Steen Jakobsen, Chefökonom der Saxo Bank, hält das Leugnen der Schuldenkrise für gefährlich. Europa könne sich wandeln.
23.10.2012 | 07:45 Uhr
„So langsam kommt man sich vor, wie im Film ‚Und täglich grüßt das Murmeltier‘“, sagt Steen Jakobsen, Chefvolkwirt der Saxo Bank mit Blick auf die Entwicklung der Krise. Seit Monaten steige das Risiko sozialer Spannungen, in Griechenland und Spanien gehen immer mehr Menschen auf die Straßen. Das Wachstum in Europa schwäche sich weiter ab, die Inflationsgefahr nehme dagegen zu. „Vorsicht vor der fünften Welle“, warnt Jakobsen im Gespräch mit FundReseach. Damit meint er das Elliott Wave Prinzip, wonach nach der fünften Welle steigender Kurse, die Märkte fallen. Doch seien diese Auswirkungen der Krise nicht neu. Die Frage sei vielmehr, wie dagegen vorgegangen werden muss.
Jakobsen ist der Ansicht, dass es mit 60 prozentiger Wahrscheinlichkeit wie bisher weitergehen werde. Die Politiker wursteln sich weiter durch. Eine Wahrscheinlichkeit von 20 Prozent gibt der Experte der Möglichkeit einer Erholung. Dass es zu einem sogenannten „Kardinalstreffen“ komme und ein neues Europa begründet werde, sei zu 19 Prozent wahrscheinlich. Für völlig aussichtlos hält Jakobsen die Maßnahme, einfach mehr Geld zu drucken. Die Wahrscheinlichkeit, dass die funktioniere, liege bei einem Prozent.
„Es ist an der Zeit eine Entscheidung zu treffen: Gibt es einen wirklichen Wandel oder geht das Leugnen der Krise weiter“, sagt der Ökonom. Diese Entscheidung hinauszuzögern, wäre fatal: „Aufschub ist die tödlichste Form des Leugnens“, zitiert Jakobsen den britischen Historiker Cyril Northcote Parkinson. „Wir haben ein dreistufiges Modell der Eurokrise“, sagt er. Am Anfang steht das Leugnen der Krise. Dies führe zu Protesten. Die Proteste wiederum geben den Politikern den Auftrag für den Wandel. „Was wir brauchen, ist ein echtes Mandat für den Wandel, damit wir den Kreislauf aus niedriger Produktivität, hohen Steuern, Kreditflaute und stagnierendem Arbeitsmarkt hinter uns lassen“, ist Jakobsen überzeugt. Dabei sollten sich die Verantwortlichen weniger auf die makro- und mehr auf die mikroökonomischen Faktoren konzentrieren. Denn Wachstum könne letztlich nur von den Unternehmen ausgehen. Daher müssten diese gestärkt werden. Die S&P500‐Unternehmen seien – vom Finanzsektor abgesehen – gute Beispiele für eine funktionierende Mikroökonomie: „Ihre Eigenkapitalrenditen liegen in diesem Jahr bereits bei 20 Prozent. Das ist beachtlich, wenn man dies etwa der lahmen US‐Gesamtwirtschaft gegenüberstellt, die zudem noch einer Fiskalklippe entgegensteuert“, so Jakobsen weiter.
Mit Blick auf die makroökonomischen Faktoren sagt Jakobsen: „Weniger ist mehr.“ Ganz außer Acht lassen darf man sie folglich nicht. Die globalen Ungleichgewichte werden wachsen und der Stellenwert von Lohnstückkosten abnehmen. Die Energiepreise werden nach Jakobsens Ansicht innerhalb der nächsten Dekade fallen: „Rohöl wird auf 50 US-Dollar pro Barrel fallen.“ Dies liege zum einen am Rückgang des globalen Wachstums und zum anderen an der steigenden Bedeutung von Schiefergas. Edelmetalle hingegen werden profitieren: „Da immer mehr Geld gedruckt werden wird, steigt der Goldpreis auf 3.000 Euro.“ Dies gilt kurzfristig nicht für die Aktienmärkte: „Die globalen Renditen werden innerhalb der nächsten sechs Monate ihren Tiefpunkt erreichen“, ist der Saxo Bank-Experte überzeugt.
(PD)
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