Finanzberater und Wissenschaftler weisen vermehrt auf Bank- und Fondsauszahlpläne, inflationsgeschützte Anleihen oder Immobilienrente hin. Bezüglich Renditen, Flexibilität, Inflationsschutz und Vererbbarkeit bieten sie gegenüber der Rente Vorteile.
04.04.2023 | 07:30 Uhr von «Ulrich Lohrer»
Die geburtenstarken Jahrgänge nähern sich dem Ruhestand. Sie haben oft viel gespart, gleichzeitig schätzen sie ihre gesetzliche Altersrente aufgrund der aktuell hohen Inflation oft als zu knapp ein. Für sie und ihre Finanzberater stellt sich daher die Frage, welche Formen des Kapitalverzehrs sich für ein Zusatzeinkommen im Alter mit ihren persönlichen Zielen am besten vereinbaren lässt. Wurde dafür bislang oft eine sofort beginnende private Rente gewählt, wird diese von vielen Finanzberatern und Finanzplanern wegen der geringer Verzinsung, hoher Kosten und geringem Inflationsschutz zunehmend kritisch gesehen. Alternative Kapitalverzehr-Modelle wie Auszahlpläne für Aktien-, Anleihen oder gemischte Depots sowie Modelle zur Kapitalfreisetzung aus dem Eigenheim sind gefragt. Nächstes Jahr erreichen die Geburtsjahrgänge 1958 ihre Regelaltersgrenze von 66 Jahren. Für sie stellt sich jetzt die Frage, wie sie ihr Erspartes für ein zusätzliches Einkommen während des Ruhestands anlegen. Für heute 65-jährige Männer betrögt diese fernere Lebenserwartung 17,8 Jahre, für Frauen im gleichen Alter 21,1 Jahre (siehe Grafik Sterbetafel 2019/2021). Mit welchen Vor- und Nachteile die jeweiligen Modelle verbunden sind, lässt sich für ein Kapital von 250.000 Euro aufzeigen.
Private Sofortrente: Zum Leben zu wenig, zum Sterben zuviel
Am einfachsten ist die Einzahlung des Kapitals in eine sofort beginnende private Rente. Einer der günstigen Rentenanbieter, die Europa, zahlt für 250.000 Euro an einen 66-jährigen lebenslang eine Garantierente von 693 Euro pro Monat. Mit den nichtgarantierten Überschüssen ergibt sich aktuell eine monatliche Gesamtrente von 807 Euro. Versicherte, die statt der anfänglich höheren Gesamtrente eine laufende Erhöhung – als Inflationsausgleich – wünschen, können die Überschüsse auch für die Rentenerhöhung verwenden. Wer eine jährliche Rentenauszahlung mit einem hohen Überschuss für eine hohe Gesamtrente wünscht, erhält bei der Allianz (Tarif PrivatSofortRente) eine Jahresrente von 12.414 Euro (davon 8.832 garantiert).
Der größte Vorteil der Rentenversicherung liegt in der Absicherung des sogenannten Langlebigkeitsrisikos. Der Versicherer übernimmt das Risiko, die Rente auch dann weiter zu zahlen, wenn der Versicherte seine fernere Lebenserwartung deutlich übertrifft. Zudem ist die Rentenversicherung bequem. Nach Abschluss und Kapitaleinzahlung bekommt der Versicherte seine private Zusatzrente monatlich auf sein Konto überwiesen, ohne sich noch um etwas kümmern zu müssen.
Diesen Vorteilen stehen mehrere Nachteile
gegenüber. Verstirbt der Versicherte bereits kurz nach Vertragsabschluss, ist
sein Kapital verloren, ohne dass er oder seine Erben einen adäquaten Gegenwert
erhalten haben. Auch wenn der Versicherte entsprechend seiner ferneren
Lebenserwartung seine Rente 16,8 Jahre lang erhält, entspricht dies gemessen an
einem Entnahmeplan einer negativen Verzinsung von 4,7 Prozent. Um sein
eingezahltes Kapital nominal als Rente unverzinst zurückzubekommen, müsste er
eine Rentenauszahldauer von 25,8 Jahren erreichen, also das 92. Lebensjahr
erleben. Als weiterer Nachteil kommt hinzu, dass der Versicherte nach
Rentenbeginn keinen Einfluss mehr auf die Kapitalanlage nehmen kann. Bleibt
über die Rentenbezugszeit die Inflation dauerhaft über zwei Prozent, ist auch
bei einer Rentenanpassung ein Kaufkraftverlust mit der privaten Rente zu
erwarten.
Bank-Auszahlplan: Zum Teil wieder mit hohen Zinsen
Das Kapital von 250.000 Euro kann auch bei einer Bank verzinst angelegt werden, die es über einen Auszahlplan über eine bestimmte Laufzeit auszahlt. Laut dem Finanzportal Biallo bieten die Gefa-Bank oder die Bausparkasse Mainz Auszahlpläne mit einer Verzinsung von bis zu 3,75 Prozent an. Die IKB Bank zahlt bis zu 2,75 Prozent. In dem GEFA Auszahlplan können Beträge ab 10.000 Euro bis zehn Millionen Euro angelegt und über Laufzeiten von vier, fünf, sechs und zehn Jahren monatlich ausgezahlt werden. Um zehn Jahre lang eine monatliche Auszahlung in gleicher Höhe wie die Rentenversicherung der Europa zu erhalten, würde bei der GEFA ein Einmalbetrag von rund 56.000 Euro ausreichen. Bleibt der Zins auch für spätere Einzahlungen für den Entnahmeplan gleich, würde danach noch mal der gleiche Betrag fällig. Insgesamt würde das Kapital von 250.000 Euro für eine Auszahlungsdauer von 44 Jahren reichen, also bis zum 110. Lebensjahr. Werden – wie bei der Allianz-Rente –jährlich 12.414 Euro ausgezahlt, würde das Kapital von 250.000 Euro beim GEFA Auszahlplan immerhin bis zum 100. Lebensjahr reichen.
Der Vorteil des Bankauszahlplans im Vergleich zur Rentenversicherung ist eine deutlich höhere Verzinsung. Sollte der Ruheständler solange wie seine fernere Lebenserwartung leben, bleibt für seine Angehörige noch ein erhebliches Kapital als Erbe übrig. Benötigt der Anleger eine geringere laufende Auszahlung, kann er zu Lebzeiten frei über das noch nicht in den Bankauszahlplan eingezahlte Kapital verfügen und größere Beträge verschenken oder für größere einmalige Ausgaben (z.B. Haussanierung) ausgegeben. Auch kann er das freie Kapital beliebig investieren.
Die Rentenversicherung ist dem Banksparplan nur dann überlegen, wenn der Anleger selbst das biblische Alter von 100 oder gar 110 Jahre überschreiten sollte. Dann ist sein Kapital für den Bankauszahlplan aufgezehrt. Ein Nachteil ist auch, dass der Entnahmeplan nur über zehn Jahre möglich ist. Der Anleger muss danach weiteres Kapital in einen neuen Bank-Auszahlplan nachschießen. Schließlich kann die Inflation während der zehnjährigen Auszahlphase über den Bankzins liegen und sich für das eingezahlte Kapital eine negative Realverzinsung ergeben. Dieser Nachteil ist allerdings bei der Rentenversicherung größer, da dort das gesamte Kapital über die gesamte Laufzeit an einen geringen Rechungszins der Versicherung gebunden ist.
Auszahlplan mit inflationsgesicherten Anleihen
In seiner Studie „Private Rente. Anleihen oder Umkehrhypothek“ schlägt der Sven Ebert vom Flossbach von Storch Research Institute inflationsindexierte Anleihen als Anlage für Senioren vor, die ihr Langlebigkeitsrisiko selbst tragen wollen. Im Gegensatz zu einer normalen Anleihe werden inflationsindexierte Papiere am Ende ihrer Laufzeit nicht zum Nennwert zurückbezahlt. Stattdessen erhält der Anleger einen kumulierten Ausgleich für die während der Haltezeit aufgelaufenen Inflation. „Bei zwei Prozent Inflation erhält man so bei einem Realzins von null und dreijähriger Laufzeit für 100 Euro eingesetztes Kapital 106,12 Euro zurück. Der jährliche Kupon wird ebenfalls um die Inflationsrate erhöht. Im Falle einer Deflation wird am Ende der Laufzeit mindestens der Nennwert zurückgegeben“, erläutert Ebert. Weil der Bund aktuell nur fünf inflationsgeschützte Anleihen anbietet, könnten auch inflationsgeschützte Anleihen des französischen Staates herangezogen werden. „Vergleicht man die Renditen inflationsindexierter Papiere von real nur wenig über null Prozent mit den oben erwähnten Verzinsungen klassischer Rentenversicherungen, so ist man dieser in der Rentenhöhe ab einer jährlichen Inflation von mehr als 2,5 Prozent überlegen“, so Ebert. Verfehlt die Europäische Zentralbank ihr Inflationsziel von zwei Prozent dauerhaft, so könnten inflationsgesicherte Anleihen eine Alternative zur privaten Rente sein. Der Nachteil: Die Suche nach geeigneten Anleihen ist etwas aufwendig. Für auf inflationsgeschützte Anleihen spezialisierte Finanzberater kann sich ein Wettbewerbsvorteil gegenüber weniger versierte Berater ergeben.
Aktienfonds: Dividenden und Fondsauszahlpläne
Aktienfonds mit hohen laufenden Dividendenausschüttungen können eine Alternative oder Ergänzung zu verzinslichen Anlagen sein. Zwar gibt nicht sicher, dass Aktiengesellschaften eine bestimmte Dividendenrendite oder überhaupt Dividenden zahlen. Dies schließt Aktienfonds jedoch nicht grundsätzlich als Quelle von Alterseinkünften aus. Aufgrund der relativ langen Rentenzeit ist es sinnvoll die langfristig renditeträchtigste Aktienanlage im Alters-Portfolio zu berücksichtigen. Kapital, das nicht für einen Bankauszahlplan verwendet wird, könnte in breit gestreute Dividendenfonds investiert werden. Der Vanguard FTSE All-World High Dividend Yield ETF etwa bietet aktuell eine Dividendenrendite von vier Prozent bei einer Gesamtkostenquote (TER) von nur 0,29 Prozent. Dividendenaristokraten erhöhen sogar über lange Zeiträume kontinuierlich ihre Dividenden. Wer über ein ausreichend hohes Vermögen verfügt, kann von Dividenden im Alter leben und von Kursgewinnen profitieren. Aus 250.000 Euro Kapital ergeben sich bei drei Prozent Dividendenrendite eine jährliche Ausschüttung von 7500 Euro.
Über Fondsauszahlpläne können Aktienfonds auch zum Kapitalverzehr eingesetzt werden. Je höher der Wertzuwachs, desto länger die Auszahlungsdauer (siehe Grafik 2). Nur wenige Banken – einige Direktbanken und Neobroker – bieten allerdings kostengünstige ETF-Auszahlpläne an. Flatex und Smartbroker erheben dafür keine Depotgebühren. In der Regel fallen aber Ausführungsgebühren in Höhe von 0,2 bis 2,5 Prozent für den Auszahlplan an.
© Fidelity International
Der Nachteil des Kapitalverzehrs mit Aktienfonds ist die hohe Volatilität der Wertentwicklung, weshalb sich schwer abschätzen lässt, wie lange das investierte Fondsvermögen für eine bestimmte Auszahlungsrate ausreicht. Der Vorteil der hohen Rentabilität von Aktienfonds über längere Zeiträume spricht für diese Anlage, wenn die Ruheständler nicht auf einen dauerhaft fixen Auszahlbetrag angewiesen sind und Schwankungen hinnehmen können.
Immobilienrente, Umkehrhypothek und Annuity Pools
Viele Senioren haben einen beträchtlichen Teil ihres Vermögens in Immobilien gebunden. Mit der Immobilienrente aus einem Immobilienverkauf mit lebenslangen Wohn- oder Nießbrauchrecht oder der Umkehrhypothek kann das Kapital freigesetzt werden, obwohl die Senioren weiterhin ihre Immobilie bewohnen. Aufgrund des hohen Anteils älterer Immobilienbesitzer werden diese Modelle an Bedeutung gewinnen. Auch innovative Auszahlungsmodelle werden diskutiert. So stellen Sandra Blome, Alexander Kling und Professor Joachim Rust vom Institut für am Institut für Finanz- und Aktuarwissenschaften in Ulm in der Zeitschrift für Versicherungswirtschaft das Modell der Annuity Pools vor. Dabei schließen sich mehrere Rentner(-generationen) zusammen und teilen sich das systematische Risiko der Langlebigkeit sowie das Kursrisiko der Kapitalanlage. „Annuity Pools stellen eine sinnvolle Erweiterung der Produktvielfalt dar“, so die Autoren. „In den kommenden fünf bis zehn Jahren wird die Nachfrage nach Instrumenten zum Verzehr des angesparten Kapitals im Ruhestand aller Wahrscheinlichkeit nach stark steigen“, so das Fazit von Sven Ebert.
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