Laut der Auswertung des Deutschen Fondsverband BVI lag die
durchschnittliche Wertentwicklung Offene Immobilienfonds zum Stand Ende
September 2022 in den vergangenen zwölf Monaten bei 2,6 Prozent. Angesichts
hoher Verluste nahezu aller Aktienfonds im gleichen Zeitraum erscheinen die
Immobilienfonds als stabiler Anker in der Krise. Anleger machen sich auch
Sorgen wegen der hohen Inflation. Betongold gilt dabei für viele im Gegensatz
zu Anleihen und andere Zinsanlagen als guter Inflationsschutz. Während im
ersten Halbjahr 2022 Geldmarktfonds Geldabflüsse von 6,8 Milliarden Euro und
Rentenfonds Abflüsse von 6,5 Milliarden Euro hinnehmen mussten, flossen den
Offenen Immobilienfonds Netto zusätzliche 3,4 Milliarden Euro zu.
Inflationsschutz mit
Offenen Immobilienfonds nur unter bestimmten Voraussetzungen
Eine Studie der Research-Abteilung der Helaba
mit dem bezeichnenden Titel „Immobilie keine Allzweckwaffe gegen Inflation“
stellte jedoch den Glauben vieler Investoren in Frage. „Die Eignung von
Immobilien als Inflationsschutz ist nicht eindeutig nachweisbar und bestenfalls
unter besonderen Bedingungen zu erwarten“, so die Kernbotschaft des
Studienautors Stefan Mitropoulos. Nach den längsten Daten zur Entwicklung der
Immobilienpreise in Deutschland – dem seit 1975 vorliegenden Immobilienindex
von Bulwiengesa – liegt der Teilindex für gewerbliche Immobilien über den
gesamten Zeit- raum unter dem Verbraucherpreisindex, der für Wohnimmobilien
darüber. Aber auch die Wohnimmobilienpreise
haben nach dem Teilindex in den vergangenen 45 Jahren nicht immer mit der
allgemeinen Preisentwicklung Schritt halten können. Bei der Performance von Immobilienaktien konnte sogar überhaupt kein positiver
Zusammenhang (Korrelation) mit dem Verbraucherpreisindex festgestellt werden.
„Immerhin zeigt die durchschnittliche Jahresperformance Offener
Immobilienfonds, deren Vermögen überwiegend aus gewerblichen Immobilien im
In- und Ausland besteht, in der Vergangenheit einen auffallenden Gleichlauf mit
der Inflationsrate“, so Mitropoulos (siehe Grafik 1).
Er führt dies auf die bei Gewerbeimmobilien häufig
anzutreffende Bindung der Mieten an den Verbraucherpreisindex (Indexmieten)
zurück. Bei Offenen Immobilienfonds erfolgt die Bewertung der Immobilien zudem nicht
wie bei Aktien kontinuierlich an der Börse, sondern regelmäßig durch
Gutachten unabhängiger Sachverständiger. Die Gutachter verwenden für gewerblich
genutzte Gebäude oft ein Bewertungsverfahren, das auf die Erträge der
Immobilien abstellt. Herangezogen werden dabei die ortsüblichen, nachhaltig
erzielbaren Mieterträge abzüglich der Bewirtschaftungskosten. Ein Gutachter kann in der
Ertragsbewertung Abweichungen der indexierten Miete von der Marktmiete über
die Höhe des Liegenschaftszinses oder über Zu- und Abschläge berücksichtigen.
Ein Inflationsschutz wäre daher bei Gewerbeimmobilien mit Indexmieten sowohl
von den Mieten wie auch von den Immobilienbewertungen gegeben. Allerdings sind
indexierte Mieten in bestimmte Regionen, etwa in Großbritannien und Asien,
unüblich. Der Inflationsschutz hängt daher davon ab, wo der Offenen
Immobilienfonds investiert.
Sinkende Mieterträge
und Preise bei Einzelhandelsimmobilien
Bei Einzelhandelsimmobilien in Deutschland sind die Mieten
meistens nicht an den Verbraucherpreisindex, sondern an den Ladenumsätzen
gebunden. Und diese entwickeln sich im Vergleich zum Onlinehandel nicht erst
seit Beginn der Corona-Pandemie unterdurchschnittlich. Viele Fonds haben daher
ihren Anteil an Einzelhandelsobjekten gesenkt und vermehrt Logistikimmobilien erworben.
Aufgrund der gesunkenen Nachfrage und der rückläufigen Umsätze des stationären
Handels stagnieren oder sinken die Preise vieler Einzelhandelsimmobilien.
Dagegen sind in den vergangenen Jahren die Preise der Büroimmobilien aufgrund
der hohen Nachfrage durch institutionelle Investoren gestiegen. Seit dem
Zinsanstieg halten sich nun allerdings auch Versicherungen, Pensionskassen und
Versorgungswerke mit Immobilienkäufen zurück. Auch verteuern steigende
Hypothekenzinsen das Fremdkapital beim Immobilienerwerb und senken die
Rentabilität fremdfinanzierter Immobilien. Die sinkende Nachfrage der
Investoren wird voraussichtlich die Immobilienpreise unter Druck setzen.
Wie die Wirtschaftskrise 2001 und die Finanzkrise 2008
zeigten, sind Investments in Immobilien zeitverzögert von Rezessionen
betroffen. Aufgrund der gesunkenen Fondsausschüttungen wollten damals viele
Anleger ihre Fondsanteile zurückgeben, was zur Liquiditätsengpässen bei den
Fonds führte, die nicht so schnell ihre Immobilien zu fairen Preisen verkaufen
konnten. In Folge der Fondskrise 2004 und nach der Finanzkrise 2008 mussten
zahlreiche Offene Immobilienfonds abgewickelt werden. Ende 2021 lag die
Liquiditätsquote Offener Immobilienfonds laut einer Auswertung der
Ratingagentur Scope in ihrer Studie „Offene Immobilienfonds“ vom Frühjahr 2022
im Mittel bei 15,7 Prozent. Die Liquiditätsreserve ist seit dem Höchststand im
Jahr 2013 von durchschnittlich 23,1 Prozent damit um 7,9 Prozentpunkte gesunken
(siehe Grafik 2).
Ausreichend hohe
Liquidität?
Dennoch beurteilt Scope die aktuelle Liquiditätsquote als
befriedigend. „In Anbetracht der
komfortablen Liquiditätsquoten der meisten Fonds sind Liquiditätsengpässe
kurzfristig nicht zu erwarten“, schreiben die Analystinnen Hosna Houbani
und Sonja Knorr. Die Bandbreite der
Liquiditätsquoten ist allerdings groß. Das Spektrum reicht von 6,8 Prozent (UniInstitutional European Real
Estate) bis 32,9 Prozent (Fokus Wohnen Deutschland). Weil bis Ende 2021 die
Zinsen niedrig waren, rentierte das liquide Kapital deutlich schlechter als die
Immobilien. Mit dem Zinsanstieg hat sich dies nun geändert. Es ist zu erwarten,
dass die Fonds tendenziell ihre Liquiditätsreserven erhöhen werden, sofern die
Mittelzuflüsse stabil bleiben. Große Mittelabflüsse wie in der Fondskrise 2004
und nach der Finanzkrise 2008 sind kaum zu erwarten, da der Gesetzgeber
nach der Fondskrise die Veräußerbarkeit der Anteile Offener Immobilienfonds beschränkt
hat. So besteht für Offene Immobilienfonds eine Mindesthaltefrist, die im
Regelfall 24 Monate beträgt. Auch müssen die Anleger eine bestimmte Zeit vor der Rückgabe
unwiderruflich ankündigen, dass sie die Anteile zurückgeben wollen. Im
Regelfall beträgt diese Rückgabefrist zwölf Monate. Schließlich kann
die Gesellschaft für die
Rücknahme von Fondsanteilen bestimmte Rücknahmetermine im Jahr festlegen. Viele Fonds ermöglichen zwar eine
börsentägliche Rückgabe, in den Vertragsbedingungen kann die Rückgabe aber
auf nur einen Termin im Jahr beschränkt werden. Aufgrund dieser Regeln ist ein
schneller und umfangreicher Mittelabfluss – etwa als Reaktion enttäuschter
Anleger auf sinkende reale Ausschüttungen – unwahrscheinlich. Anlage- und
Vermögensberater sollten ihre Kunden im Zuge steigender Zinsen auf die
eingeschränkte Liquidität Offener Immobilienfonds rechtzeitig hinweisen, um
eine eventuelle Umschichtung von der indirekten Immobilienanlage in sichere
Zinsanlagen mit höheren Zinsen durchführen zu können.
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