Mithilfe Künstlicher Intelligenz lassen sich viele Aufgaben besser und schneller lösen als bisher. Das gilt jedoch nicht uneingeschränkt für das Fondsmanagement.
02.08.2024 | 14:00 Uhr von «Matthias von Arnim»
Unternehmen, Software, Dienstleistungen oder Produkte, die „AI“ für Artificial Intelligence oder „KI“ für Künstliche Intelligenz im Namen tragen, lassen sich derzeit gut verkaufen. Deshalb verwundert es nicht, dass auch etliche neue Fonds und ETFs sich dem Thema KI von verschiedenen Seiten her nähern. Da sind zum einen Fonds, die in Unternehmen mit KI-Bezug investieren, und zum anderen Fonds, die KI-Technologie zur Unterstützung von Anlageentscheidungen nutzen. Gerade diese zweite Kategorie sorgt für Aufmerksamkeit bei der Anlegergemeinde. Denn das Ziel, mithilfe von Technik und Big Data eine solide Fundamentalanalyse mit der Erkennung von Kursentwicklungsmustern zu verbinden und damit Wertentwicklungspotenziale zu entdecken, die von anderen noch übersehen wurden, ist so alt wie die Börse selbst. Ob dieses Ziel durch Anwendung von KI nun besser erreicht werden kann, ist eine andere Frage. Denn hinter dem Begriff verbergen sich sehr viele verschiedene Herangehensweisen.
Was KI für das Portfoliomanagement bedeuten kann, hat eine im November 2023 erschienene Studie „Wie Künstliche Intelligenz das Asset Management revolutioniert“ des Beratungsinstituts FondsConsult detailliert aufgeschlüsselt. Die Analysten untersuchten, welche Techniken in welchem Rahmen eingesetzt werden. Dabei zeigte sich, dass die Arten und Einsatzmöglichkeiten von KI-Prozessen so vielfältig sind, wie die Investmentprozesse aktiv gemanagter Fonds selbst. Immerhin seien aber einige Trends klar erkennbar: So zähle vor allem das Inhouse-Research zu den häufigsten Anwendungsbereichen Künstlicher Intelligenz. Hier spiele KI insbesondere im Bereich der Verarbeitung großer Datenmengen ihre Stärken aus – zum Beispiel, um Anomalien zu erkennen. Selbstlernende Prozesse würden auch verstärkt eingesetzt, um Texte wie Finanzberichte, Nachrichtenartikel oder auch transkribierte Manager-Gespräche zu verstehen und zu analysieren. Sogenannte Transformer-Modelle helfen laut FondsConsult-Studie mittlerweile dabei, die Relevanz von Nachrichten zu prüfen, indem sie Zusammenhänge zwischen Unternehmensmitteilungen und den Inhalten aus Nachrichten oder Social Media Posts herstellen. Es gebe zudem mittlerweile auch Systeme, die dazu verwendet würden, Unternehmen oder Themen zu identifizieren, die von Anlegern positiv assoziiert werden und somit potenzielle Outperformance-Kandidaten darstellen. Schon bei dieser kurzen Aufzählung einiger weniger Anwendungsgebiete von KI wird deutlich, wie komplex das Thema ist. Allein die Tatsache, dass KI eingesetzt wird, sagt deshalb nichts darüber aus, wie erfolgreich die betreffende Anlage-Strategie ist.
Wie sich KI-Fonds in der Praxis bewähren, hat die Ratingagentur Scope in einer aktuellen Studie überprüft. Dabei kristallisierten sich spezifische Vor- und Nachteile gegenüber klassischen Fonds und ETFs heraus. Als bemerkenswerten Vorteil der KI-Fonds bewerten die Autoren deren Fähigkeit zum verbesserten Risikomanagement. Laut der Studie schnitt die Hälfte der KI-gesteuerten Fonds bezüglich der Volatilität besser ab als ihre Peergroups. Diese Fonds nutzen KI, um Marktrisiken besser zu identifizieren und darauf zu reagieren, was zu einer stabileren Wertentwicklung führt. Aktiv gemanagte KI-Fonds zeigten dabei wiederum eine bessere Performance über ein Jahr im Vergleich zu KI-ETFs. Dies sei darauf zurückzuführen, dass aktive Fonds schneller auf Markttrends reagieren können, wie das Erkennen und Nutzen des Momentums bestimmter Aktien, so Scope.
Erwähnenswert sind allerding auch die Nachteile beim Einsatz von KI im Fondsmanagement. Über längere Zeiträume hinweg haben KI-Fonds offensichtlich Schwierigkeiten, ihre Peergroups zu übertreffen. Über drei Jahre konnten laut Studie nur 40 Prozent und über fünf Jahre nur 30 Prozent der KI-Fonds eine bessere Rendite als der Durchschnitt ihrer Peergroup erzielen. Zudem zeige sich eine Ähnlichkeit in der Aktienauswahl zwischen Technologie-Fonds mit und ohne KI-Bezug. Die größten Positionen in beiden Fondstypen seien sehr ähnlich, was bedeute, dass der Vorteil der KI nicht immer zu einer signifikant besseren Performance führe. Die Überschneidung der Top-10-Werte liege bei etwa 90 Prozent, was auf eine geringe Diversifizierung hinweise.
An dieser Stelle muss erwähnt werden, dass viele KI-Fonds noch nicht lange genug existieren, um verlässliche Daten über ihre langfristige Performance zu liefern. Der begrenzte Track Record erschwert es zudem, das volle Potenzial von KI in der Vermögensverwaltung zu bewerten. Tatsächlich haben derzeit nur zehn KI-Fonds eine Historie von fünf Jahren, was die Aussagekraft der bisherigen Vergleiche einschränkt.
Um herauszufinden, welche KI-Fonds die neue Technik erfolgreich einsetzen, hat die TiAM FundResearch Redaktion die derzeit angebotenen KI-unterstützten Fonds mithilfe der Analysesoftware FVBS professional verglichen. Ergebnis: Die Mehrzahl dieser Fonds hat in im laufenden Jahr noch nicht überzeugen können. Während der Weltaktienindex MSCI World seit Januar fast 13 Prozent an Wert zulegte, blieben die Ergebnisse fast aller untersuchten Produkte in ihrer Wertentwicklung weit darunter. Zwei Fonds mit KI-Unterstützung stachen jedoch positiv heraus, nämlich der Xtrackers AI and Big Data Ucits ETF der DWS und der ODDO BHF Artificial Intelligence (siehe Tabelle). Der ACATIS AI US Equities X TF konnte immerhin im Betrachtungsraum über ein Jahr mit dem Weltindex gleichziehen. Die Dreijahresbilanz des Fonds fällt bescheiden aus. Eine optimistische Annahme könnte sein, dass das System in den zurückliegenden Jahren seit Auflegung des Fonds dazugelernt hat und deshalb nun besser performt.
Der Xtrackers AI and Big Data Ucits ETF sowie der ODDO BHF Artificial Intelligence stechen nicht nur mit ihrer Performance, sondern auch mit ihrer Doppelstrategie heraus: Beide investieren in KI-Firmen und setzen KI für ihre Anlageprozesse ein, um die spannendsten Unternehmen in diesem Segment ausfindig zu machen. Das größte Gewicht in den Fonds stellen Softwareunternehmen wie Microsoft, Amazon, Workday und Salesforce. Die zweitstärkste Gruppe sind Unternehmen aus der Halbleiterindustrie, wie etwa AMD oder Nvidia. Zusammen mit Tech-Werten und Hardwareherstellern liegt der Investitionsschwerpunkt beider Fonds mit insgesamt mehr als Dreiviertel des investierten Vermögens also sehr deutlich im Bereich neuer Technologien.
Fazit: Die Untersuchungen zeigen, dass KI-Fonds im Bereich des Risikomanagements und der kurzfristigen Renditen einige Vorteile bieten können. Allerdings bleibt die langfristige Performance dieser Fonds hinter den Erwartungen zurück, was auf die Ähnlichkeit in der Aktienauswahl und den noch kurzen Track Record zurückzuführen ist. Die kontinuierliche Weiterentwicklung und das Training der KI-Systeme könnten in Zukunft jedoch zu einer besseren Performance führen, was die Popularität von KI-Fonds weiter steigern dürfte. Insgesamt bleibt die Anwendung von KI in der Fondsbranche ein spannendes Feld mit viel Potenzial, das jedoch sorgfältig beobachtet und weiter erforscht werden muss. Anleger sollten sich der derzeitigen Einschränkungen bewusst sein und bei der Auswahl von KI-Fonds auf fundierte Analysen und Bewertungen achten.
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