Anleger müssen durch die Corona-Krise schmerzhaft erfahren, dass Dividenden nicht der neue Zins sind. In Krisenzeiten stehen sie schneller auf der Kippe als von vielen erwartet.
27.04.2020 | 15:25 Uhr von «Christian Bayer»
Laut DZ Bank haben 24 Prozent der Unternehmen des STOXX Europe 600 angekündigt,
auf Dividendenzahlungen zu verzichten. „Eine bisher noch nicht zu beobachtende
Welle von Dividendenstreichungen rollt über die Aktienmärkte“, so die Experten
des Finanzinstituts. Die Summen sind gewaltig. Für das Geschäftsjahr 2019
erwartet DZ Bank-Analyst Michael Bissinger einen Rückgang der ausgeschütteten
Summe um 23 Prozent auf etwa 310 Milliarden Euro: „Wir gehen davon aus, dass in
den kommenden Monaten die Ausschüttungen weiter reduziert werden.“ Aus Sicht der
DZ Bank sollten Anleger mindestens mit einem Rückgang der Dividenden um 40
Prozent rechnen. Das würde im Umfang den Kürzungen während der Finanzkrise in
den Jahren 2008/2009 entsprechen. Damals wie heute stehen die
Dividendenzahlungen von europäischen Banken besonders im Feuer. Die
Aufsichtsbehörden drängen die Finanzinstitute, sich ein Finanzpolster für die
bevorstehende Rezession zuzulegen, statt über Boni und Dividenden Geld auszugeben.
Die Corona-Pandemie hat aber noch weitere Branchen infiziert. Besonders
betroffen sind diesmal der Tourismus-Sektor und Industrieunternehmen.
Auch in den USA beginnt, wenig überraschend, ein großes Streichkonzert bei den
Dividenden. Unternehmen wie Boeing, Ford und die Hotelkette Marriott haben
bereits den Anfang gemacht. Weitere werden mit Sicherheit folgen. Teilweise
greifen gesetzliche Regulierungen, die Ausschüttungen verhindern. Das zwei
Billionen US-Dollar umfassende Hilfspaket der US-Regierung sieht auch Kredite
für die durch die Corona-Pandemie in Schwierigkeiten geratene Unternehmen vor. Allerdings
dürfen diese Gelder nicht für Aktienrückkäufe, Dividenden oder Boni verwendet
werden. Als Fels in der Brandung, auch bei den Dividendenzahlungen, erweisen
sich in der Krise Konsumgüterhersteller des täglichen Bedarfs wie beispielsweise
Procter & Gamble und Johnson & Johnson.
Für Dividendenjäger ist ein genauer Blick auf die Sektoren unabdingbar. So verweist
Susanne Reisch, Fondsmanagerin des Bantleon Select Infrastructure, auf die
Stabilität von Basisinfrastruktur-Aktien: „Während in anderen Sektoren der
Einfluss der Coronavirus-Krise auf die Geschäftsentwicklung lange nachhallen
wird, können Basis-Infrastruktur-Unternehmen Zahlungen aufgrund der Stabilität
ihrer Geschäftsmodelle schnell wieder anheben und bereits 2021 wieder die
Vor-Krisen-Dividendenniveaus erreichen.“ Aus Sicht der Expertin liegen die
Dividendenrenditen der Kernbereiche im Segment Basis-Infrastruktur – Versorger
und Telekommunikation – auch weiterhin deutlich über dem Durchschnitt. Im
Gegensatz zu anderen Sektoren seien Kürzungen hier weitgehend auf einen
temporären politischen Druck zurückzuführen, während die Liquiditätssituation
der betroffenen Unternehmen stabil ist. Lediglich im Bereich
Transport-Infrastruktur würden sich fundamental begründete Kürzungen zeigen,
die auf die höhere Volatilität der Erträge in diesem Bereich zurückzuführen
sind.
Klar ist, dass der Druck aus der Politik vor dem Hintergrund gigantischer Hilfspakete zunimmt, Unterstützungen für Unternehmen strenger an Auflagen zu binden. So haben beispielsweise Dänemark und Frankreich ausgeschlossen, dass Konzerne staatliche Hilfe in Anspruch nehmen können und gleichzeitig Dividenden ausschütten oder Aktien zurückkaufen dürfen. Die Deutsche Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz e. V. (DSW) hat aktuell eine Studie vorgelegt, die die Dividenden-Entwicklung bei deutschen Unternehmen unter die Lupe nimmt. Die Anlegerschützer raten zu einer differenzierten Betrachtungsweise. So seien institutionelle Investoren wie Stiftungen zur Erfüllung ihrer Aufgaben auf die Ausschüttungen angewiesen. Unternehmen, die besonders von der Krise gebeutelt sind, sollten laut DSW auf Ausschüttungen verzichten. Wer aber weniger stark betroffen oder auf der Liquiditätsseite gut aufgestellt sei, könne mitunter auch trotz Kurzarbeit daran festhalten.
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