Die geburtenstarken Jahrgänge nähern sich dem Ruhestand. Sie
haben oft viel gespart, gleichzeitig schätzen sie ihre gesetzliche Altersrente
aufgrund der aktuell hohen Inflation oft als zu knapp ein. Für sie und ihre
Finanzberater stellt sich daher die Frage, welche Formen des Kapitalverzehrs
sich für ein Zusatzeinkommen im Alter mit ihren persönlichen Zielen am besten
vereinbaren lässt. Wurde dafür bislang oft eine sofort beginnende private Rente
gewählt, wird diese von vielen Finanzberatern und Finanzplanern wegen der
geringer Verzinsung, hoher Kosten und geringem Inflationsschutz zunehmend
kritisch gesehen. Alternative Kapitalverzehr-Modelle wie Auszahlpläne für
Aktien-, Anleihen oder gemischte Depots sowie Modelle zur Kapitalfreisetzung
aus dem Eigenheim sind gefragt. Nächstes Jahr erreichen die Geburtsjahrgänge
1958 ihre Regelaltersgrenze von 66 Jahren. Für sie stellt sich jetzt die Frage,
wie sie ihr Erspartes für ein zusätzliches Einkommen während des Ruhestands
anlegen. Für heute 65-jährige Männer betrögt diese fernere Lebenserwartung 17,8
Jahre, für Frauen im gleichen Alter 21,1 Jahre (siehe Grafik Sterbetafel
2019/2021). Mit welchen Vor- und Nachteile die jeweiligen Modelle verbunden
sind, lässt sich für ein Kapital von 250.000 Euro aufzeigen.
Private Sofortrente:
Zum Leben zu wenig, zum Sterben zuviel
Am einfachsten ist die Einzahlung des Kapitals in eine
sofort beginnende private Rente. Einer der günstigen Rentenanbieter, die
Europa, zahlt für 250.000 Euro an einen 66-jährigen lebenslang eine
Garantierente von 693 Euro pro Monat. Mit den nichtgarantierten Überschüssen
ergibt sich aktuell eine monatliche Gesamtrente von 807 Euro. Versicherte, die
statt der anfänglich höheren Gesamtrente eine laufende Erhöhung – als
Inflationsausgleich – wünschen, können die Überschüsse auch für die
Rentenerhöhung verwenden. Wer eine jährliche Rentenauszahlung mit einem hohen
Überschuss für eine hohe Gesamtrente wünscht, erhält bei der Allianz (Tarif
PrivatSofortRente) eine Jahresrente von 12.414 Euro (davon 8.832 garantiert).
Der größte Vorteil der Rentenversicherung liegt in der
Absicherung des sogenannten Langlebigkeitsrisikos. Der Versicherer übernimmt
das Risiko, die Rente auch dann weiter zu zahlen, wenn der Versicherte seine
fernere Lebenserwartung deutlich übertrifft. Zudem ist die Rentenversicherung
bequem. Nach Abschluss und Kapitaleinzahlung bekommt der Versicherte seine
private Zusatzrente monatlich auf sein Konto überwiesen, ohne sich noch um
etwas kümmern zu müssen.
Diesen Vorteilen stehen mehrere Nachteile
gegenüber. Verstirbt der Versicherte bereits kurz nach Vertragsabschluss, ist
sein Kapital verloren, ohne dass er oder seine Erben einen adäquaten Gegenwert
erhalten haben. Auch wenn der Versicherte entsprechend seiner ferneren
Lebenserwartung seine Rente 16,8 Jahre lang erhält, entspricht dies gemessen an
einem Entnahmeplan einer negativen Verzinsung von 4,7 Prozent. Um sein
eingezahltes Kapital nominal als Rente unverzinst zurückzubekommen, müsste er
eine Rentenauszahldauer von 25,8 Jahren erreichen, also das 92. Lebensjahr
erleben. Als weiterer Nachteil kommt hinzu, dass der Versicherte nach
Rentenbeginn keinen Einfluss mehr auf die Kapitalanlage nehmen kann. Bleibt
über die Rentenbezugszeit die Inflation dauerhaft über zwei Prozent, ist auch
bei einer Rentenanpassung ein Kaufkraftverlust mit der privaten Rente zu
erwarten.
Bank-Auszahlplan: Zum
Teil wieder mit hohen Zinsen
Das Kapital von 250.000 Euro kann auch bei einer Bank
verzinst angelegt werden, die es über einen Auszahlplan über eine bestimmte
Laufzeit auszahlt. Laut dem Finanzportal Biallo bieten die Gefa-Bank oder die
Bausparkasse Mainz Auszahlpläne mit einer
Verzinsung von bis zu 3,75 Prozent an. Die IKB Bank zahlt bis zu 2,75
Prozent. In dem GEFA Auszahlplan können Beträge ab 10.000 Euro bis zehn
Millionen Euro angelegt und über Laufzeiten von vier, fünf, sechs und zehn
Jahren monatlich ausgezahlt werden. Um zehn Jahre lang eine monatliche
Auszahlung in gleicher Höhe wie die Rentenversicherung der Europa zu erhalten,
würde bei der GEFA ein Einmalbetrag von rund 56.000 Euro ausreichen. Bleibt der
Zins auch für spätere Einzahlungen für den Entnahmeplan gleich, würde danach
noch mal der gleiche Betrag fällig. Insgesamt würde das Kapital von 250.000
Euro für eine Auszahlungsdauer von 44 Jahren reichen, also bis zum 110.
Lebensjahr. Werden – wie bei der
Allianz-Rente –jährlich 12.414 Euro ausgezahlt, würde das Kapital von 250.000 Euro
beim GEFA Auszahlplan immerhin bis zum 100. Lebensjahr reichen.
Der Vorteil des Bankauszahlplans im Vergleich zur
Rentenversicherung ist eine deutlich höhere Verzinsung. Sollte der Ruheständler
solange wie seine fernere Lebenserwartung leben, bleibt für seine Angehörige
noch ein erhebliches Kapital als Erbe übrig. Benötigt der Anleger eine
geringere laufende Auszahlung, kann er zu Lebzeiten frei über das noch nicht in
den Bankauszahlplan eingezahlte Kapital verfügen und größere Beträge
verschenken oder für größere einmalige Ausgaben (z.B. Haussanierung)
ausgegeben. Auch kann er das freie Kapital beliebig investieren.
Die Rentenversicherung ist dem Banksparplan nur
dann überlegen, wenn der Anleger selbst das biblische Alter von 100 oder gar
110 Jahre überschreiten sollte. Dann ist sein Kapital für den Bankauszahlplan
aufgezehrt. Ein Nachteil ist auch, dass der Entnahmeplan nur über zehn Jahre
möglich ist. Der Anleger muss danach weiteres Kapital in einen neuen
Bank-Auszahlplan nachschießen. Schließlich kann die Inflation während der
zehnjährigen Auszahlphase über den Bankzins liegen und sich für das eingezahlte
Kapital eine negative Realverzinsung ergeben. Dieser Nachteil ist allerdings
bei der Rentenversicherung größer, da dort das gesamte Kapital über die gesamte
Laufzeit an einen geringen Rechungszins der Versicherung gebunden ist.
Auszahlplan mit
inflationsgesicherten Anleihen
In seiner Studie „Private Rente. Anleihen oder
Umkehrhypothek“ schlägt der Sven Ebert vom Flossbach von Storch Research
Institute inflationsindexierte Anleihen als Anlage für Senioren vor, die ihr
Langlebigkeitsrisiko selbst tragen wollen. Im Gegensatz zu einer normalen
Anleihe werden inflationsindexierte Papiere am Ende ihrer Laufzeit nicht zum
Nennwert zurückbezahlt. Stattdessen erhält der Anleger einen kumulierten
Ausgleich für die während der Haltezeit aufgelaufenen Inflation. „Bei zwei
Prozent Inflation erhält man so bei einem Realzins von null und dreijähriger
Laufzeit für 100 Euro eingesetztes Kapital 106,12 Euro zurück. Der jährliche
Kupon wird ebenfalls um die Inflationsrate erhöht. Im Falle einer Deflation
wird am Ende der Laufzeit mindestens der Nennwert zurückgegeben“, erläutert
Ebert. Weil der Bund aktuell nur fünf inflationsgeschützte Anleihen anbietet,
könnten auch inflationsgeschützte Anleihen des französischen Staates
herangezogen werden. „Vergleicht man die Renditen inflationsindexierter Papiere
von real nur wenig über null Prozent mit den oben erwähnten Verzinsungen
klassischer Rentenversicherungen, so ist man dieser in der Rentenhöhe ab einer
jährlichen Inflation von mehr als 2,5 Prozent überlegen“, so Ebert. Verfehlt
die Europäische Zentralbank ihr Inflationsziel von zwei Prozent dauerhaft, so
könnten inflationsgesicherte Anleihen eine Alternative zur privaten Rente sein.
Der Nachteil: Die Suche nach geeigneten Anleihen ist etwas aufwendig. Für auf
inflationsgeschützte Anleihen spezialisierte Finanzberater kann sich ein
Wettbewerbsvorteil gegenüber weniger versierte Berater ergeben.
Aktienfonds:
Dividenden und Fondsauszahlpläne
Aktienfonds mit hohen laufenden Dividendenausschüttungen
können eine Alternative oder Ergänzung zu verzinslichen Anlagen sein. Zwar gibt
nicht sicher, dass Aktiengesellschaften eine bestimmte Dividendenrendite oder
überhaupt Dividenden zahlen. Dies schließt Aktienfonds jedoch nicht
grundsätzlich als Quelle von Alterseinkünften aus. Aufgrund der relativ langen
Rentenzeit ist es sinnvoll die langfristig renditeträchtigste Aktienanlage im
Alters-Portfolio zu berücksichtigen. Kapital, das nicht für einen
Bankauszahlplan verwendet wird, könnte in breit gestreute Dividendenfonds
investiert werden. Der Vanguard FTSE All-World High Dividend Yield ETF etwa
bietet aktuell eine Dividendenrendite von vier Prozent bei einer
Gesamtkostenquote (TER) von nur 0,29 Prozent. Dividendenaristokraten erhöhen
sogar über lange Zeiträume kontinuierlich ihre Dividenden. Wer über ein
ausreichend hohes Vermögen verfügt, kann von Dividenden im Alter leben und von Kursgewinnen
profitieren. Aus 250.000 Euro Kapital ergeben sich bei drei Prozent
Dividendenrendite eine jährliche Ausschüttung von 7500 Euro.
Über Fondsauszahlpläne können Aktienfonds auch zum
Kapitalverzehr eingesetzt werden. Je höher der Wertzuwachs, desto länger die
Auszahlungsdauer (siehe Grafik 2). Nur wenige Banken – einige Direktbanken und
Neobroker – bieten allerdings kostengünstige ETF-Auszahlpläne an. Flatex und
Smartbroker erheben dafür keine Depotgebühren. In der Regel fallen aber
Ausführungsgebühren in Höhe von 0,2 bis 2,5 Prozent für den Auszahlplan an.
Der Nachteil des Kapitalverzehrs mit Aktienfonds ist die
hohe Volatilität der Wertentwicklung, weshalb sich schwer abschätzen lässt, wie
lange das investierte Fondsvermögen für eine bestimmte Auszahlungsrate
ausreicht. Der Vorteil der hohen Rentabilität von Aktienfonds über längere
Zeiträume spricht für diese Anlage, wenn die Ruheständler nicht auf einen
dauerhaft fixen Auszahlbetrag angewiesen sind und Schwankungen hinnehmen
können.
Immobilienrente,
Umkehrhypothek und Annuity Pools
Viele Senioren haben einen beträchtlichen Teil ihres
Vermögens in Immobilien gebunden. Mit der Immobilienrente aus einem
Immobilienverkauf mit lebenslangen Wohn- oder Nießbrauchrecht oder der
Umkehrhypothek kann das Kapital freigesetzt werden, obwohl die Senioren
weiterhin ihre Immobilie bewohnen. Aufgrund des hohen Anteils älterer
Immobilienbesitzer werden diese Modelle an Bedeutung gewinnen. Auch innovative
Auszahlungsmodelle werden diskutiert. So stellen Sandra Blome, Alexander Kling
und Professor Joachim Rust vom Institut für am Institut für Finanz- und Aktuarwissenschaften
in Ulm in der Zeitschrift für Versicherungswirtschaft das Modell der Annuity
Pools vor. Dabei schließen sich mehrere Rentner(-generationen) zusammen und
teilen sich das systematische Risiko der Langlebigkeit sowie das Kursrisiko der
Kapitalanlage. „Annuity Pools stellen eine sinnvolle Erweiterung der
Produktvielfalt dar“, so die Autoren. „In den kommenden fünf bis zehn Jahren
wird die Nachfrage nach Instrumenten zum Verzehr des angesparten Kapitals im
Ruhestand aller Wahrscheinlichkeit nach stark steigen“, so das Fazit von Sven
Ebert.
Diesen Beitrag teilen: