Vor den Folgen der Pandemie ist auch der Immobiliensektor nicht gefeit. Allerdings macht die Nutzungsart vielfach den Unterschied. Wohnimmobilien zeigen sich besonders widerstandsfähig.
29.06.2020 | 14:55 Uhr von «Christian Bayer»
Noch vor wenigen Wochen rechneten Immobilienexperten mit heftigen Einbrüchen am
Wohnimmobilienmarkt. Vorreiter unter den Pessimisten war Empirica. Das
Research-Haus ging Anfang April von einer Preiskorrektur bis 25 Prozent bei
Wohnimmobilien aus. Als Hauptursache wurden die wirtschaftlichen Folgen der
Corona-Krise wie beispielsweise zunehmende Kurzarbeit und höhere
Arbeitslosigkeit genannt. Durch die Unsicherheiten am Arbeitsmarkt würde ein
zusätzlicher Liquiditätsbedarf entstehen, der eine Kaufpreis-Rezession zur
Folge haben könnte, so die damalige Argumentation. Doch die Prognosen waren
wohl zu düster. In aktuellen Auswertungen sehen Experten den Wohnimmobilienmarkt
weniger schwarz. So stellt der Bundesverband der Deutschen Volksbanken und
Raiffeisenbanken (BVR) in einem aktuellen Papier fest, dass der Preisauftrieb
bei den Wohnimmobilien trotz der Corona-Krise anhält. Laut modellbasierter
Berechnungen des BVR ist auch in diesem Jahr mit einem kräftigen Anstieg der
Wohnimmobilienpreise zu rechnen. „Die Schätzungen signalisieren, dass sich die
Preise für selbstgenutztes Wohneigentum im Durchschnitt der 401 Kreise
Deutschlands gegenüber dem Vorjahr um 4,8 Prozent verteuern werden“, so der
BVR. Im Vorjahr lag der Preiszuwachs bei 5,7 Prozent. Zwar würden die verfügbaren
Einkommen krisenbedingt merklich sinken. Die zu erwartende weitere
Bevölkerungszunahme und die niedrigen Zinsen würden aber weiter preistreibend
wirken. Zudem rechnen die Analysten des BVR damit, dass der Konjunktureinbruch
bald überwunden sein wird.
Mit Blick auf die gesamtwirtschaftliche Entwicklung sehen die Experten desInstituts der Deutschen Wirtschaft Köln (IW) bei bestimmten Nutzungsarten
deutlich negative Auswirkungen. Laut Schätzungen des IW wird das reale
Bruttoinlandsprodukt im Jahr 2020 um neun Prozent sinken und die
Arbeitslosenquote um 1,5 Prozentpunkte auf 6,5 Prozent steigen. „Sollte es
keine zweite Welle und damit keine weitere Beeinträchtigung von Produktions-
und Dienstleistungssektoren geben, würde ab dem zweiten Halbjahr eine Erholung
einsetzen – vor dem dritten Quartal 2021 würde das Vorkrisenniveau aber nicht
erreicht werden. Ein solch massiver Konjunktureinbruch kann auch am
Immobilienmarkt nicht vorbeigehen“, so Prof. Dr. Michael Voigtländer, Leiter
des Kompetenzfelds Finanzmärkte und Immobilienmärkte beim IW. Relativ
widerstandsfähig hat sich der Wohnimmobilienmarkt gezeigt. Als Gründe geben die
IW-Experten die weiterhin hohe Nachfrage nach Wohnraum und die geringere
Reagibilität von Wohnungsmieten auf konjunkturelle Einbrüche an. Zudem wären
die Mietausfälle weniger drastisch als im Gewerbeimmobiliensektor. „Anders als
in den anderen Segmenten rechnen darüber hinaus mehr Unternehmen mit einer
Steigerung der Mieten (37,5 Prozent) als mit einer Senkung (17,9 Prozent)“, so
das IW.
Eine besonders starke Eintrübung wird im ZIA-IW-Immobilienstimmungsindex des zweiten Quartals 2020 beim Büromarkt deutlich. Bei der Einschätzung der Lage gab es bei maximal 100 Punkten gegenüber dem Vorquartal einen Rückgang um mehr als 54 auf aktuell 26,5 Punkte. Zudem rechnet die Mehrheit der Befragten mit einer weiteren Verschlechterung der Situation. Das IW verweist auf die hohe Konjunktursensibilität des Büroimmobilienmarktes. Darüber hinaus würden aber auch zusätzliche strukturelle Änderungen den Markt belasten. „So könnte der Wunsch der Mitarbeiter nach mehr Homeoffice, in Kombination mit der Notwendigkeit, Kosten zu sparen, die Büronachfrage dauerhaft senken“, erläutern die IW-Experten. Neben dem Büromarkt ist auch der Handel stark von der Corona-Pandemie betroffen. Mit einem Wert von 41,4 wird die Lage allerdings, verglichen mit den Büroimmobilien, noch vergleichsweise gut bewertet, obwohl Läden Corona-bedingt geschlossen werden mussten. Das IW führt den vergleichsweise guten Wert auf die hohe Diversität des Einzelhandels zurück. „Während gerade im so genannten Non-Food-Bereich viele Händler große Probleme haben, stiegen die Umsätze bei Lebensmittelhändlern und in Baumärkten an“, so das Institut.
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