Im Interview mit TiAM spricht Boris Anbinder, Portfoliomanager des Fonds Metzler European Dividend Sustainability, über die Nachhaltigkeitsstrategie seines Fonds, die Chancen grüner Transformationswerte und darüber, welche Rolle das Dividendenwachstum bei der Auswahl der Titel spielt.
03.11.2023 | 12:30 Uhr von «Peter Gewalt»
TiAM: Herr Anbinder, Sie sind nach Ihren eigenen Worten immer auf der Suche nach neuen Trends, auch im Nachhaltigkeitsbereich. Was ist für Sie die auffälligste Entwicklung in diesem Sektor?
Boris Anbinder: Dazu muss ich kurz ausholen: Wir investieren mit dem Metzler European Dividend Sustainability Fonds in Unternehmen mit etablierten und zukunftsfähigen Geschäftsmodellen. Es gibt aber auch sogenannte Transformationsunternehmen, die beispielsweise einen Geschäftsbereich haben, den das Unternehmen entweder nicht für zukunftsträchtig hält oder der weiterentwickelt werden soll. Das Unternehmen ist also im Grundsatz solide aufgestellt, und es existiert ein stabiler Cashflow aus einem bestehenden Geschäftszweig, der dann zum Teil in den neuen Geschäftsbereich reinvestiert werden kann. Bei solchen Transformationsunternehmen hat sich als ein starker Trend im Nachhaltigkeitsbereich zum Beispiel die Substitution fossiler Rohstoffe hervorgetan. Dies betrifft etwa den Ersatz von Treibstoffen, Chemikalien oder Plastik.
TiAM: Sie sind mit Ihrem Fonds auf Europa fokussiert. Finden Sie hier genug grüne Transformationstitel?
Anbinder: Ja, denn während Europa im Bereich Technologie eher hinterherhinkt, sind die europäischen Unternehmen beim Thema Nachhaltigkeit, speziell bei der Substitution fossiler Energieträger und fossiler Rohstoffe, absolut führend.
TiAM: Nennen Sie uns zwei Beispiele?
Anbinder: Beispielsweise gibt es in Finnland einen klassischen Mineralöl- und Raffineriekonzern, der als Technologieführer in diesem Bereich seit Jahren in der Lage war, auch qualitativ minderwertiges, aber sehr günstiges russisches Schweröl verarbeiten zu können. Die Überlegung, wie lange dieses Geschäftsmodell noch trägt, führte zu der Idee, nachwachsende Rohstoffe oder organische Abfälle zu nutzen, um die gleichen Produkte herzustellen. Mittlerweile zählen einige große Zukunftsthemen wie erneuerbarer Diesel und erneuerbare Treibstoffe für die Luftfahrt sowie erneuerbare Chemikalien und Kunststoffe zum Angebotsportfolio. Das Unternehmen ist auch Kooperationen mit Spielzeug- und Möbelherstellern eingegangen, um Plastik durch Bioplastik zu ersetzen, das zu 100 Prozent recycelbar und zu 100 Prozent kompostierbar ist. Wichtig bei diesem Unternehmen ist, dass die alte Geschäftssparte nicht abgespalten oder eingestellt wurde, sondern weiterhin besteht und aufgrund der hohen Ölpreise weiterhin sehr viel Cashflow generiert. Und der ist wichtig, um in die neuen Technologien investieren zu können.
TiAM: Kostet das nicht Dividende?
Anbinder: Das traditionelle Geschäft des Unternehmens ist so stark, dass es weiter eine überdurchschnittliche Dividende bietet, zudem die Investitionen decken kann und so das zukünftige Wachstum finanziert. Und das ist genau die Mischung, die wir suchen. Wir finden nicht unbedingt die höchste Dividendenrendite am attraktivsten, sondern eine Aussicht auf ein hohes Dividendenwachstum, weil das Geschäft des Unternehmens besonders zukunftsträchtig ist.
TiAM: Und als zweites Beispiel für ein grünes Transformationsunternehmen …
Anbinder: … führe ich gerne einen finnischen Papier- und Zellstoffkonzern an. Auch dieser ist ein chancenreicher Innovationstreiber mit Potenzial auf deutlich steigende Dividenden, die wir für unser Portfolio suchen. Als Forstbesitzer muss die Unternehmensleitung schon seit Hunderten von Jahren überlegen, wie der Wald optimal genutzt wird. Der wichtigste Unternehmensbereich ist zwar immer noch das Zellstoffgeschäft, das sehr, sehr viel Cashflow generiert. Mittlerweile hat man aber angefangen, Treibstoffe und Chemikalien aus Holz herzustellen. Auch in diesem Fall besteht ein sehr gutes Geschäftsmodell, das man auch gar nicht aufgeben will, aber man hat erkannt, dass man zukünftig wertvollere Produkte aus Holz herstellen kann, wie zum Beispiel Biochemikalien.
TiAM: Was zahlt das Unternehmen denn an Dividende?
Anbinder: Aktuell liegt die Dividendenrendite bei 5,5 Prozent, die in den nächsten Jahren jeweils um fünf Prozent wachsen soll. Und wenn durch die neuen Projekte zukünftig der Umsatz steigt, kann das Unternehmen natürlich auch den Aktionär wieder stärker mit höheren Gewinnausschüttungen berücksichtigen. Aber das steht für uns gar nicht so im Mittelpunkt. Wir bevorzugen eher sinnvolle Investitionen in die Zukunft. Denn die Kapitalallokation in grüne Investments, die später Umsatz und Marge stärken, ist eine Investition in die Dividende von morgen.
TiAM: Ist der französische Ölkonzern Total in Ihrem Portfolio ebenfalls ein grünes Transformationsunternehmen?
Anbinder: Aus Risikoabwägungen müssen wir auch in Sektoren wie etwa den Energiesektor investieren, auch wenn die etwas kontroverser diskutiert werden. Daher setzen wir nicht nur auf Unternehmen mit einem guten ESG-Rating, sondern auch auf die mit einem guten ESG-Momentum. Es muss bei den Unternehmen Verbesserungspotenzial und Verbesserungswille zu erkennen sein. Und beides ist bei Total im Gegensatz zu vielen anderen Ölunternehmen der Fall.
TiAM: Was versprechen Sie sich von Nachhaltigkeit in Ihrem Portfolio?
Anbinder: Auf Nachhaltigkeit setzen wir nicht, um nach außen nachhaltig zu sein, sondern weil wir überzeugt sind, dadurch für den Anleger auch Mehrwert generieren zu können. Und da gibt es zwei Wirkungsweisen. Erstens glauben wir, dass das Berücksichtigen von Nachhaltigkeitsfaktoren, also von nichtfinanziellen Faktoren in der Unternehmensanalyse, massive Vorteile beim Risikomanagement bietet. Diese stehen einem mittlerweile in einer systematischen Art und Weise zur Verfügung, dass es schon fast fahrlässig wäre, diesen Punkt nicht zu berücksichtigen. Nachhaltigkeit bietet zudem die Möglichkeit, neue Trends und Chancen zu erkennen. Und von diesen Performance-Quellen kann man langfristig profitieren.
TiAM: Wie setzen Sie das Thema Nachhaltigkeit im Investmentprozess um?
Anbinder: Wir berücksichtigen das Thema auf jeder Stufe des Investmentprozesses. Das beginnt klassischerweise mit Ausschlusskriterien, wobei wir das auf der Sektorenebene als nicht so sinnvoll erachten. Aber selbstverständlich schließen wir die kontroversesten Unternehmen aus. Das sind diejenigen, die gegen internationale Normen verstoßen. In der Kontroversen-Systematik von MSCI ESG Research entspricht dies einer roten Flagge. Global fallen aktuell somit rund 30 Unternehmen für unsere Strategie weg. Und ab diesem Zeitpunkt beginnt dann schon die ESG-Integration, die deutlichen Mehrwert gegenüber klassischen Ausschlussansätzen bringt. Dies startet mit externem und internem ESG-Research.
TiAM: Welche Daten nutzen Sie?
Anbinder: Wir nutzen Analysen von Investmentbanken sowie Daten von ESG-Anbietern und Unternehmensangaben für die eigene Unternehmensanalyse. Hierbei möchten wir auch den Einfluss der ESG-Leistung eines Unternehmens auf die Gewinnentwicklung und somit auf die Bewertung antizipieren. Das Arbeiten mit Szenarien und Sensitivitäten auf bestimmte KPIs hat sich bisher am sinnvollsten herausgestellt. Der Unternehmensdialog, der uns schon immer sehr wichtig war, rundet das Bild ab. Im Metzler Asset Management hat jeder Portfoliomanager über 200 Unternehmenskontakte pro Jahr. Auf den Hauptversammlungen sind wir aktiv, indem wir abstimmen oder unsere Stimmen bündeln lassen. Aber wir versuchen auch schon davor im direkten Dialog mit den Unternehmen etwas zu bewirken. Auch hierfür ist der vorhin angesprochene Mineralölkonzern ein gutes Beispiel.
TiAM: Inwiefern?
Anbinder: Das Unternehmen nutzte anfangs Palmöl als Ersatz für Schweröl für die Produktion. Da die Produktion von Palmöl aber ebenfalls nicht ohne Kontroversen ist, haben wir sehr lange mit dem Management gesprochen, das doch bitte zu ersetzen. Letztlich mit Erfolg, da bei dem Unternehmen grundsätzlich dieser Veränderungswille vorhanden ist.
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