Das Repräsentantenhaus stimmte am Mittwochabend (Ortszeit) für
die offizielle Eröffnung eines Impeachment-Verfahrens. Mit der Mehrheit der
Demokraten votierte die Kammer dafür, dass sich Trump sowohl wegen
Machtmissbrauchs als auch wegen Behinderung der Kongress-Ermittlungen im Senat
verantworten muss. Trump trat parallel zu dem Votum vor Anhängern im US-Staat
Michigan auf und zeigte sich kämpferisch.
Die Abgeordneten stimmten getrennt über die beiden
Anklagepunkte ab. Das Repräsentantenhaus zeigte sich dabei, wie schon in den
Monaten zuvor, tief gespalten. Die Republikaner stimmten geschlossen gegen die
Eröffnung des Amtsenthebungsverfahrens. Die Demokraten wiederum votierten fast
alle dafür: Bei ihnen gab es nur wenige Abweichler - zwei beim ersten und drei
beim zweiten Votum.
Dem historischen Votum war eine fast zwölfstündige Sitzung
vorausgegangen, in der sich demokratische und republikanische Abgeordnete einen
heftigen Schlagabtausch lieferten. Die Demokraten begründeten die Eröffnung des
Verfahrens gegen Trump mit der Pflicht, die Verfassung zu schützen. Trump sei
eine Gefahr für die Demokratie, die nächste Wahl und die nationale Sicherheit
des Landes. Die Republikaner dagegen warfen den Demokraten vor, sie handelten
allein aus parteipolitischem Kalkül und seien seit Beginn der Präsidentschaft
Trumps besessen davon, ein Impeachment-Verfahren einzuleiten.
Die Demokraten beschuldigen Trump, den ukrainischen Präsidenten
Wolodymyr Selenskyj zu Ermittlungen gegen seinen politischen Rivalen Joe Biden
gedrängt zu haben, um die US-Präsidentschaftswahl 2020 zu seinen Gunsten zu
beeinflussen. Sie sehen es als erwiesen an, dass Trump von der Ankündigung
solcher Ermittlungen ein Treffen mit Selenskyj im Weißen Haus und die Freigabe
von Militärhilfe für die Ukraine abhängig gemacht habe. Das werten sie als
Amtsmissbrauch. Sie werfen ihm außerdem vor, die Ermittlungen des Repräsentantenhauses
zu der Ukraine-Affäre behindert zu haben. Trump weist die Vorwürfe gegen sich
vehement zurück.
Die Vorsitzende des Repräsentantenhauses, die Demokratin
Nancy Pelosi, warf Trump Verfassungsbruch vor und bezeichnete ihn als eine
fortdauernde Bedrohung für die Demokratie. "Er hat uns keine Wahl
gelassen." Der demokratische Vorsitzende des Geheimdienstausschusses in
der Kammer, Adam Schiff, sagte, das Repräsentantenhaus habe seine Pflicht erfüllt.
Nun sei der Senat an der Reihe.
Der Senat nimmt in einem Amtsenthebungsverfahren die Rolle
eines Gerichts ein. Es ist unklar, wann genau dort ein Amtsenthebungsverfahren
gegen Trump beginnen wird. Pelosi deutete an, das Repräsentantenhaus werde die
beschlossenen Anklagepunkte nicht unmittelbar an den Senat übermitteln, sondern
zunächst abwarten, wie das genaue Prozedere dort aussehen solle. Zum weiteren
Zeitplan und zu der Frage, wie sie sich ein Verfahren im Senat vorstellt, äußerte
sich Pelosi nicht näher.
Über den Ablauf des Prozesses im Senat - ob er kurz und
knapp gehalten wird oder etwa neue Zeugen gehört werden - gibt es Streit
zwischen Demokraten und Republikanern. Bislang wurde damit gerechnet, dass das
Verfahren Anfang Januar im Senat stattfinden würde.
Trumps Republikaner haben im Senat die Mehrheit. Mindestens
20 republikanische Senatoren müssten sich auf die Seite der Demokraten
schlagen, um die für eine Amtsenthebung nötige Zweidrittelmehrheit zu
erreichen. Das ist nach jetzigem Stand nicht in Sicht.
Dennoch ist schon die Eröffnung des Verfahrens ein Makel für
Trump. Vor ihm mussten das nur zwei andere Präsidenten über sich ergehen
lassen: Bill Clinton Ende der 1990er Jahre und Andrew Johnson im 19.
Jahrhundert. Gegen einen weiteren Präsidenten, Richard Nixon, waren zwar
ebenfalls Impeachment-Ermittlungen geführt worden - Nixon trat aber zurück,
bevor das Repräsentantenhaus über die Anklagepunkte abstimmte. Bislang wurde
noch kein US-Präsident des Amtes enthoben.
Trump könnte das Impeachment-Verfahren indes politisch
nutzen, um seine Anhänger zu mobilisieren und sich weiter als Opfer einer
parteipolitischen Kampagne zu inszenieren. Während die Abstimmung im Kongress
noch lief, ließ sich Trump am Mittwochabend (Ortszeit) bei einem Wahlkampfauftritt
in Michigan von Unterstützern bejubeln. Unter Applaus seiner Anhänger sagte er,
es fühle sich nicht so an, als werde ein Amtsenthebungsverfahren gegen ihn eröffnet.
"Wir haben nichts falsch gemacht, und wir haben enorme Unterstützung in
der Republikanischen Partei." Er sei der erste Präsident, der einem
Amtsenthebungsverfahren ausgesetzt sei, obwohl er kein Verbrechen begangen
habe.
Auch das Weiße Haus verurteilte die Eröffnung des Verfahrens
scharf und bezeichnete das Vorgehen der Demokraten als "verfassungswidrige
Farce".
Quelle: dpa-AFX
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