 Milliarden Euro aus, obwohl 2,5 Milliarden Euro
Dividendenausschüttungen von Linde aufgrund des Frankfurt-Delistings aus der Statistik fielen. Auch
international zeigt der Trend bei Dividendenausschüttungen nach oben. Laut dem aktuellen Janus Henderson Global
Dividend Index stiegen die weltweiten Dividenden im zweiten Quartal 2023 auf
einen neuen Rekord.
Besonders Anleger, die wie Pensionäre oder Rentner Wert auf
ein regelmäßiges, passives Einkommen legen, beschäftigen sich daher mit
sogenannten Dividendenstrategien, um beispielsweise hohe und möglichst stabile
Dividendenausschüttungen zu erhalten. Im Gegensatz zu den angelsächsischen
Staaten spielen aber für deutsche Rentner und Pensionäre passive Einkommen mit
Dividenden im Vergleich zu Einnahmen aus Zinsanlagen und
Altersvorsorgeprodukten eine eher untergeordnete Rolle. Dabei weisen deutsche
Aktiengesellschaften im internationalen Vergleich aktuell eine relativ hohe
Dividendenrendite aus. Legendäre Investoren wie Benjamin Graham und Warren
Buffett wiesen in der Vergangenheit auf die Vorzüge hoher und stabiler
Dividendenzuflüsse hin. Es gibt aber unterschiedliche Dividendenstrategien bei
der Direktanlage von Aktien. Auch ist eine Fokussierung auf Dividendentitel
über spezielle Fonds möglich, wobei sich je nach Fondsart beispielsweise
unterschiedliche steuerliche Effekte ergeben können. Anleger und ihre Finanzberater,
die eine bestimmte Dividendenstrategie verfolgen, sollten die jeweiligen Vor-
und Nachteile berücksichtigen und an die individuellen Ziele und Situation des
Investors ausrichten.
Klassische
Dividendenstrategien: Dogs of the Dow, Low 5, Low 4 und Low 2
Investoren verfolgen mit einer Dividendenstrategie bei der
Aktienauswahl nicht eine möglichst gute Entwicklung der Aktienkurse, sondern
eine möglichst stabile Ausschüttung hoher Dividenden. Eine naheliegende
Kennzahl ist daher die Dividendenrendite, also die Höhe der Dividende im
Verhältnis zum Aktienkurs. Eine einfache und bekannte Dividendenstrategie ist
die von Benjamin Graham 1949 formulierte „Dogs of the Dow“. Danach werden die
zehn Aktien aus dem amerikanischen Dow Jones-Index mit der höchsten Dividendenrendite
gekauft. Nach einem Jahr werden wie in einem Hunderennen im Dow erneut die zehn
Unternehmen mit der besten Dividendenrenditen ausgewählt und im Portfolio die
Absteiger durch die Aufsteiger ersetzt.
Der Investor und Autor Michael B. O'Higgins hat in seinem
1991 veröffentlichten Buch „Beating The Dow“ seine aus „Dog of the Dow“
weiterentwickelte Dividendenstrategie „Low 5“ präsentiert. Er fokussierte sich
dabei auf die fünf Dividendenaktien der Dogs of the Dow mit dem niedrigsten
Aktienkurs, da er der Meinung war, dass die Aktien mit optisch hohen
Notierungen schon zu gut gelaufen sind und nur noch kleine Zuwächse erzielen
können. Ansonsten ging es wie bei Grahams Methode „Dogs of the Dow“ vor,
indem er die „Low 5“ ebenfalls ein Jahr lang hielt und danach eventuell mit den
aktuellen „Low 5“ das Depot umschichtete. Im Umkehrschluss hätten optisch
niedrige Kurse eine höhere Chance auf überproportionale Gewinne. Mit dieser
scheinbar willkürliche Methode war O'Higgins jedoch in den folgenden Jahren
erfolgreich, weshalb sein Buch „Beating The Dow“ schon bald darauf als
Investmentklassiker galt.
Aus der Auswertung der Wertentwicklung der vorausgegangenen
Strategien schlug Robert Sheard 1998 in seinem Buch „The Unemotional Investor“
dagegen mit der Dividendenstrategie „Low 4“ eine weitere Beschränkung auf vier
Dividendenwerte vor, da die Dividendenaktie mit dem niedrigsten Kurs sich
häufig als ein Unternehmen in ernsten
wirtschaftlichen Schwierigkeiten erwies. Dagegen entwickelte sich das
Unternehmen mit dem zweitniedrigsten Kurs häufig am besten, weshalb er diese in
seiner Strategie „Low 4“ doppelt so stark in seinem Depot wie die drei anderen
Werte gewichtete. Schließlich präsentierte Sheard noch die Dividendenstrategie
„Low 2“, die sich nur auf zwei Dividendenwerte fokussiert.
Wichtige Kennzahlen,
Dividendenaristokraten und -könige
Die jeweilige Dividendenstrategie erwies sich oft nur
solange als die erfolgreichste, wie viele Investoren von Dividendenaktien an
sie glaubten. Viele Analysten sehen die Beschränkung auf die Dividendenrendite
als ein Fehler an und berücksichtigen auch andere Kennzahlen wie das
Dividendenwachstum, den Cashflow, die Ausschüttungsquote und das
Kurs-Gewinn-Verhältnis. Insbesondere Investoren, die Wert auf stabile und
steigende Einkommensströme legen, lieben daher Unternehmen, die über eine lange
Zeit Dividenden ohne Unterbrechung, am besten jedes Jahr steigend, auszahlen.
Aktiengesellschaften, die über 25 Jahre konstant ihre Dividenden erhöht haben,
werden daher anerkennend als Dividendenaristokraten bezeichnet. Zu den bekannten
Dividendenaristokraten zählen beispielsweise bekannte Marken wie, McDonald´s,
Nestlé oder IBM. Unternehmen, die 50 Jahre ohne Aussetzer ihre Dividende
erhöht haben, nennt man Dividendenkönige. American State Waters gilt als
Unternehmen mit der längsten Phase an Dividendensteigerungen (69 Jahre). Dividendenkönige
sind auch Procter & Gamble, Johnson & Johnson und Coca-Cola. Eine hohe
Dividendenrendite allein ist auch deshalb wenig aussagekräftig, wenn diese
nicht nachhaltig ist und von der Substanz finanziert wird. Ein hoher Cashflow
und eine nicht allzu hohe Ausschüttungsquote (etwa bis 70 Prozent des Gewinns)
tragen dazu bei, dass auch nachhaltig gute Dividenden gezahlt werden können.
Die Wahl der Aktie mit der höchsten Dividendenrendite kann daher ein Fehler
sein, wenn eine hohe Ausschüttung die notwendigen Investitionen verhindern oder
gar aus der Substanz des Unternehmens finanziert werden. Auch die Investition
in einen Dividendenaristokraten oder –könig ohne Berücksichtigung anderer
fundamentaler Daten ist nicht empfehlenswert, auch weil die Ausschüttungen in
der Vergangenheit keine Gewähr für eine künftig hohe Dividende ist. So verlor
Fresenius Anfang dieses Jahres den Status des einzigen Dividendenaristokraten
im DAX, als es nach 26 Jahren erstmals beschloss, die Dividende in diesem Jahr
nicht zu erhöhen.
Dividendenstrategien
mit Fonds
Anleger, die sich nicht zutrauen, die richtigen
Dividendenaktien herauszufiltern oder eine breitere Risikostreuung bevorzugen,
können in Fonds mit Fokus auf Dividendenaktien investieren. So werden etliche
Aktienindizes (z.B. MSCI World High Dividend Yield Index, FTSE All-World High
Dividend Yield), auch mit der Selektion auf hohe Dividenden als ETFs
angeboten. Zudem werden beispielsweise
ETFs mit Aktien mit hohem Dividendenwachstum (Amundi Funds Pioneer US Equity Growth,
iShares Core Dividend Growth, WisdomTree Quality Dividend Growth) oder gar –
wie der SPDR S&P Global Dividend Aristocrats – mit globalen
Dividendenaristokraten offeriert.
Wer statt auf Indizes lieber auf die individuelle Auswahl
von Fondsmanager setzt, stehen ebenfalls eine große Auswahl gemanagter
Aktienfonds zur Verfügung. Nach einer kürzlich veröffentlichten Auswertung von TIAM FundResearch mithilfe von FVBS professional schaffte der JPM Global Dividend in den vergangenen
zehn Jahren mit 167 Prozent die höchste Rendite.
Nicht alle Anleger
von negative Steuereffekte der Ausschüttungen gleich betroffen
Viele Dividendenfonds werden sowohl als ausschüttende als auch als thesaurierende Fonds angeboten. Steuerexperten verweisen dabei gerne
auf den Nachteil der sofortigen Versteuerung der Ausschüttung der Dividenden im
Gegensatz zum Vorteil der Steuerstundungseffekts thesaurierende Fonds, bei
denen die Dividenden wieder Aktien investiert werden. Für den Vermögensaufbau
ist die Beschränkung auf Dividendenaktien im Vergleich zu einem breiten
Aktienportfolio mit Wachstumsaktion aber ohnehin im Nachteil. Die laufende
Ausschüttung ist allerdings gerade die Hauptmotivation vieler Anleger, die mit
Dividendenaktien ihr laufendes erhöhen wollen. Auch die für 2024 erhöhten
Steuerfreibeträge (Grundfreibetrag) und die langsamere Erhöhung des Steueranteils der Renten sprechen dafür. Vor allem für
viele Rentner und Pensionäre ist der Einkommensteuersatz wegen geringerer
Einkommen im Alter und auch des Altersentlastungsbetrags oft deutlich geringer
als im Erwerbsleben, weshalb oft durch die Steuerklärung eine Rückerstattung der
einbehaltenen Steuern auf die Dividendenerträge möglich ist. Im
angelsächsischen Raum werden Dividendenerträge oft als bessere Alternative zu den Zinserträgen gesehen. Zwar können Unternehmen Dividenden im Gegensatz zu den
Anleihenzinsen jederzeit kürzen oder streichen, doch ist ein Totalausfall der
Ausschüttungen über breit gestreute Dividendenfonds unwahrscheinlich. Das
Investment in Dividendenaktien hat aber gegenüber den Anleihen den großen
Vorteil, dass die viele dieser Aktiengesellschaften langfristig ihre
Dividendenausschüttungen erhöhen und so im Vergleich zu Anleihen auf das
investierte Kapital deutlich höhere Ausschüttungsrenditen ermöglichen. Als
Ergänzung zu laufenden Renteneinkommen empfehlen sich Aktien zudem, weil sie in
der Vergangenheit bewiesen haben, dass sie langfristig einen deutlich besseren
Schutz vor Inflation bieten als Anleihen.
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